71 000 Tonnen CO² soll der 96 ha große Solarpark einsparen, der womöglich im Lemgow entsteht. Und 38 000 Haushalte könnten mit grünem Strom versorgt werden. Am Dienstag Abend wurde in Simander über das Megaprojekt informiert.
Zwischen Schletau, Schmarsau und Bockleben entsteht vielleicht ein 96 Hektar großer Solarpark, der rund 38 000 Haushalte mit Strom versorgen könnte. Nachdem der Gemeinderat im Oktober bereits die Genehmigung zur Vorprüfung erteilt hatte, informierten nun am Dienstag Abend VertreterInnen von Stromerzeugungs- und Planungsunternehmen vor rund 50 LemgowerInnen über den beabsichtigten Solarpark.
Noch befinden sich die Planungen im Vorprüfungsstadium - es ist also in keinster Weise sicher, ob der Solarpark überhaupt und wenn ja in dieser Größenordnung umgesetzt wird.
Initiiert hatten das Projekt rund ein Dutzend Landwirte, die nach einer alternativen Nutzung für ihre wenig rentablen Ackerflächen suchten. Sie nahmen Kontakt zu dem norwegischen Staatsunternehmen Statkraft auf, ließen sich informieren und führten erste Gespräche über die Möglichkeiten der Ansiedlung eines Solarparks im Lemgow. Diese Landwirte haben sich inzwischen bereit erklärt, ihre Flächen an das Betreiberunternehmen zu verpachten.
Gefunden hatten sie bei ihrer Suche nach einem Betreiber einer derartigen Anlage das norwegische Energieunternehmen Statkraft - ein100% norwegisches Staatsunternehmen, welches sich selbst als "Europas größter Erzeuger erneuerbarer Energie" bezeichnet. Vor 125 Jahren als kleines Familienunternehmen gestartet, beschäftigt Statkraft heute 4600 Mitarbeiter in 18 Ländern (darunter 500 in Deutschland). Als Entwicklungs- und Planungspartner holte sich Statkraft die Innova Solar GmbH aus Meppen ins Boot, die seit 1999 Projekte im Bereich Solarenergie betreut.
Der Gemeinderat Lemgow hatte im Oktober die Genehmigung zur Prüfung erteilt, einen sogenannten "Aufstellungsbeschluss". Bisher hätten die Vorprüfungen keinen Grund ergeben, warum der Solarpark auf den vorgesehenen Flächen nicht gebaut werden könne, so die beiden Unternehmens-VertreterInnen auf der Infoveranstaltung. Schutzflächen seien weit genug entfernt und Vorgaben des regionalen Raumordnungsprogramm böten ebenfalls keine Hinderungsgründe.
Auswirkungen auf die Umwelt
Mit dem geplanten Solarpark sollen pro Jahr 113 GWh erneuerbare Energie erzeugt
werden – genug, um ca. 38.000 Haushalte mit Solarstrom zu versorgen.
Dabei sehen Statkraft und Innovar Solar für die Umwelt nur Vorteile: Die CO²-Einsparung betrüge 71 000 Tonnen pro Jahr. Die Agrarflächen würden zu extensiven Dauergrünlandinseln mit ökologischer Qualität umgenutzt und mit eigenen Projekte wie z.B. Wildwiesenanlagen würden neue Lebensräume geschaffen und so die Artenvielfalt gesteigert werden. Außerdem sei die Anlage rückstandsfrei zurückzubauen.
Für die AnwohnerInnen soll es nur geringe Beeinträchtigungen geben. Sichtschutzhecken sollen den Blick auf die max. rund 3 m hohen Module verdecken. Geruch, Lärm oder Elektrosmog würden nicht bzw. nur sehr minimal (Elektrosmog) entstehen.
Gelder für die Gemeinde
Sollte die Produktionsmenge von 113 GWh pro Jahr erreicht werden, verspricht Statkraft der Gemeinde über 200 000 Euro für das Gemeindesäckel (0,2 Cent/Kilowattstunde). "Das ist reales Geld für den Haushalt," so Gemeinderatsmitglied Michael Schemionek (Liste Lemgow). "Denn dieses Geld zählt nach den Regelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) nicht zu den Einnahmen, die in die Berechnung der Schlüsselumlage einfließen."
Die rund ein Dutzend Landwirte, die ihre Flächen zur Verfügung stellen, könnten mit einer 4-fach höheren Pacht rechnen. Auch Bürger ohne eigene Flächen können womöglich finanziell von dem Solarpark profitieren: sie können sich durch sogenannte Nachrangdarlehen an dem Projekt beteiligen.
