D er Kulturverein Raum2 e.V. hat sich dazu entschieden, im Jahr 2018 nicht an der KLP teilzunehmen und in dem Jahr eine Pause einzulegen. Hier die offizielle Erklärung des "Präsidialamtes" im Kulturverein. So könnte man schreiben, und es wäre für einige und die Gerüchtefresser alles gesagt. Wer sich für einen kurvigen Weg durch weiteres wirre Wirrwarr interessiert, ohne das Versprechen auf Auflösung erwartend, der kann fortfahren zu lesen. Es erwarten ihn Sprüche und Widersprüche…
Wir nennen es eine Besinnungspause und meinen es auch genau so.
Wir sind müde, wie andere in diesen Zeiten vielleicht auch. Es ist uns sehr wichtig, zu sagen, dass unsere Entscheidung, nicht an der KLP teilzunehmen, nicht als Statement gedeutet wird: `Wir finden die KLP scheisse und haben darauf keinen Bock mehr.´ Im Gegenteil. Wir wissen, was wir der KLP verdanken, welches Standbein sie für uns geworden ist im Jahreslauf, ein fester Termin seit vielen Jahren. Wir sind froh, dass wir zu diesem Fest, das unseren Landkreis so sehr bereichert hat, beitragen konnten. Und am Freitag alle Gäste nach Gorleben einzuladen, zu unserem wunden Punkt, finde ich nach wie vor eine der besten Ideen der KLP der letzten Jahre. War zugegeben nicht von mir.
Ersteinmal geht es uns im Raum2 also nur um uns. Wir wollen in Ruhe darüber nachdenken, wohin uns die Reise führen soll, und uns daran erinnern, woher wir kommen und was wir wollten. Erinnern oder überhaupt ersteinmal aufdecken. Dafür ist es schließlich nie zu spät, ist aber ein mühsames Geschäft.
Die KLP ist gesetzt. Die Menschen kommen so oder so ins Wendland, auch wenn wir nicht mitmachen. Hoffentlich ganz viele, bunt gemischt. Vielleicht werden es weniger, vielleicht auch mehr. Und ich hoffe, dass wir auch wieder dahin kommen, überall alle unsere Besucher als unsere willkommenen Gäste wahrzunehmen und nicht diese kleinlichen Klagen zu führen über zerfahrene Seitenstreifen, wilde Blumenpflücker, verstopfte Dörfer, zehn Tage dieser Lärm und das Jammern über den ewigen Kommerz … Ja, das ist alles scheiße, und wer sich nicht zu benehmen weiß, ja auch diese NietInnen sind mit dabei, manchmal auch haufenweise und ärgerlich allesamt, haben wir aber auch eigene davon bei uns im Landkreis, und wieso soll es denn in deren und unseren Köpfen anders aussehen, als der allgemeine, von (zum Beispiel) außen betrachtete Zustand auf diesem Planeten – durchgeknalltes Schlachthaus und stinkende Müllhalde. Digital und virtuell, natürlich und grün angestrichen!
Ich weiß nicht genau, was man da machen kann. Als ein aus der Zeit gefallener würde ich jedem eine gedruckte Broschüre vom Antimenschen in die Hand drücken: `Ratschläge zum Benehmenen auf diesem wunderschönen Planeten. Wie aus Schädlingen Menschen werden könnten.´ Wahrscheinlich müsste es heutzutage ein YouTube-Video, ein Podcast oder eine App sein. Meinetwegen. Hauptsache es wirkt. Aber wer will sich schon immerzu beleidigen lassen?
Zu weiteren KLP-Themen:
Die Blechlawine (wie in den ollen 50ern, als der massenhafte Teutonensturm über den Brenner nach Italien fuhr, wegen den Capri-Fischern und so… ): Seit Beginn der KLP wurde den Gästen vermittelt, das Fahrrad zu nehmen, und viele tun auch genau das. (Ich nehme selbstverständlich mein Auto, schließlich habe ich Dannenberger Kennzeichen, und außerdem muss ich dringend zu unserem KLP-Punkt durch den halben Landkreis und überall diese scheiß AutofahrerInnen, können nicht parken, kriechen dahin in so überflüssig großen Autos.) Ja, was ist denn mit all den anderen Gästen mit ihrer unzeitgemäßen (I love my car-) Verbrennungstechnologie? Will hier irgendjemand in diesem Land etwa Fahrverbote verhängen? Hört das Hupen! Think about it and be prepared.
