Bereits im März hatten die Bundesländer Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern eine Vereinbarung zur Erstellung eines gemeinsamen
Rahmenplans für den Hochwasserschutz an der Elbe unterzeichnet. Im ersten Schritt sind radikale Rückschnitte in der Elbaue zwischen Bleckede und Schnackenburg geplant.
Zu dem komplexen, länderübergreifenden Hochwasserschutz-Konzept gehören die Reduzierung des Bewuchses, Abgrabungen von Sedimenten, das Anlegen von Flutrinnen, der Anschluss von Altarmen, Deichrückverlegungen, Deichneubauten sowie die Anlage von Flutpoldern ebenso wie ein Rückschnitt der Weichholzauen an den Elbufern.
Nachdem EU im April grünes Licht für den Rahmenplan gegeben hatte, soll nun bereits im Oktober mit den ersten Rückschnittmaßnahmen an der Elbe begonnen werden. Die Planung und Umsetzung der anderen Bestandteile des Rahmenplans wird dagegen wohl noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Doch die EU hatte ihre Zustimmung zum vorzeitigen Rückschnitt unter der Bedingung erteilt, dass die Ausgleichsmaßnahmen und die Maßnahmen des Gesamt-Rahmenplans "zeitnah" entwickelt werden. Der Rückschnitt kann allerdings aus Gründen des Bevölkerungsschutzes bereits im Vorfeld erfolgen.
Sowohl Umweltminister Stefan Wenzel als auch seine Staatssekretärin Almut Kottwitz hatten in den vergangenen Monaten immer wieder betont, dass bei der Umsetzung der Hochwasserschutz-Maßnahmen, nur solche Maßnahmen in Betracht kommen, "die mit der
größtmöglichen Schonung der rechtlich geschützten Naturräume vereinbar
sind."
Nach Gesprächen mit Mitgliedern der Projektgruppe, die sich mit der Umsetzung der Maßnahmen beschäftigt, kristallisiert sich nun allerdings heraus, dass - zumindest in einigen Uferbereichen - drastische Rückschnitte geplant sind.
Projektgruppe berät über Maßnahmen-Programm
Seit Ende Februar tagt die "Projektgruppe Rahmenplan zur Abflussverbesserung der Unteren Mittelelbe", zu der neben Vertretern der beteiligten Kommunen + Landkreise, der Biosphärenreservatsverwaltung, der Deichverbände zwischen Schnackenburg und Geesthacht sowie dem Verein zur Erhaltung der Kulturlandschaft auch zwei Vertreter des BUND und des NABU gehören. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz hat die Federführung für den Prozess übernommen.
wnet unterhielt sich mit Eckhart Seebaß, der für den BUND an der Projektgruppe teilnimmt, über den Stand der Dinge. "Wir sind in der Projektgruppe gerade dabei, die konkreten Rückschnitte an der Elbe zu planen," so Seebaß gegenüber wnet. "Aufgrund der zweidimensionalen Berechnungen der Bundesanstalt für Gewässerkunde kristallisierten sich einige Uferbereiche heraus, an denen Engstellen oder besondere Fließverhältnisse es erforderlich machen, dass dort Weichholzauen entfernt werden müssen." Seebaß erkennt an, dass nach den vorliegenden Unterlagen wohl die wichtigsten Bereiche sind, in denen es zu handeln gilt, weil Engstellen, Kurven oder Sedimentablagerungen für erhöhten Wasserandrang sorgen. Andererseits bezweifelt der Naturschützer allerdings die Wirksamkeit der Rückschnittmaßnahmen.
Geplant werden Rückschnitte u.a. in Uferbereichen bei Bleckede, Wussegel, Walmsburg oder Bitter. Wie drastisch die Rückschnitt-Maßnahmen ausfallen können, zeigt das Beispiel Vietze. Dort sollen alle Weiden auf einer Strecke von über einem Kilometer vollständig entfernt werden. Uralte Silberweiden mit einem Durchmesser von rund einem Meter sollen dort ebenso weichen wie junger Aufwuchs. Von Rodung ist inzwischen keine Rede mehr, die Bäume sollen lediglich zurückgeschnitten werden - flache Stümpfe werden dann wohl ab Herbst das Landschaftsbild am westlichen Elbufer bei Vietze prägen.
