Am Mittwoch erhielten sechs landwirtschaftliche Betriebe aus den Händen von Vertretern der Gesellschaft zur Erhaltung alter Haustierrassen (geH) ihre Urkunden, mit denen sie als "Arche-Betriebe" anerkannt werden.
Wenn es nach Landrat Jürgen Schulz geht, dann könnte sich die Archeregion Flusslandschaft Elbe, zur der auch weite Teile des Landkreises Lüchow-Dannenberg gehören, bald zur Modellregion entwickeln. "Die Idee, alte Haustierrassen wieder zu halten, um ihnen das Überleben zu garantieren, ist nicht nur sympathisch, sondern sie hat auch wirtschaftlichen Nutzen für die Region," zeigte sich Schulz bei der kleinen Feierstunde in der Lüchower Kreisverwaltung überzeugt.
Auch Hartmut Heckenroth, Initiator und spiritus rector der Archeregion Flusslandschaft Elbe, hatte es sich nicht nehmen lassen, den sechs neuen Archehöfen zur Zertifizierung zu gratulieren.
Des weiteren waren gleich zwei VertreterInnen der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Nutztierrasen e.V. (GeH) am Mittwoch Nachmittag zur Urkundenverleihung nach Lüchow gekommen. "Noch immer sind es in Deutschland über 100 Nutzttierrassen, deren Überleben gefährdet ist," betonte Antje Feldmann, Geschäftsführerin der GeH in Witzenhausen. "Umso mehr freut es mich, dass sich hier wieder sechs neue Betriebe gefunden haben, die sich der Haltung alter Nutztierrassen widmen und deshalb als Arche-Hof zertifiziert werden können."
Antje Feldmann erinnerte auch daran, dass der Landstrich zwischen Lüchow-Dannenberg und Amt Neuhaus die erste Region war, in der sich soviele Archehöfe fanden, dass sie als "Archeregion Flusslandschaft Elbe" anerkannt werden konnte. Mit den sechs neuen Archehöfen sind es nun insgesamt 23 landwirtschaftliche Betriebe, die sich gezielt für die Haltung alter Nutztierrassen wie das Bunte Bentheimer Schwein, das Schwarz-Weiße Niederungsrind, Soay-Schafe oder die Bayerische Landgans entschieden haben.
Bei der Familie Luft aus Weitsche war es der Geschmack, der sie zu den Bunten Bentheimer Schweinen brachte. "Außerdem ist diese Schweinerasse wesentlich robuster," so Marcel Luft.Das Bentheimer Schwein gilt außerdem als fruchtbare, genügsame, stressresistente und anspruchslose Schweinerasse mit guten Muttereigenschaften .
Doch trotz dieser guten Eigenschaften verschwand diese Schweinerasse nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend von den Höfen. Der Geschmack der Kunden forderte mageres Fleisch (das Bentheimer Schwein hat einen recht hohen Fettanteil) und in den immer größer werden Schweinezuchtbetrieben wurden effiziente "Wirtschaftsrassen" statt der tradierten Nutztierrassen eingesetzt.
Sein Herz für Bunte Bentheimer Schweine entdeckten auch Harry Bense und seine Frau Heidrun aus Rebenstorf. Mit ihrem fleißigen Hausschwein "Lotti" konnten sie eine Zucht der Bentheimer Schweine aufbauen, die nach den Worten von Antje Feldmann heute zu den "bundesweit wichtigen Beständen für diese Rasse" gehört: zwei Zuchteber und sechs Zuchtsauen bilden die Basis für immer neue Bentheimer Schweine.
Der Hof Birkenbruch dagegen, geführt von Georg Hohenbild hat sich für das Niederungsrind entschieden, weil es in der norddeutschen Tiefebene das am längsten angepasste Rind ist. "Als Zweinutzungsrasse ist außerdem deutlich gesünder als die in den USA und in Deutschland einseitig zu Milch-Hochleistung gezüchteten "Holstein Friesian", bei der nur noch die schwarz-weiße Musterung an ihre Vorfahren erinnert," so Georg Hohenbild.
Willy Hardes aus Zernien, ebenfalls einer der zertifizierten Betriebe, hat sich für die Haltung von Soay-Schafen entschieden - die nicht leicht zu halten sind, weswegen es auch nur wenige Züchter gibt. Für den Landschaftsplaner gibt es neben der Liebe zu alten Rassen auch politische Gründe, sich für die Arche-Idee einzusetzen. "Mit der Grund-Idee der Arche-Bewegung 'Erhalten durch Aufessen' bringen wir Fleisch an den Markt, das regional und artgerecht produziert, eine Alternative zum agrarindustriell hergestelltem Fleisch bietet," so Hardes. "Letztendlich wollen wir dahin, dass die Betriebe wieder davon leben können." Um das Ziel zu erreichen, braucht es allerdings verstärkte Marketingkampagnen - wie zum Beispiel Aktionstage oder Führungen.
Mehrere Betriebe, wie zum Beispiel auch die Lufts aus Weitsche, öffnen ihre Höfe nicht nur zur Kulturellen Landpartie. Führungen, Ab-Hof-Verkäufe und laufende Öffentlichkeitsarbeit informieren über die Arbeit der Archehöfe. "Im nächsten Jahr soll es auch in Lüchow-Dannenberg einen Archetag geben," kündigte Marcel Luft an. So werden die Arche-Betriebe nicht nur landwirtschaftlich zu einer Bereicherung für die Region, sondern wirken auch touristisch. Ganz im Sinne von Landrat Schulz, der in der Etablierung der Archehöfe auch ein Stück positiver Regionalentwicklung sieht.
Die sechs neuen zertfizierten Archehöfe in Lüchow-Dannenberg im Überblick:
Werner Wecker / Jugendhof Godewin e.V.
Der Jugendhof arbeitet mit verhaltensgestörten Kindern und Jugendlichen. Die Kinder/Jugendlichen arbeiten mit in der Landwirtschaft, in der auch Pferde für die Feldarbeit eingesetzt werden.
Heidrun und Harry Bense / Rebenstorf:
Ihre Zucht von Bunten Bentheimer Schweinen ist inzwischen so anerkannt, dass sie als Herdbuch -Betrieb geführt werden.
Willy Hardes / Braasche:
Haltung verschiedener Geflügelrassen und Soay-Schafen
Marco Otte / Beutow:
Haltung von "Hinterwälder"-Kühen, Leineschafen sowie Honigbienen.
Georg Hohenbild, Hof Birkenbruch / Breese im Bruche :
Haltung des Niederungsrinds, Hof-Laden, "ökologische Hofherberge", Heuhotel und Gästezimmer
Ute und Marcel Luft/Weitsche:
Als Selbstversorgerhof bauen die Lufts auf ihrem Hof Gemüse an, halten verschiedene Arten Geflügel sowie Bunte Bentheimer Schweine. Bei der Kulturellen Landpartie öffnen sie regelmäßig ihren Hof.
Übrigens: parallel zur Feierrunde demonstrierte in Lüchow die Initiative Igit gegen Massentierhaltung und für artgerechte Nutztierhaltung.
Foto / Angelika Blank: Landrat Jürgen Schulz (2. Reihe dritter von links), GeH-Geschäftsführerin Antje Feldmann (1. Reihe, 3. von links), GeH Rassebetreuer für Geflügel Heinrich Thomas (vorne 2. von links) sowie Archeregions-Initiator Hartmut Heckenroth (2. Reihe 5. von links) freuten sich am Mittwoch mit den VertreterInnen von sechs Archehöfen über deren Zertifizierung.