(Das
erinnert mich an einen Busfahrer in den von Touristen-Autos verstopften
Bergen von Korsika, der aus seinem Fenster einem deutschen BMW
X8-Fahrer wütend zurief: „Hey du! Fahrunfähiger in deiner
überdimensionierten MaterialundRessourcenVerschwen
Und dann unseren Gästen mit einem ehrlichen Lächeln zu sagen: Willkommen bei uns im Wendland!
Aber manchmal machen die Gäste es einem auch schwer.
„Wie sollen denn diese Leute sein?“ fragte ich meinen Neffen, als es um die primären Eigenschaften neuer Mitbewohner ging. „Sie müssen die Standards beherrschen.“ „Standards? Was für Standards?“ „Na, die Standards eben: Toilette saubermachen, einkaufen gehen, miteinander reden, Standards eben.“
Von einigen wird damit schon sehr viel verlangt. Aber zur KLP und darüber hinaus könnten wir ergänzen: Sie sollten zudem tolerant, weltoffen und friedlich sein, mit Bedacht parken und fahren können, keine Blumen pflücken (denn die sind heutzutage alle selten) und das Fahrrad nehmen, gerne mit E-Antrieb und auf dem Handy eine App, die dem Fahrradfahrenden immer zeigt, wo in seiner Nähe die nächste volle (private) Solar-Tankstelle ist, an der er sich von dem mit der Sonne geladenen Hausakku Saft ziehen kann. Umsonst natürlich. Um im Garten einen ebensolchen zu trinken, einen Kuchen zu essen, übernacht zu bleiben. (das dann nicht kostenlos, aber gern gegeben und auch für E-Auto-Fahrer bestens geeignet…) [Vorsicht! Copyright! Die Idee mit den via Handy-App vernetzten umsonst Solartankstellen ist gut, nicht wahr? Ach scheiß drauf, ich schenke sie euch, macht damit ruhig eure Millionen…, aber zunächst gendern wir mal den obigen Absatz ab `App´.]
Eine Art Idylle also.
But never trust paradise.
Leider reicht manchmal ein Mensch, um eine Stimmung kaputt zu machen.
Was wollen wir mit denen machen? Reden und diskutieren? Schlagen? Ausweisen? Eine Mauer bauen?
Ja, was für Leute da auch immer wieder auftauchen und zusammenkommen auf diesem Planeten, manchmal möchte man da einfach nur in Ruhe gelassen werden. Verstehe ich.
Nächste Klage: Der ewige Kommerz! Man nennt es Kapitalismus, haben wir schon mal was von gehört, man munkelt, wie lebten darin. Hat wohl den ganzen Planeten erfasst, ist schwer wieder wegzukriegen. Als Privilegierte/r lebt es sich aber doch echt super in ihm. Nicht wahr?
Die KLP, gestartet in der Absicht, Menschen aus anderen Regionen das Wendland, die Lebensweisen und –ideen und –ideale der hier Schaffenden zu zeigen und unsere Höfe und Gärten zu öffnen, ihnen klarzumachen, weswegen wir hier gegen den atomaren Wahnsinn des Atomstaats seit 40 Jahren Widerstand leisten… „Die Wendländer können nur Widerstand!“ hieß es. Die KLP wollte diesem Vorwurf entgegentreten, um zu zeigen wofür wir kämpfen, wofür wir leben. Es ist ihr gelungen! Nicht vergessen!
Das `Wofür´ im Raum2? Partys und tolle Konzerte natürlich! Und Geld!
Hat alles sehr klein angefangen. Damals.
