Es ist keine Überraschung, dass Norbert Röttgen in Gorleben für den Weiterbau des Endlagers im Salzstock eintritt. Es ist auch keine Überraschung, dass die schwarzgelbe Koalition unter seiner Regie den Baustopp beendet hat und Enteignungsmöglichkeiten gegen die Kirche und die Familie Bernstorff geschaffen hat. Das war und ist Programm der Regierung. Ein Kommentar von Rebecca Harms.
Wer Laufzeiten verlängert kann auf den sogenannten Entsorgungsvorsorgenachweis - die Lizenz für Atommüllproduktion- nicht verzichten. Denn Ergebnisoffenheit hin, Eignungshöffigkeit her, die Arbeiten im Salz von Gorleben dienen der Atomindustrie als Entsorgungsvorsorgenachweis. Es war also nur konsequent, dass Norbert Röttgen nun alle Zweifel an der Geologie und alle Kritik am undemokratischen Verfahren beiseite gelassen hat. Er ist nicht der erste Minister der das so macht.
Überraschend und ärgerlich aber ist, mit welcher Chuzpe Röttgen vertritt, dass er doch eigentlich gar nichts vom Tisch gewischt hat. Folgt man seinen Worten, dann ist er der Mann, der jetzt die Fragen hört, die Zweifel aufgreift, die betroffenen, Bürger ernst nimmt. Aus Stuttgart lernen sei seine Parole. Und anders als beim tiefen Bahnhof Stuttgart 21 habe man beim tiefen Endlager Gorleben ja noch viel mehr Zeit für den Dialog zwischen Befürwortern und Gegnern.
Ich höre und staune: Minister Röttgen kommt nach Gorleben und erklärt uns, dass das Verfahren für ein Endlager Gorleben sich in einem viel füheren Stadium befindet als das für Stuttgart 21. Also alles nur ein Alptraum? In Gorleben ist nicht seit Anfang der achtziger Jahre ein grosses Bergwerk errichtet worden, dass von vornherein für den Betrieb als Endlager und nicht nur als Forschungsstätte ausgelegt war? In Gorleben im Salz sind noch nicht 1.5 Milliarden Euro investiert worden? Niemand hat je entschieden, dass man das Endlagerbergwerk nach Bergrecht statt nach Atomrecht errichtet, um lästige Bürgerbeteiligung zu umgehen?
Es ist die fixe idee von uns Atomkraftgegnern, dass das Endlager zu 90 Prozent fertig gebaut sein wird, wenn das atomrechtliche Genehmigungsverfahren dann eines nicht mehr fernen Tages beginnt? Auch das atomare Entsorgungszentrum der Bundesrepublik, das oberirdisch schon betrieben wird, bedeutet nichts?
Nein, Herr Röttgen. Wir stehen in Gorleben nicht am Anfang eines Verfahrens. Wir stehen kurz vor Beendigung des Baus. Und sie lassen gerade den Nachweis der Eignung des Salzstockes für die Endlagerung vorbereiten. Ein Verfahren wie das in Stuttgart - wenn das denn offen war - kommt in Gorleben zu spät. Es ist politischer Hohn, so zu tun als könnten Jahrzehnte währende Intransparenz auf den letzten Metern gut gemacht werden. Zu viele Polizeieinsätze, zu viel politische Manipulation, zu viel Lobbyeinfluss, zu viel Gorlebenschmiergeld - das lässt sich nicht heilen. Dass der Standort Gorleben als Endlager politisch verbrannt ist, das wurde oft gesagt. Dahinter verschwindet zu oft dass der Salzstock Gorleben auch geologisch auf keinen Fall geeignet ist - es sei denn, man würde die ursprünglich erklärten Sicherheitskriterien ganz fallen lassen. Überraschen würde das nicht.
Mensch Röttgen! Wir hatten wirklich Hoffnung dass da ein bisschen neuer atomkritischer Geist durch die CDU weht, als sie angefangen haben. Davon ist nichts übrig. Das Dialogverfahren, dass sie in Gorleben vorgeschlagen haben, wirkt wie die politische Garnierung zu den alten Durchsetzungsstrategien in Gorleben. Wenn sie das als Beitrag zur Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Bürger und Staat ausgeben, als ihren Beitrag zum Lernprozess aus Stuttgart 21, dann kann ich sie wirklich nur schwer ernst nehmen. Sie erweisen dem Engagement der Bürger von Stuttgart damit auch einen Bärendienst.
Der Standort Gorleben für ein Endlager muss aufgegeben werden. Ein neues ergebnisoffenes Suchverfahren mit einer echten Bürgerbeteiligung kann und wird es nur nach Gorleben geben. Und nach Umweltminister Norbert Röttgen. Schade, dass er die Chance auf einen Neubeginn vertan hat. Denn wahrscheinlich ist die weitere Vorraussetzung für eine neue und an Sicherheit orientierte Suche nach einem Endlager ein Konsens zwischen Bürgern und Politik jenseits des Parteienstreits.
Foto: Rebecca Harms auf der Fahrt zur Auftaktkundgebung zum Castor 2010/ von Andreas Schölzel