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Rezension: “Und bis es soweit ist, gibt es Eiscreme”

“Und bis es soweit ist, gibt es Eiscreme”   von Martin Spieß ist ein Roadmovie aus der niedersächsischen Provinz – dem Wendland. Eine Buch-Nicht-Empfehlung von Roswitha Ziegler.

Der Ich-Erzähler und sein bester Freund Jäger, beide in Berlin aufgewachsen, erleben auf einem  dauer-bekifften  Demo-Trip anlässlich eines Castor-Transports  allerlei in bunter Reih. Ihre Erlebnisse werden aufgemöbelt mit Zitaten aus Film, Funk und Pop Musik, TV-Serien. Das Universum von Star Trek, ist den beiden Freunden  geläufig, und sie benutzen einen gefälschten Presseausweis, nennen sich Matt Smith und David Tennant (aus  Dr. Who).

Wir erleben 2 moderne Helden, die in einer Art Reenactment in ihrer selbstbezogenen Zeitschleife  unterwegs sind, um an die Castor-Transportstrecke zu kommen. Das ergibt durchaus komische Konfrontationen mit Polizisten, von denen sie kontrolliert und anschliessend durchgewunken  werden.  Die Zutaten dieses Romans machen denselbigen leider streckenweise bemüht. Sicher ist es ehrenwert und vielleicht auch notwendig für das jüngere  Zielpublikum von Spieß, Gorleben zu erklären. Wie genau es sich anfühlt, wenn eine weibliche  Hand auf einen Schwanz fasst, oder wie man einen guten Joint dreht, ist Spiess jedoch leider banal  im etwas langatmigen Jargon eines  Ratgebers  für hippe Youngsters geraten.

Wir erfahren, dass heutzutage junge Leute sich mit  Zitaten aus ihren Lieblingsserien gegenseitig zu übertreffen versuchen. Und dass alle Personen, auf die die beiden Helden auf ihrer Heldenreise treffen, natürlich ganz supernette und kluge Gutmenschen sind, besonders, wenn diese ihnen ihre diversen Gras-Sorten zum rauchen anbieten.  

Die Dialoge sind teilweise hölzern, 'man merkt die Absicht und ist verstimmt', wenn die Konstruktion zu sehr durchscheint. Es ist Spiess eine Sammlung von einzelnen Szenen gelungen, die er versucht, durch seinen Roadtrip von D(annenberg) nach G(orleben)  entlang der Castor-Strecke zu verknüpfen. Leider sind immer wieder langatmige Erläuterungen durchzustehen, die entweder die beiden Jungs selbstverliebt  untereinander, oder mit den Personen, auf die sie treffen und die ihnen Wikipedia- Informationen zu Gorleben liefern.

Flash backs sind angesagt,  die Begegnung mit Frauen natürlich etwas wichtiges: Sex sells. Das bi-sexuelle ist modern und auch wichtig.  Es muss natürlich zuguterletzt etwas passieren, die Heldenreise kann nicht so sang- und klanglos auströpfeln. Vor den Toren des Zwischenlagers wird einer der beiden Jungs von einem Räumfahrzeug überfahren und der Andere fällt in Ohnmacht. Rettungssanitäter, Krankenhaus Dannenberg, Operation, und oh Wunder, dort trifft der Ich Erzähler auf die Frau, inzwischen Ärztin, von der er seit 10 Jahren geträumt hat. Jedoch: Vielleicht träumt er das auch nur,  und sein Freund Jäger  ist gar nicht gestorben -  das Ende bleibt offen.

Was passiert wirklich mit Jäger? Ist es real oder fiktiv? Was irritiert ist dieses fiktionale Element am Ende, mit dem Spiess arbeitet, weil das als erzählerisches Element da zum erstenmal auftaucht, vermutlich um seiner story schlussendlichen Drive zu geben. Aber vielleicht habe ich ja auch was überlesen, und alle Geschichten bis zum Schluss zu sehr als 'reale' wahrgenommen.  Die Erzählstruktur bis kurz vor dem Schluss kommt jedenfalls ohne fiktionalen Einschub aus, sodass man  dann sehr erstaunt ist, dass sein Freund Jäger nun gar nicht tot ist, im Krankenhaus gestorben, sondern der Ich Erzähler  selbst den Tod des Freundes  in seiner Ohnmacht imaginierte. Oder andersrum, who knows.

“Und bis es so weit ist, gibt es Eiscreme”  will eine Polit-Komödie sein,  Wendländisches Roadmovie mit Zitaten aus der Popkultur , sowie Infotainment über den Widerstand über das nicht gelöste Problem nuklearer Entsorgung. Weniger wäre mehr.


Und bis es so weit ist, gibt es Eiscreme ” 235 Seiten, broschiert,  Verlag Culture books,
Hamburg, 15.- Euro
Martin Spiess geb. 1981 in Dannenberg, lebt und arbeitet als Schriftsteller und Musiker im Wendland. Studierte keratives schreiben und Kulturjournalismus  an der Universität Hildesheim  




2017-02-26 ; von Roswitha Ziegler (autor),

bücher   castor  

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