"Wir Naturschützer haben auch in Wussegel oder Bitter nur zähneknirschend zugestimmt, da die Wasserwirtschaftler in diesen Bereichen dringenden Handlungsbedarf sehen. Auch in Vietze wurde eine Engstelle als Grund genannt." Seebaß betonte jedoch, dass die Rückschnittmaßnahmen aus Sicht der Naturschutzverbände längst nicht so wichtig sind wie die später noch folgenden anderen Maßnahmen wie Rückdeichung, Herstellung von Poldersystemen oder der Anschluss von Altarmen. "In Vietze ist der Rückschnitt angesichts der Deichplanungen meiner Ansicht nach überflüssig," ist Seebaß überzeugt. Und ergänzt: "Die Bundesanstalt für Gewässerkunde hat errechnet, dass die angebliche 'Verbuschung' im Elbebereich lediglich zu einem Wasseranstieg von 1 - 2 cm, an einigen wenigen Stellen auch von 6 - 7 cm führt," so Seebaß. "Da ist es für unsere Begriffe nicht verhältnismäßig, dass ganze Uferbereiche vollständig abgeholzt werden." Aber die Naturschutzinteressen fanden auch in der Projektgruppe nur wenig Gehör. Die Mehrheit der Gruppen-Mitglieder sah den Rückschnitt als dringlichste Maßnahme in Sachen Hochwasserschutz.
Klaus-Jürgen Steinhoff vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), der als Projektleiter für die Umsetzung des Rahmenplans zuständig ist, mag allerdings derzeit keine Aussagen über die Wasserhöhen machen, die durch die Verbuschung verursacht sind. "Die Zahlen der Bundesanstalt für Gewässerkunde werden laufend ergänzt," so Steinhoff. "Im Moment arbeiten wir lediglich mit den Zahlen aus Stichproben." So ist es nach Steinhoffs Ansicht durchaus denkbar, dass sich nach genauerer Bewertung und Begutachtung vor Ort die Planungen noch einmal verändern können.
So hat auch Eckhart Seebaß noch Hoffnung, dass die Rückschnittmaßnahmen nach Vor-Ort-Gesprächen abgemildert werden können. So wie in Tiesmesland: dort gelang es nach konkreten Ortsbegehungen, dass das ursprünglich wesentlich großflächiger angelegte Rückschnitt-Programm abgemildert wurde, so dass alte Weidenbäume stehen bleiben können.
Ausgleich in anderen Bereichen
Nach dem Rahmenplan müssen insbesondere für die Bäume in besonders geschützten Lebensräumen durch Ausgleichsmaßnahmen vollständig kompensiert werden. Diese werden aber naturgemäß nicht in den gleichen Bereichen liegen wie die abgeholzten Bäume. Verhindert werden konnte zum Beispiel , dass Auenflächen an der Aller als Ausgleich für die an der Elbe gefällten Bäume angegeben werden. Nun werden Flächen im näheren Umkreis und in weitläufigeren Bereichen der Flussaue gesucht.
Rückschnitt nur sinnvoll, wenn Rahmenplan vollständig umgesetzt wird
Wie gesagt: nur zähneknirschend stimmten die Naturschützer den Rückschnitt-Maßnahmen zu, immer wieder betonend, dass parallel zu den Rückschnitt-Maßnahmen auch die Konzepte für das weitere Auenmanagement entwickelt werden müssen: Anschluss von Altarmen, Rückdeichungen, Poldersetzungen und - ein Konzept, wie der Wieder-Aufwuchs in den so radikal zurückgeschnittenen Bereichen verhindert werden kann.
Doch was die weitergehenden Planungen angeht, so gibt es dort noch viele Fragezeichen. Mit welchen Tieren kann die Aue beweidet werden, die auch harte Rinde verbeißen? Wie werden die derzeitigen Pächter der Uferflächen eingebunden? Wie kann und soll das Gesamtkonzept aussehen?
Alle diese Fragen, da ist sich auch der beim NLWKN für die Umsetzung des Rahmenplans zuständige Projektleiter Klaus-Jürgen Steinhoff sicher, werden wohl erst in den nächsten Jahren geklärt werden können.
Allein was die Rückdeichung angeht, so gibt es nicht nur in der Projektgruppe unterschiedlichste Ansichten über den Sinn und Unsinn. Auch das Stichwort "Abgrabung von Sedimenten" birgt Sprengstoff: spätestens seit der Flut im Jahre 2002 ist bekannt, dass im Boden der Elbufer Dioxinablagerungen aus Jahrzehnten permanenten Eintrags lauern. Ein Problem, welches vor 10 Jahren zum Vermarktungsstopp von Fleisch und Milch von Rindern aus der Elbtalaue und zeitweise Weideverbot führte. Nicht zuletzt sollen laut Eckhart Seebaß die Weiden eben wegen dieser Dioxinproblematik nicht gerodet werden.
Der nächste Schritt: nach der endgültigen Abstimmung der Projektgruppe, die für Mitte Juli geplant ist, wird ein Sachverständigenbüro mit der Durchführung der notwendigen FFH-Verträglichkeitsprüfung beauftragt, bevor im Herbst die Sägen zum Einsatz kommen können.
Foto / Angelika Blank: die Auenwälder an der Elbe könnten in einigen Bereichen bald Geschichte sein ...