Marode Kabel - Telefonausfälle ohne absehbares Ende

Täglich gehen mehr Meldungen von Telekomkunden ein, die - teilweise seit Wochen - auf Festnetz-Telefonie verzichten müssen. Marode, völlig überaltete Kupferkabel sind wohl die Hauptursache für die Ausfälle.

Jahrzehntelange Sanierungsversäumnisse sind wohl die (Haupt)Ursache für die unzähligen Festnetz-Ausfälle, die in den letzten Wochen den Landkreis durchziehen. Kröte, Diahren, Dickfeitzen, Zadrau, Groß und Klein Heide, Soven, Vietze – die Liste der vom Festnetz abgehängten Orte wird jeden Tag länger. Und immer wieder wird die gleiche Schadensdiagnose gestellt: Kabelschäden.

So weit so nachvollziehbar. Überall im Landkreis sind die Breitbandausbauer unterwegs, reißen Gräben auf und kratzen dabei immer wieder Telefon- oder Stromkabel an. Nur: in den meisten oben genannten Orten sind die Bautrupps längst durch oder haben noch gar nicht angefangen. Lediglich in Dickfeitzen ist der Schaden bekanntermaßen durch die Breitbandausbauer entstanden.

Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass die Kupferkabel, die für das Festnetz-Telefonienetz verlegt worden sind, schon beinahe 60 Jahre alt sind. "Papier"kabel nennen sie die Techniker verächtlich, die sich derzeit mit den Schäden auseinandersetzen müssen. "Eigentlich wissen wir gar nicht, wo wir anfangen sollen," war von einem der Techniker vor Ort zu hören. "So vielfältig sind die Probleme." Eine defekte Stelle zu reparieren, heißt längst nicht, das Problem behoben zu haben. Denn die nächste schadhafte Stelle wartet schon - sie zu finden, gestaltet sich allerdings schwierig.

Der Netzbetreiber muss es richten

Für den Betrieb und die Instandhaltung des Telefonnetzes ist die Telekom zuständig. Die Problembeschreibung eines Unternehmenssprechers macht deutlich, wie komplex die Herausforderungen für die Störungsbeseitiger sind: "In Vietze vermuteten wir zunächst, dass ein mit Wasser vollgelaufenes Kabelstück an der Hauptstraße die einzige Fehlerursache ist," so die Auskunft der Telekom. "Die Störstelle lag auf einem Grundstück, zu dem wir zunächst klären mussten, wer überhaupt der Eigentümer ist. Dann mussten wir die Genehmigung für den erforderlichen Tiefbau einholen. Danach erst konnten die Techniker die nächste Fehlerstelle neu einmessen."

Seitdem sind die Techniker damit beschäftigt, weitere Schadstellen aufzuspüren. Sie befürchten sogar, dass dafür womöglich sogar die Straße aufgegraben werden muss. Bedeutet: weitere Wochen, die in Vietze keine Festnetztelefonie zur Verfügung steht.

Auch in Dickfeitzen ist die Störungsbeseitigung nach Auskunft des Pressesprechers sehr schwierig, "da offenbar Wasser und Blitzeinschlag ein langes Hauptkabel an mehreren Stellen beschädigt haben". "Teilweise ist es - durch den Straßenausbau - stellenweise mit zwei bis drei Metern Erde überdeckt," so der Pressesprecher weiter. "Unsere Technik braucht noch die Genehmigung der Behörden, um zu graben, Kabel dort zu tauschen und danach weitere mögliche Fehlerstellen einzumessen."

Eine schnelle Lösung der Probleme ist nicht in Sicht. Niemand kann sagen, wann alle Schadstellen repariert sind. Die Betroffenen müssen sich wohl auf mindestens eine bis zwei Wochen ohne Festnetztelefon einstellen. Zu den Schwierigkeiten in Groß und Klein Heide, Zadrau und Soven gibt es derzeit noch keine Auskünfte. Sie dürften aber ähnlich gelagert sein wie in den anderen Orten.

