Thema: endlagersuche

Schicht im Schacht: Erkundung in Gorleben offiziell beendet

Unter Beteiligung von Vertretern aller am Standortauswahlverfahren beteiligten Behörden und Ministerien und zahlreichen Medienvertretern wurde am Montag Morgen die letzte Phase der Stilllegung des Erkundungsbergwerks eingeläutet.

Ziemlich genau 40 Jahre nach dem legendären Treck nach Hannover wurden am Montag die Erkundungsarbeiten in Gorleben offiziell beendet. Mindestens für die nächsten zehn Jahre wird der Salzstock in 840 m Tiefe nur noch für Wartungsarbeiten betreten.

Diesen Anlass nutzten Vertreter der verschiedenen am Standortauswahlverfahren beteiligten Behörden, Institutionen und Ministerien, mit einer symbolischen Schachtfahrt einen öffentlich inszenierten Schlusspunkt unter die über 40-jährige von zahlreichen Auseinandersetzungen begleitete Endlager-Geschichte in Gorleben zu setzen. Ein Schlusspunkt? Dies wird zumindest solange halten, bis das weitere Standortauswahlverfahren einen Endlagerstandort benennt - was in den 2030er Jahren geschehen soll.

Gleichzeitig wurde an diesem Vormittag ein 80 m langes Teilstück der das Gelände umgebenden Sicherheitsmauer inklusive Stacheldraht an den Landkreis und die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg übergeben.

Erhalt eines Teilstücks als Ort der Erinnerung

Bis auf das "Gedenk"-Stück wird die rund um das Gelände des Bergwerks Gorleben laufende Mauer abgerissen. Ein erstes Stück Zaun wurde am Montag schon beseitigt. "Nun geht es sukzessive weiter, die Arbeiten werden dann in einigen Wochen abgeschlossen sein," so eine Sprecherin der BGE.

Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium: „Mit dem Erhalt eines Teilstücks der Mauer bewahren wir die Erinnerung an einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Konflikt in unserem Land. Die Gorlebener Mauer steht als Symbol für die Jahrzehnte dauernde Auseinandersetzung um die Atomenergie in Deutschland. Die nächste große Herausforderung besteht darin, ein Endlager für unsere hochradioaktiven Abfälle zu finden. Diese Aufgabe gehen wir in einem wissenschaftsbasierten und transparenten Verfahren an, ohne bestimmte Regionen zu bevorzugen und ohne bestimmte Regionen von vornherein auszuschließen. Die weiße Landkarte gilt -  auch für das Bergwerk Gorleben. So ist es im Endlagerkonsens festgehalten, und so wird das auch umgesetzt."

2014 hatten sich Bund und Land auf einen Rückbau des Bergwerks und seine Offenhaltung im Zuge des S tandortauswahlverfahrens geeinigt. Zu diesem Beschluss gehört auch der Rückbau der Mauer sowie die Überführung des Bergwerks in den sogenannten Offenhaltungsbetrieb. Seither wurden Maschinen und Geräte aus dem Bergwerk entfernt und die Strecken unter Tage weitgehend abgesperrt, Stromleitungen entfernt, Intrastruktur zurückgebaut.

Nur noch rund 20 Mitarbeiter werden in den nächsten Jahren die Offenhatung organisieren. Alle anderen Mitarbeiter hatten die Gelegenheit, an anderen Standorten zu arbeiten. Für diejenige, die dieses Angebot nicht annehmen konnten oder wollten, wurde ein Sozialplan entwickelt, mit dem das Ausscheiden abgefedert werden sollte.

Die Mauer um das Bergwerksgelände wird nun in den kommenden Wochen abgerissen werden, berichtet die zuständige Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE). Die BGE wird sich zudem darum bemühen, dass das Gelände bald aus dem Bergrecht entlassen werden kann. Damit würde diese Stelle für die Öffentlichkeit zugänglich.

BGE-Geschäftsführer Stefan Studt sagte in Gorleben: "Auch für die BGE ist Gorleben ein wichtiger Bezugspunkt." Vieles, „was unsere Fachleute über Endlager wissen, haben sie bei der Erkundung in Gorleben, beim Bau des Endlagers Konrad für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in Salzgitter sowie bei unseren anderen Endlagerprojekten gelernt". Studt sagt: "Wir gehen auf die Region zu, um unseren Beitrag zu leisten, die Kämpfe der Vergangenheit zu überwinden." Er verspricht sich vom Mauer-Projekt, dass sich diese "Kooperation zu einem dauerhaften Dialog mit der Region entwickelt".

Der Rückbau unter Tage ist seit Jahresbeginn nahezu beendet, teilte das BGE mit. Das ehemalige Erkundungsbergwerk selbst geht jetzt in den sogenannten Offenhaltungsbetrieb über. Das heißt: Es finden nur noch Wartungsarbeiten statt, um den Zustand des Bergwerks zu erhalten. Um zu verdeutlichen, wie der Offenhaltungsbetrieb sich unter Tage darstellt, fand am Montag die symbolische Abschlussbefahrung unter Tage statt.

