Der 48-jährige hatte demnach eine geladene Waffe bei sich, 30.000 Euro in bar - und eine junge Rumänin. Der frühere Richter am Amtsgericht Dannenberg arbeitete seit 2011 im niedersächsischen Landesjustizprüfungsamt in Celle. Dort leitete der Jurist das Referat PA I, das sich mit dem Ersten juristischen Staatsexamen befasst.
Vertretungshalber soll Jörg L. auch für das Zweite Staatsexamen zuständig gewesen sein und auch Prüfungen abgenommen haben. In seiner leitenden Position habe er auf jeden Fall Einsicht in die jeweils aktuellen Prüfungsfragen. In dieser Funktion soll er, so lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Verden, gegen Geld Prüfungsfragen an Jura-Studenten verkauft haben: Die Staatsanwälte ermitteln wegen des Verdachts auf Korruption in einem besonders schweren Fall. Falls es zum Prozess kommt, drohen dem früheren Richter bis zu zehn Jahren Haft.
Aktuell müssen als Konsequenz in Niedersachsen rund 2000
Abschlussprüfungen von Juristen überprüft werden. Wie
Justizstaatssekretär Wolfgang Scheibel aus Hannover mitteilt, hätten
zwölf Sonderprüfer bereits mit der Untersuchung begonnen: "Wir müssen
alle Prüfungen seit 2011 durchsehen." Die Experten sollen rückwirkend
alle auffällig guten Examensleistungen überprüfen.
Wie aber kam man dem Juristen auf die Spur? Im Jahr 2013 stießen
Mitarbeiter des Justizministeriums in Hannover auf einen
Staatsexamens-Wiederholer, der in seiner Abschlussprüfung auffällig gute
Leistungen erbrachte, die nicht zu seinen bisherigen passten. In der
Folge fielen weitere Unstimmigkeiten in mehreren Bewertungen zum Zweiten
Staatsexamen auf. Immer ging es um auffällige Verbesserungen der Noten -
und gleichlautende Formulierungen wie in den Musterlösungen. Das
Ministerium schaltete die Staatsanwaltschaft Verden ein.
"Die Ermittlungen stehen noch ganz am Anfang", betont Lutz Gaebel,
Sprecher der Staatsanwaltschaft Verden. Ob und wie viele Studenten auf
die Offerten des ehemaligen Richters eingingen, sei auch noch nicht
klar. Und was kostet so ein "Service"? "Konkrete Preise kann ich nicht
nennen. Es geht aber nicht um Kleingeld", betont Justizstaatssekretär
Wolfgang Scheibel.
Jörg L. soll vor allem Prüfungswiederholern seine Dienste angeboten
haben. Die Staatsanwaltschaft Verden bemüht sich derzeit um die
Auslieferung des Juristen. Laut Spiegel online zeigten sich andere
Prüfer und Kollegen des ehemaligen Richters in Celle überrascht von den
Ermittlungen: Sie beschrieben Jörg L. demnach als "sehr seriösen
Juristen und guten Redner, der bei zahlreichen Examensfeiern Ansprachen
gehalten habe".
Inzwischen wurde ein Disziplinarverfahren gegen Jörg L.
eingeleitet. Dem Antrag auf vorläufige Dienstenthebung hat das
zuständige Dienstgericht bereits entsprochen und ihn suspendiert.
Foto / Björn Vogt: Eingerahmt von Wehrturm und Stadtschloss: Am Amtsgericht Dannenberg arbeitete der Richter bis zu seiner Abordnung ins Justizprüfungsamt in Celle. Jörg L. wurde in der Nacht zum Montag in Mailand festgenommen.