(Achtung Mythos!) Bei uns war es so: Wir waren wie immer pleite, hatten aber das Bauamt wegen der Elektrik im Nacken. Wir sagten uns: Wir machen eine (!) KLP, ja, richtig gelesen: Eine einzige, vielleicht haben wir dann das Geld zusammen, um ein paar Kabel zu verlegen. Wir nagelten eine kleine Hütte vor dem Eingang zur Halle zusammen, legten ein bißchen Imbiss darein und viele Kisten Bier, machten zehn Tage lang eine kleine Party und ein paar Konzerte, und hatten den größten Gartenzwerg der Welt auf dem Dach (15 Meter hoch aus gelben Säcken zusammengeklebt und aufgeblasen.) Das wars. So hat das alles damals angefangen, so ungefähr jedenfalls. Einige Wagemutige trauten sich bis in Hofnähe, andere sogar bis zu unserer Bretterbude…
2013 dann waren wir auf unserem Zenit und ein tausendfach besuchter Platz im Wendland, auch wenn oder gerade weil Marcel Pascal während seiner Möbelhaus-Tournee jeden Tag um 20 Uhr bei uns seinen Hit… aber bleiben wir sachlich. Es war eine sehr schöne und beeindruckende KLP! Tacheless bei uns, die `Arts and Prison´ – Ausstellung und unglaubliche Konzerte, Iva Nova, Guts Pie Earshot und all die unzähligen TheaterKünstlerInnen, KunsthandwerkerInnen, AusstellerInnen. Wer hat das möglich gemacht? Wir alle zusammen…
Wir merkten in dem Jahr: Steigern können wir das nicht. Wenn wir uns auf Höher-Schneller-Weiter einlassen, werden wir etwas verlieren. Wir wußten das. Allein das `Weiter´ hat schon ausgereicht und uns ist genau das passiert, auch wenn wir das gar nicht wollten. Passierte aber trotzdem. Während die Einnahmen, sagen wir, ausreichten, um das zu finanzieren, was dringlich war, verloren einige von uns ihre Leichtigkeit für die KLP. Die Freude am Tun wich einem bekannten und geübten Ablauf. Und nebenbei wurden wir auch noch älter. Soll vorkommen. Einige von uns waren müde, erschöpft, auch Streit und Meinungsverschiedenheiten belasteten die Gruppe, ob gerechtfertigt oder nicht, privater natur oder gruppendynamisch (-no use trying to hide that!) und es war wohl eine Mischung aus allem.
Sagt nicht, das kennt Ihr nicht! Überall, wo Menschen zusammenkommen passiert genau das.
Was erwartet Ihr? Das wir uns dann zusammensetzen und sagen: Jo, dann machen 2018 eben eine Pause von der KLP, alle sind glücklich und gehen nach Hause? Zu jeder Entscheidung gehört mindestens eine Konsequenz, ein Preis, der zu zahlen ist. Wir haben unsere erste Rate bezahlt, der Rest wird folgen. Wir wissen nicht, wo wir 2019 stehen werden, vermuten aber, dass wir dann noch immer da sein werden. Wir gehen hier nicht weg, schließlich haben wir den ganzen Kasten ja gerade erst gekauft, es sind viele engagierte Leute an Bord und es werden neue und alte kommen.
Vielleicht beginnen wir ja wieder mit einer Bretterbude vor der Halle.
Es ist aber auch verlockend: Da kommen dann Menschen tausendfach in diesen vergessenen Winkel und wollen etwas kaufen, erleben, sehen… Sie haben Geld in der Tasche, so sagte man früher, und es sitzt locker, und sie suchen einen besonderen Tisch, Kunst für ihren Garten, ein Schmuckstück, ein Kleid, etwas Ausgefallenes, ein gutes Essen (Danke an Marco und die Crew!), eine kleine Freude, ein schönes Konzert, etwas zum Nachdenken… Und die Menschen hier bieten ihnen genau das an, ob sie nun hier wohnen oder `von außerhalb´ kommen (wo ist das denn? Hinterm Zaun? Sind hier etwa Ausländer anwesend?), manche KünstlerInnen verdienen vielleicht sogar einen Teil ihres Jahreseinkommens während der KLP. Na und? Wer neidet es? Die Kunst ist brotlos genug, und wer es einigermaßen ernst oder lustig damit meint, weiß, wie karge Zeiten schmecken.
