Während Bundesumweltminister Norbert Röttgen kurzerhand die umstrittenen Atommülltransporte ins russische Majak stoppt, möchte Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander keine Castortransporte nach Gorleben mehr.
Am Montag hatte Sander vor Medien gefordert, die Castortransporte nach Gorleben auszusetzen. "Wir werden alles daran setzen, dass keine weiteren Castoren nach Gorleben kommen, solange der Salzstock dort als mögliches Atomendlager ergebnisoffen erkundet wird", sagte der Politiker der Nachrichtenagentur dpa am Montag in Hannover: "Das muss in Ruhe erfolgen, ohne jährliche Großdemonstrationen." Die Bundesregierung müsse so schnell wie möglich eine Lösung finden.
Einer kleinen Sensation gleich kommt auch der Vorschlag Sanders, Zwischenlager an anderen AKW-Standorten einzurichten, vor allem für den Atommüll, der aus den länger laufenden Atomkraftwerken anfalle. Das Zwischenlager in Ahaus sei zum Beispiel für den hoch radioaktiven Müll aus La Hague und Sellafield geeignet.
Im Jahr 2011 stünde bereits der nächste Castor-Transport aus Nordfrankreich an. Danach ab 2014 noch vier weitere Transporte aus Sellafield. Völkerrechtliche Verträge verpflichten Deutschland, den nach der Wiederaufbereitung im Ausland anfallenden Atommüll zurück nach Deutschland zu holen. Sander will sich nun außerdem dafür einsetzen, dass der Bundesaußenminister einen Transportstopp bei den französischen und englischen Partnern erreicht.
"Wenn die existierenden Zwischenlager für die abgebrannten Brennelemente aus den länger laufenden deutschen Atomkraftwerken nicht ausreichen, dann muss die Atomindustrie neue Zwischenlager bauen", so Sander. "Am besten dort, wo die meisten Kernkraftwerke laufen - das ist in Süddeutschland."
„Sander will Ruhe für Endlager-Ausbau in Gorleben“
Gorleben-Gegner nehmen den neuesten Vorstoß von Umweltminister Sander recht verhalten auf. Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Initiative ausgestrahlt!: „Sander spielt mit gezinkten Karten. Dem Minister geht es eigentlich darum, den weiteren Ausbau des ungeeigneten Salzstocks in Gorleben zu einem Atommüll-Endlager möglichst ungestört forcieren zu können.
Rollen die Castor-Züge nicht nach Gorleben, sondern in andere Zwischenlager, dann ist für die kommenden Generationen nichts gewonnen. Die Gefahren werden nur auf der Landkarte verschoben, nicht gelöst. Nötig ist dagegen ein Ende der Atommüll-Produktion in den AKW, weil es nirgends einen Platz gibt, an dem diese gefährlichen Stoffe auf Dauer sicher gelagert werden können.
Ein wirklicher Fortschritt wäre es, wenn Sander sich vom Endlager-Projekt in Gorleben verabschiedet, weil der Salzstock nachweislich nicht geeignet ist. Dann hätte er auch verstanden, worum es den Zehntausenden von Demonstranten geht, die vor vier Wochen anlässlich des Castor-Transports im Wendland auf der Straße waren. Unsere Forderung war nie, den Castor einfach woanders hin zu schicken.“
Landtags-Grüne zweifeln an den Beweggründen des Ministers
Die regionale Landtagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Lüneburg/Lüchow-Dannenberg Miriam Staudte begrüßt die Forderung des niedersächsischen Umweltministers Sander die Castor-Transporte nach Gorleben auszusetzen, zweifelt aber an den Beweggründen des FDP-Ministers: "Auch ohne zusätzliche Castoren wird niemand das Märchen von der Ergebnisoffenheit in Gorleben mehr glauben."
Die Grünen-Politikerin vermutet: "Es ist Schwarz-Gelb ein Dorn im Auge, dass die Öffentlichkeit durch das Medienereignis der Castor-Transporte immer wieder auf die verfehlte Atompolitik von CDU und FDP aufmerksam gemacht wird. Er hofft: Keine Transporte - keine Proteste."
Staudte sieht in Sanders Vorschlag, den deutschen Atommüll im französischen La Hague zu belassen, allerdings keine wirkliche Alternative. "Wir sind völkerrechtlich dazu verpflichtet, unseren Atommüll zurückzunehmen. Ich bezweifle, dass der Bundesaußenminister, wie von Sander gefordert, hier ein Moratorium mit Frankreich aushandeln könnte." Stattdessen sei die grenznahe Zwischenlagerung oder die Lagerung an den AKW-Standorten, von denen der Atommüll ursprünglich nach Frankreich geliefert wurde, sinnvoll.
Auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Stefan Wenzel reagiert mit Skepsis auf die Ankündigung des Niedersächsischen Umweltministers Hans-Heinrich Sander, sich für einen Castor-Transportstopp nach Gorleben einsetzen zu wollen.
"Der Umweltminister als antiatompolitischer Spätzünder? Die Botschaft höre ich wohl – allein mir fehlt der Glaube", sagte der Grünen-Politiker. Bisher hätte sich der Minister stets als willfähriger Helfer der Atomindustrie gezeigt und Niedersachsen als Atommüllland auf dem Präsentierteller angeboten. Nach 33 Jahren sei jetzt Zeit für einen Neubeginn bei der Endlagersuche. Wer das verweigere, "fahre den Karren immer tiefer in den Dreck", sagte Wenzel. Am Ende werde die Umkehr immer teurer und langwieriger.
Der Grünen-Politiker verwies auf einen entsprechenden Antrag seiner Fraktion zum Transportstopp, der am Freitag dieser Woche im Plenum zur Beratung steht. "Dann kommt es zum Schwur. Jetzt muss die Landesregierung zeigen, ob sie es ernst mit der Wahrnehmung niedersächsischer Interessen meint oder nur weiter taktische Spielereien betreibt!"
Foto: Angelika Blank / Niedersachsens Umweltminister Sander bei einem Besuch im Wendland