Kurz vor 11 Uhr am Donnerstag Morgen sank ein Stück Gartower Geschichte gen Boden. Sicherheitsbedenken machten es notwendig, dass der rund 30 m hohe Schornstein des ehemaligen Sägewerks abgebaut werden musste. Früher hatte die daran angeschlossene Dampfmaschine einen Teil Gartows mit Strom versorgt.
Drei Stunden konzentrierter Arbeit brauchte es, bis der gesamte Schornstein des alten Sägewerks in Gartow abgebaut war und sicher zu ebener Erde gelagert werden konnte.
Eigentlich sollte die Firma Keller aus Gartow lediglich die Halteseile des längst marode gewordenen Schornsteins sichern, doch bei der Nachkontrolle stellte sich heraus, dass an verschiedenen Stellen bereits Bolzen aus den Verbindungsstücken gefallen waren.
Da die Sicherheit des Schornsteins damit endgültig nicht mehr gewährleistet war, entschied sich der Insolvenzverwalter dazu, dass der alte rund 30 m hohe Schlot abgebaut werden soll. Für Michael Keller begann mit dieser Anordnung der spannende Teil seines Auftrags. Zwar hatte er beim Hochbahnbau in Hamburg schon Erfahrungen mit hohen Aufbauten sammeln können, doch die Höhe und der zweifelhafte Zustand der Jahrzehnte alten Teile des Schornsteins flößten auch dem erfahrenen Tischlermeister Respekt ein.
Doch Michael Keller blieb gelassen – Erfahrung, sorgfältige Planung und der Einsatz hochkompetenter Mitarbeiter sorgten dafür, dass die ganze Aktion zügig und ohne Komplikationen über die Bühne ging. Ganz billig war der Abriss jedoch nicht, allein der Einsatz von zwei Autokränen kostet ca. 300 Euro pro Stunde. „Und das Risiko war auch nicht ohne,“ so Michael Keller. „Da habe ich doch vorher lieber meine Versicherung befragt, ob auch alles in Ordnung ist.“
Letztendlich kostete der Schornstein-Abriss rund 10 000 Euro, die von den Gläubigern des insolventen Firma Herbst zu tragen sind. Denn nur durch den Einsatz von zwei gewaltigen Autokränen der Fa. Pengel war es überhaupt möglich, an den Schornstein heran zu kommen. Nun galt es zunächst, den oberen Teil des Schornsteins zu sichern, um mit dem Abflexen beginnen zu können. Dann ging alles recht schnell: Plötzlich schwebte der obere Schornstein-Teil am Haken des Krans – kaum eine Dreiviertelstunde später war auch der untere Teil abgeflext und sicher zu Boden gebracht.
Für manche Gartower mag es ein trauriger Anblick sein, das Symbol für eine eigenständige Energieversorgung und einen lebendigen Betrieb im Sägewerk am Boden liegen zu sehen. Lange versorgte die gewaltige Dampfmaschine einen Teil Gartows mit Energie.
Des weiteren ist die Gartower „Lokomobile“ aus der Serie liegender Einzylindermaschinen mit Unterflurfeuerung und einer Leistung von 190 PS der Firma Heinrich Lanz, Mannheim (Baujahr 1923) mit der Fabriknummer 40638 nach allgemeinem Wissensstand die einzige noch erhaltene in Deutschland.
Die Maschine wurde mit einem 110-V-Generator bis 1968 betrieben und erst im Zuge einer gescheiterten Umstellung auf einen 220V-Generator 1968 stillgelegt. Bis dahin betrieb sie über Riemenantriebe den kompletten Maschinenpark des Sägewerks und auch eine Getreidemühle.
Kein Wunder also, dass der Schornstein von der Kreisverwaltung als Industriedenkmal eingestuft wird und den Gläubigern auferlegt wurde, die Schornstein-Teile geschützt einzulagern. Wo und wie das allerdings geschehen wird, blieb am Donnerstag noch unklar.
Foto / Angelika Blank: Nach drei Stunden intensiver Arbeit und dem Einsatz von zwei kräftigen Autokränen war der alte Schornstein niedergelegt.