Zum Verfahren: Bei der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle wertet die BGE derzeit vorhandene Geodaten von Landes- und Bundesbehörden aus, um sogenannte Teilgebiete zu ermitteln, in denen eine weitere Erkundung erfolgversprechend erscheint. Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) bereitet gleichzeitig die Bürgerbeteiligungsschritte vor, die im Standortauswahlgesetz vorgesehen sind.

Wolfram König war als ehemaliger Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz 20 Jahre lang verantwortlich für den Betrieb des Erkundungsbergwerks. Heute leitet König das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE), welches die Standortsuche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle und organisiert die Beteiligung der Öffentlichkeit  überwacht. König sorgte schon 2002 dafür, dass Wasserwerfer und "Nato"-Draht von der Umgebungsmauer entfernt wurden. Wolfram König in Gorleben: "Mauern müssen abgebaut werden - real aber auch in den Köpfen. Der Atomausstieg ist beschlossen. Die hochgefährlichen Abfälle aus dem Betrieb der Anlagen lassen sich aber nicht durch Verschieben oder gar Weggucken aus der Welt schaffen. Wir brauchen alle Kraft in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft, die noch offene Frage der sicheren Endlagerung zu beantworten. Hier stehen wir in der Verantwortung, nicht mehr nur "Nein" oder "Bei mir nicht" zu sagen, sondern zu sagen, wie diese Aufgabe nachhaltig gelöst werden kann."

NMU-Staatssekretär: Ein bedeutsamer Tag für eine faire und ergebnisoffene Standortsuche 

Auch das Umweltministerium des Landes Niedersachsen war zu dem historischen Termin gekommen. „Es ist ein bedeutsamer Tag für viele Bürgerinnen und Bürger hier im Wendland, aber auch für die Menschen überall in Deutschland, die sich entschieden gegen ein atomares Endlager in Gorleben gestellt haben", so Staatssekretär Frank Doods. „Für die niedersächsische Landesregierung ist der Rückbau richtig, konsequent und zugleich wegweisend. Nur so kann Vertrauen zurückgewonnen und Glaubwürdigkeit bei der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle geschaffen werden. Seit Inkrafttreten des Standortauswahlgesetzes ist die Landkarte in Deutschland wieder weiß. Die Suche nach einem Standort wurde auf Null gesetzt."

Durch die Rückführung des Salzbergwerks Gorleben in den reinen Offenhaltungsbetrieb wird der Salzstock Gorleben wie jeder andere in Betracht kommende Standort nach den im Standorterkundungsgesetz festgelegten Kriterien und Anforderungen in das Verfahren einbezogen. Aus diesem Grunde wurde die Erkundung beendet. "Gorleben dient auch nicht als Referenzstandort für andere zu erkundende Bergwerke," trat Doods Befürchtungen entgegen, Gorleben könnte aus finanziellen Gründen letztendlich doch zum Endlager bestimmt werden.

Landrat Schulz: "Bund soll Verantwortung übernehmen"

Für Landrat Jürgen Schulz hielt sich "die Begeisterung halbwegs in Grenzen" - obwohl er mit der Stilllegung des Erkundungsbergwerks sehr zufrieden ist. Ihm war es aber wichtig, zu betonen, dass er sich eine Trägerschaft des Bundes für das verbleibende Mauerstück gewünscht hätte. "Der Bund soll Verantwortung für die verfehlte Geschichte der Standortauswahl Gorlebens übernehmen," soll Schulz. "Diese Mauer ist ein Symbol für den Bürgerunmut. Der Bund soll zur Geschichte stehen und die Organisation des Gedenkens nicht an den Landkreis und die BI übergeben." Skeptisch bleibt Schulz auch, was den weiteren Standortsuch-Prozess angeht.

BI: "Die Mauer fällt, der Standort bleibt"

„Wir bleiben auf der Hut und müssen dafür kämpfen, dass es am Ende nicht heißt, das war eure Ehrenrunde, wie es der damalige Umweltminister Peter Altmaier uns einst ins Gesicht sagte“, unterstreicht die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI).

Das Standortauswahlgesetz (StandAG) und ein enger Zeitplan bei der Endlagersuche biete bisher keine Möglichkeiten für „Rücksprünge“, der Finanzierungsrahmen sei eng und Partizipationsangebote blieben aufs Mitreden beschränkt. „Mitentscheiden können die Menschen in betroffenen Regionen bisher nicht“, kritisiert BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Erst wenn das Gesetz entsprechend novelliert wird, kehre Fairness ein.

Man richte sich in der Region darauf ein, dass es ein langer, harter Kampf bleibe, damit Gorleben auf dem Misthaufen der Atom-Geschichte landet. Denn wieder einmal seien die geologischen Auswahlkriterien so zugeschnitten, dass der Standort im Suchverfahren weiter fortgeschleppt werden kann.

Ehmke: „An keiner Stelle in der Republik steht ein Bergwerk bereit, das ist der Schatten der Vergangenheit und eine schwere Hypothek. Aber nirgendwo sonst ist der Widerstand so stark in der Bevölkerung verankert, das ist unsere Chance!“

Foto | Andreas Conradt: Am Montag war es endlich soweit: das erste Zaunstück der Mauer rings um das Gelände des Erkundungsbergwerks wurde heruntergenommen.





2019-04-15 ; von Angelika Blank (text),
in 29475 Gorleben, Deutschland

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