Das "Netz der Zukunft" besteht aus maroden Kabeln

Die Bauarbeiten für das Glasfasernetz sind nur bedingt für das Desaster verantwortlich. Durch die Glasfaser-Bauarbeiten wurden die Böden aufgelockert, konnten aber längst nicht wieder so verdichtet werden wie es ein Boden ist, der über 60 Jahre in Ruhe gelegen hat. Folge: Nach Regenfällen dringt Feuchtigkeit in tiefere Schichten als vor den Bauarbeiten. Nachvollziehbar, dass marode Kupferleitungen ohne ausreichende Isolierung Kurzschlüsse erleiden, wenn Feuchtigkeit auf sie stößt.

Die Pressestelle der Telekom geht in ihrer Antwort mit keinem Wort auf Probleme mit veralteten Kabelnetzen ein. In einem Rückschreiben an eine Betroffene hat das Unternehmen allerdings eingestanden, dass ihre Netze veraltet sind: "Die Arbeiten unserer Techniker für den Aufbau des Telekommunikationsnetzes der Zukunft sind noch nicht abgeschlossen," heißt es dort. "Im Zuge dieser sehr umfangreichen Erdarbeiten und oberirdischen An- und Abschlussarbeiten ist es aufgrund veralteter Kabel zu großen Komplikationen gekommen."

Welche "umfangreichen Erdarbeiten ..." die Telekom gerade durchführt, bleibt im Dunkeln. Diejenigen, die im Landkreis flächendeckend mit "umfangreichen Erdarbeiten" beschäftigt sind, sind die mit dem Glasfaserausbau beschäftigten Firmen. Wie bekannt, hatte es die Telekom im Vorfeld abgelehnt, das Glasfasernetz selber auszubauen. Wie vor Ort immer wieder von verschiedenen Seiten zu hören ist, gibt es derzeit auch keinerlei Ambitionen seitens der Telekom, das veraltete Kupferkabelnetz zu sanieren.

Die Bundesnetzagentur (BNA), Aufsichtsbehörde für die Telekommunikationsunternehmen, erklärt dazu, dass im Telekommunikationsgesetz zwar festgelegt sei, dass die Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen verpflichtet sind, die Versorgung zu gewährleisten. "Es gibt aber keine Vorschriften, wann und wieviel die Unternehmen in ihre Netze investieren müssen," so ein Sprecher der BNA.

Keiner weiß wie lange die Störungen dauern

Ebenso gibt es keine gesetzlichen Vorgaben, in welcher Zeit Störungen zu beseitigen sind. Die Telekom kann sich also Zeit lassen. Verwunderlich ist, warum der Konzern nicht die Tiefbauunternehmen mit der Behebung der Störungen beauftragt, die sowieso im Zuge des Glasfaserausbaus im Bereich der Kupferkabel arbeiten. In anderen Zusammenhängen beheben genau diese Firmen derartige Störungen. Statt dessen werden Mitarbeiter von Firmen aus Stendal usw. losgeschickt, die die zahlreichen Schäden beseitigen sollen.

Die Telekom muss noch nicht einmal Schadensersatzforderungen fürchten. Denn nur wer sich vertraglich bestimmte Entstörungsfristen hat zusichern lassen, kann diese auch einklagen.

Alle Anderen haben nur die Ansprüche, die sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Telekom ergeben. Nur - diese sind für jedes gebuchte Produkt anders. Und kaum zu finden. Auf den Rechnungen ist kein Link zu den jeweils gültigen AGB vorhanden. Auf der Tkom-Internetseite muss das eigene gebuchte Produkte ausgewählt werden, um die dem Produkt entsprechenden AGB einsehen zu können. Sonderverträge wie "Call + Surf Comfort DSL via Funk" finden sich in der Liste allerdings nicht und auch der manuelle Eintrag führt nicht zum Ziel. Es erscheint nur die Meldung "kein Produkt gefunden".