Das ist dann ein ganz `normaler´ Vorgang, keiner sollte überrascht tun. Aber es bringt auch nichts, es zu verstecken oder zu leugnen. Sollen sie doch alle kaufen und verkaufen. Ich mag Geld. (Wie Douglas Adams schrieb: Es sind nicht die bedruckten Scheine, die unglücklich sind. Aber wenn man sich mit dem Teufel einlässt, ändert sich eben nicht der Teufel!)
Gedanken zur Zukunft der KLP
Eine Variante:
Die KLP freigeben? Oder tut sie das nicht schon von alleine? Viele Menschen haben gemeinsam vor vielen Jahren ein großartiges Projekt gestartet, ist wie eine Saat, die aufgegangen ist. Respekt dafür! Ein echter Selbstläufer. Vielleicht ist der Moment, zu sagen: Am Freitag, möglichst einem dreizehnten, treffen wir uns alle an dem Ort der Gründung der Republik Freies Wendland, zwischen Donnerstag und Montag treffen wir uns im Wendland wie und wo und wann und für was auch immer wir wollen und machen eine große, utopische Feier mit unseren FreundInnen (und allen anderen).
Aber damit die KLP der Beliebigkeit preisgeben?
Aus der KLP ein beliebiges Kommerzfest machen, garniert mit etwas Kunst und Kultur? Es wäre einfach schade.
Sie war als politische Veranstaltung gedacht, es war ein politisches Statement: Wir leben hier und wir zeigen, was wir hier machen. Das ist unser Traum. Das hier ist die Republik Freies Wendland. Und dafür kämpfen wir, dafür leben wir.
Die politische Aussage scheint in den Hintergrund zu treten, und auch der Tag an den Atomanlagen neigt dazu, zu einer Flaniermeile an Freßbuden vorbei und T-Shirt Verkauf mit Wendlandsonne zu verkommen.
Was gibt es da nicht alles zu diskutieren! Back to the roots? Einheimischenquote? Zumindest diskutierenswert.
Gleichzeitig gibt es eine Tendenz zur Aufspaltung, man kann es die Mützingentisierung nennen: Ein paar Punkte machen ihr eigenes Ding, andere versuchen, ihren Wurzeln treu zu bleiben. Und selbst das kann zusammengehen.
Denn denen ihre wendländischen Wurzeln oder politische Integrität abzusprechen, nur weil sie während der zehn Tage auch etwas Geld für den ganzen Aufwand verdienen wollen (und zumeist ist es sehr wenig) greift viel zu kurz und ist letztendlich ungerecht. Und selbst wer den totalen Kommerz will, kann dennoch ein politischer und wendländisch denkender und handelnder Mensch sein.
Einfache Antworten wird es wohl kaum geben, aber diskutiert werden muss das Ganze. (Ich erinnere mich an ein Gespräch zwischen zwei Frauen während einer KLP vor vielen Jahren, als die aktuelle Diskussion noch in weiter Ferne lag. Ich kam eine Treppe herunter, hatte gerade eine Ausstellung der Bäuerlichen Notgemeinschaft besucht. Die eine Frau fragte die andere: „Was ist denn da oben?“ „Ach, eine Ausstellung über Widerstand.“ „Ne, Widerstand, das wollen wir nicht.“ Was soll man da machen?)
Dann doch lieber zehn Tage Temporäre Autonome Zone mit allem, was geht: Musik, Ausstellungen, Theater, Kunst, Handwerk… wir kommen zusammen und lernen uns kennen, und haben eine Menge Spaß miteinander in unserer TAZ, der Republik Freies Wendland. Und vielleicht NICHT IMMER GANZ SO LAUT!
Tja, wenn sich doch alle nur einigermaßen zu benehmen wüßten.
Denn irgendwann einmal ist auch die schönste Party vorbei, und dann ist es an der Zeit, sich einfach mal schlafen zu legen und auszuruhen für die nächste Runde; für uns: übernächstes Jahr. So machen wir das.- El Presidente , Nuevo Tramm/Wendland -