Zeitplan
Nach der derzeit laufenden Vorprüfungsphase soll im 1. Quartal 2022 das Planungsverfahren eingeleitet werden. Bis zum Frühjahr 2023 sollen dann die notwendigen Schritte (öffentliche Beteiligung, Umweltverträglichkeitsprüfung, Übereinstimmung mit dem geltenden regionalen Raumordnungsprogramm und weiteres) abgearbeitet werden. Nach dem derzeitigen Stand könnte dann Anfang 2024 mit dem Bau der Anlage begonnen werden.
Reaktionen
Vehementer Widerstand gegen den Solarpark war auf der Infoveranstaltung nicht zu hören - aber Skepsis und viele Fragen. Vor allem die optische Auswirkung auf die Landschaft sowie eventuelle Naturschäden beschäftigten die Lemgower. Die Vorprüfung habe ergeben, dass der Solarpark trotz seiner Größe kein Schutzgebiet berühren würde, betonten die UnternehmensvertreterInnen. Des Weiteren würden sie für alle Solarparks ein jeweils angepasstes ökologisches Konzept umsetzen.
Was die optische Wirkung anging, so seien Sichtschutzhecken rings um das Gelände geplant. Dadurch soll von den max. 3 m hohen Modulen kaum etwas zu sehen sein.
Einen anderen Aspekt brachte Kreislandwirt Adolf Tebel ein. Er befürchtet, dass die Umnutzung von landwirtschaftlichen Flächen für die Energieerzeugung dazu führen werde, dass Ackerflächen verloren gehen. Dem entgegnete Landwirt Frank Schmitt aus Schmarsau, dass auf den Flächen, die zur Verfügung gestellt würden, gute Erträge nur durch sinnlos hohe Einsätze zu erreichen seien. Ob die Flächen nach der Nutzung für den Solarpark den Status als Ackerflächen zurückerhalten, hielten die Vortragenden zwar für höchstwahrscheinlich, definitive Aussagen dazu gaben sie jedoch nicht ab.
Von der Notwendigkeit für Landwirte, sich neu zu orientieren, um langfristig überleben zu können, wurde an dem Abend nicht gesprochen.
Landrätin Dagmar Schulz, die ebenfalls zu der Veranstaltung gekommen war, mahnte eine transparente Bürgerbeteiligung an. Bürgermeister Ulrich Haase-Mühlner wies an dieser Stelle darauf hin, dass innerhalb des Planungsverfahrens eine Öffentlichkeitsbeteiligung zwingend vorgesehen sei. Darüber hinaus seien aber auch Bürger-Informationsveranstaltungen - nicht nur über die Beteiligungsmöglichkeiten - geplant.
Auch die Größe des Projektes löste Kritik aus. 96 Hektar entsprechen immerhin der Größe von rund 90 Fußballfeldern. Hier kam Stefan Veltrup von Statkraft auf fehlende Netzverknüpfungspunkte zu sprechen. Das Stromverteilungsnetz sei in Deutschland zwar sehr feingliedrig, aber die Verknüpfungspunkte seien teilweise rar gesät. Vom Standort Schmarsau aus müssten rund 15 Kilometer Zuleitung zum nächsten Einspeispunkt gelegt werden. Das sei sehr teuer, weswegen die Anlage eine bestimmte Größe haben müsse, um rentabel zu sein.
Die Angst, "über den Tisch gezogen zu werden" trieb ebenfalls einige Lemgower um. Nicht unbegründet, denn vor einigen Jahren waren der Gemeinde von einem Windkraftunternehmen ebenfalls deutliche Gewinne versprochen worden. Nichts davon ist jemals eingetreten. Deshalb mahnten nun mehrere Zuhörer an, die Konditionen scharf zu verhandeln und die Rechtssicherheit der Verträge genauestens zu prüfen.
Am Rande der Veranstaltung hatte Frank Schmitt bereits erklärt, warum kein genossenschaftliches Modell angestrebt wird, bei dem alle Beteiligten - ob Grundstückseigentümer oder nicht - an den Gewinnen beteiligt werden. 50 bis 60 Millionen Investitionsvolumen seien für sie einfach "nicht zu wuppen" gewesen, so die Einschätzung der Landwirte.
Detaillierte Informationen über das Projekt Solarpark Schmarsau sind auf der Website von statkraft nachzulesen.
Luftbild | statkraft : Zwischen Schmarsau, Schletau und Bockleben soll nach dem Willen von rund einem Dutzend Landwirten ein 96 ha großer Solarpark entstehen.