Kommunikation? Nicht die Kernkompetenz der Telekom

Die Telekom nennt sich Telekommunikationskonzern. Die Berichte über die Versuche, mit der Telekom Gespräche über Entstörung zu führen bzw. zu erfahren, wie lange die Störung noch andauern wird, grenzen allerdings an eine Farce. Schon der Versuch, die Störung online zu melde,n läuft ins Leere. An der entsprechenden Stelle der Website wird nur geraten, die Störungs-Hotline anzurufen. Der "Störungs-Assistent" nervt mit formalisierten Antworten, die zum Anliegen nicht passen und versteht keine manuell eingegebenen Sätze.

Und die Hotline - wenn man sie denn mal erreicht - besteht darauf, einen Techniker zu schicken, der die Hausleitung überprüfen soll, obwohl Mensch mehrfach darauf hinweist, dass alle Anschlüsse im Umfeld ausgefallen sind. Nach - zugegebenermaßen - sehr regelmäßigen SMS-Benachrichtungen kommt dann doch kein Techniker, sondern lediglich ein Anruf, dass man festgestellt habe, dass der Schaden an einer Zuleitung liegt. Ah ja. Als wenn das nicht sowieso schon bekannt gewesen wäre.

Bis zu dieser Auskunft hat der Kunde stundenlang sein Handy in der Tasche getragen, es mit aufs Klo und in die Dusche geschleppt, weil: in den SMS stand auch die Drohung, dass, wenn der Techniker niemanden erreicht, 49,95 Euro Aufwandspauschale zu zahlen sind. Und was ist mit den zahlreichen Funklöchern in der Region? Ja, Pech gehabt, dann muss man sich eben stundenlang im handy"sicheren" Bereich aufhalten - oder eben zahlen.

Niemand weiß wie lange es dauert

Nun ja, bisher hat keine/r der Betroffenen berichtet, dass ein Techniker - wenn er denn doch mal gekommen war - irgendwelche relevanten Informationen zum Fortgang der Entstörung mitzuteilen hatte. Kein Techniker konnte auch erklären, warum in Vietze das kaputte Kabelstück zwar ausgetauscht, danach aber die Telefonanrufe bei den falschen Empfängern landeten. "Das können wir uns auch nicht erklären, daran wird gearbeitet," so die kryptische Antwort. Aber ob das noch bis zum Wochenende klappt - das kann er nicht versprechen. Wie komplex die Problematik ist, klärte sich erst bei einem Vor-Ort-Besuch an der Schadensstelle auf (siehe oben).

Glücklich, wer ein Handy besitzt und in einem Bereich wohnt, wo das Mobilfunknetz auch funktioniert. Nur was ist mit all den Menschen, die kein Handy haben oder nicht damit umgehen können? Was rät die Telekom ihnen, wenn sie einen Notfall melden müssen? Rauchzeichen geben? Zum Nachbarn rennen, soweit die Füße noch tragen? Die Pressestelle der Telekom rät denn auch tatsächlich, zum Nachbarn zu gehen: "In so einem Fall an einen Nachbarn wenden. Gerade in ländlichen Gemeinschaften funktioniert das aus meiner Sicht recht gut," heißt es in der Mitteilung. Und ein Empfehlung gab es dann noch mit dazu: "Es gibt auf dem Markt einfach zu bedienende Seni: orenhandys. Diese erzielen inzwischen eine hohe Nachfrage, da sie viel weniger Funktionen, größere Tasten, übersichtlichere Menüs und auch einen Notfallknopf haben."

Einen sinnvollen Tipp hatte die Telekom allerdings auch parat:  Wer möchte, kann sich seinen Anschluss aufs Handy umleiten lassen. Man kann das im Internet selber machen: www.telekom.de/kundencenter. Oder den Kundenservice damit beauftragen: 0800 330 1000.

Foto | Angelika Blank: Wie marode die alten Kupferkabel sind, die das Telefonnetz im Landkreis Lüchow-Dannenberg aufrechterhalten, kann derzeit in all den Baugruben begutachtet werden, in denen intensiv an der Behebung der Störungen gearbeitet.




2019-10-30 ; von Angelika Blank (text),
in Lüchow-Dannenberg, Deutschland

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