„Herbsthausen“ gehört zu Gartow wie die ausgedehnten Wälder rings um den kleinen Ort an der Seege. Den Namen bekam das alte Sägewerk, weil der ehemalige Besitzer im Laufe der Jahrzehnte unzähligen Tischler- und Zimmermannslehrlingen Wohnen, Arbeit und Ausbildung ermöglichte. Nun steht das Sägewerk mit seinem weitläufigen Gelände und diversen Wohn- und Arbeitsgebäuden zum Verkauf.
Wenn Detlev Duske aufgefordert wird, über seine Ausbildungszeit in „Herbsthausen“ zu erzählen, beginnen seine Augen zu leuchten. „Es war schon eine außergewöhnlich bunte Zeit, die wir hier als Lehrlinge verbringen konnten,“ so Duske, der in dem holzverarbeitenden Betrieb von Günther Herbst seine berufliche Laufbahn als Tischler und Zimmermann begann.Noch heute finden sich auf dem Gelände an allen Ecken und Enden die Spuren der HandwerkerInnen, die in „Herbsthausen“ lebten und arbeiteten. Hier ist es eine Außentreppe, die die Geschosse des ehemaligen Mühlengebäudes miteinander verbindet, dort ein uriger Hühnerstall, der – zwar leicht windschief und verwittert – den Charme alten Handwerks vermittelt. Daneben zeugen größere und kleinere Holzhäuser von dem aktiven handwerklichen Leben, dass hier über Jahrzehnte hinweg stattfand.
„Es war faszinierend, in Herbsthausen zu leben und zu arbeiten“, schwärmt Duske noch heute. „Der ehemalige Besitzer bildete die Lehrling nach dem Prinzip 'Probiere es und zeig was Du kannst' aus. “ Diese Freiheit zog im Laufe der Zeit unzählige angehende Handwerker an, die so wie Detlef Duske noch heute von ihrer Zeit in Gartow schwärmen.
Ein ganz modernes Thema: Dezentrale Energieversorgung
Mit der „liegenden einzylindrigen Dampfmaschine“ der Fa. Lanz war das Sägewerk Anfang des vergangenen Jahrhunderts auch ein Vorreiter in Sachen Energieversorgung. Mit der Energie aus der Dampfmaschine wurde ein ganzer Ortsteil Gartows schon mit Strom versorgt, als im gräflichen Schloss Licht noch mittels Kerzen erzeugt wurde. Ebenso sorgte eine gewaltige Wasserpumpe dafür, dass die umliegenden Gartower Siedler mit Wasser versorgt werden konnten.
Was anderenorts mühselig neu aufgebaut wird, war in Gartow also schon Anfang des vergangenen Jahrhunderts Konzept: dezentrale Versorgung der Anwohner mit überschüssiger Energie aus dem Sägewerk.
Die gewaltige Dampfmaschine der Fa. Lanz steht heute noch in einer eigenen Halle auf dem Gelände. Als einzige ihrer Art ist sie vollständig und funktionstüchtig erhalten geblieben – ein echtes Kleinod der Maschinengeschichte. Bis zum Ende der 60er Jahre leistete sie tapfer ihren Dienst zur Energieversorgung des Betriebes und einiger umliegender Häuser, bis ihr Betrieb unrentabel wurde.
Vor einigen Jahren war dann Schluss mit dem aktiven Handwerkerleben von „Herbsthausen“. Der Betrieb wurde insolvent und musste geschlossen werden.
Andreas Graf Bernstorff, aus dessen weitläufigen Wäldern das Sägewerk schon Anfang des vergangenen Jahrhunderts sein Holz bezog, wäre begeistert, wenn sich neue Nutzer finden würden, die die alte Einheit von Leben, Arbeiten und (Aus)Bilden in „Herbsthausen“ wieder aufleben lassen. Denn das Sägewerk Gartow gehört zur Geschichte des Fleckens ebenso wie die Barockkirche oder das gräfliche Schloss. Bereits 1868 hatte Johann Christian Herbst den Betrieb errichtet. Holz aus dem gräflichen Forst war der Rohstoff, der von Gartow aus über die Elbe bis ins Ruhrgebiet verkauft wurde. Für den Transport aus dem Wald zum Sägewerk und von dort zur Elbe waren sogar eigens Schienen gelegt worden, die teilweise heute noch zu finden sind.
Neue kreative Nutzung gesucht
Nun steht das gesamte Gelände zum Verkauf und wartet auf neue Nutzungsideen. Möglichkeiten bietet das historische Gelände genug: Neben 20 000 qm Fläche stehen mehrere Wohnhäuser zur Verfügung, in der Abbundhalle warten immer noch Gattersägen, Transportbänder oder Loren auf neue Aufgaben und die Tischlerwerkstatt ist mit allem ausgestattet, was ein Holz-Handwerker braucht, um Möbel, Fenster oder, oder, … zu bauen.
Foto: Standbild aus dem wendland-net-Video über das Sägewerk.