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Sendetürme Höhbeck schlugen Funkbrücke nach Berlin

Irgendwann in diesem Frühjahr wird einer der beiden Übertragungsmasten auf dem Höhbeck abgerissen. Damit geht ein Stück Geschichte zu Ende, das viel mit der Teilung Berlins und dem Kalten Krieg in der Nachkriegszeit zu tun hatte.

Herbert Niebuhr aus Vietze arbeitete 38 Jahre als Fernmeldetechniker „auf den Türmen“. Wie oft er bei Wind und Wetter in die Masten klettern musste, um die Antennen zu warten und in luftiger Höhe gegebenenfalls zu reparieren, kann er längst nicht mehr sagen. Den Bau der ersten drei Türme hat er zwar nicht mit erlebt, aber natürlich weiß er viel über die Geschichte der insgesamt vier Übertragungsmasten zu erzählen, die in der Nachkriegszeit neben einer Funkstelle im Harz dafür sorgten, dass das eingeschlossene Berlin mit Rundfunk, Fernsehen und Telefonverbindungen versorgt werden konnte. 

Ein Ausflug in die deutsche Nachkriegsgeschichte

Nach dem zweiten Weltkrieg war es zum Streit über den Status der ehemaligen Hauptstadt gekommen. Die Westallierten erkannten zwar die besondere Bindung Berlins an (West)Deutschland an, wollten der Stadt aber keinen Bundesland-Status zuerkennen, wie es das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland eigentlich vorsah. Die Ost-Alliierten akzeptierten die gewünschte Zugehörigkeit Berlins zur jetzigen Bundesrepublik gar nicht.

Mitte 1948 eskalierten die Konflikte derartig, dass die Sowjetunion die Straßenzufahrten nach Berlin vollständig sperrte. Berlin war vom Rest der Welt abgeschnitten, die Bürger drohten zu verhungern. Die legendäre Luftbrücke der West-Allierten versorgte die Berliner fast ein ganzes Jahr über den zumindest für sie freien Luftkorridor, bis Mitte 1949 die DDR-Strassen wieder für den Transit freigegeben wurden. Doch erst 1971 wurden die Durchquerungsrechte auf DDR-Gebiet mit dem Viermächteabkommen grundsätzlich geregelt.

Aufgrund dieser Konflikte akzeptierten die DDR-Behörden natürlich auch den Aufbau eines funktionierenden Fernmeldenetzes nicht. Dafür hätten Erdkabel quer durchs ganze DDR-Gebiet gezogen werden bzw. vorhandene Kabel genutzt werden müssen. Richtfunk war da zunächst die einzige Alternative, um die Berliner wenigstens grundsätzlich mit Telefonverbindungen und (West-)Fernsehempfang auszustatten. Hier kommt nun der Höhbeck ins Spiel: mit seiner Höhe von 76 m am östlichsten Rand der Republik war der Höhbeck auch für den 133 km entfernten Empfangspunkt Berlin-Schäferberg der optimale Standort, um eine Richtfunkverbindung nach Berlin einzurichten. Ausserdem waren auf dem Gelände bereits zu Kriegszeiten Anflüge kontrolliert und ein Flugfeuer unterhalten worden.

Diese Wehrmachtsanlagen wurden aber durch Kampfhandlungen und Sprengungen vernichtet. 1948 begannen dann die Planungen für den Aufbau einer neuen Funkstelle. Genaue Geländeuntersuchungen wiesen das Höhbeck-Gelände als besonders geeignet aus. Um 1950 wurde dann der erste freistehende Funkmast auf dem Höhbeck errichtet. 75 m hoch über dem Hügel aufragend, ermöglichte er die gleichzeitige Nutzung von 15 Fernsprechkanälen auf der UKW-Frequenz und die Übertragung eines Rundfunkkanals. Doch dieser relativ niedrige Turm reichte schon bald nicht mehr aus.

Am 25. Dezember 1952 hatte das Deutsche Fernsehen sein Programm eröffnet, vier Tage vorher bereits war die DDR regelmässig auf Sendung gegangen - am 73. Geburtstag Stalins. Obwohl damals in Westdeutschland nur rund 300 Menschen im Besitz eines Fernsehers waren, wurden Fernsehen zum Prestigeobjekt und man wollte der DDR nicht die alleinige Informationsversorgung Berlins überlassen. Bereits am 10. September 1952 begann auf dem Höhbeck der Fernseh-Versuchsbetrieb mit einer Übertragung der Krönungsfeierlichkeiten Elisabeth II. in London.

Am 24. Dezember 1952 wurde dann der zweite, diesmal 157 m hohe Übertragungsmast auf dem Höhbeck regulär in Betrieb genommen – die Berliner konnten also wie alle anderen Westdeutschen den Start des Deutschen Fernsehens mit erleben. Inzwischen hatte sich auch die Technik weiter entwickelt – es wurde mit einer 300 Mhz Richtfunkverbindung übertragen. Gleichzeitig standen den Berlinern mehr Fernsprechkanäle zur Verfügung. Nun konnten bereits 135 Telefonate gleichzeitig geführt werden.

1962 - Der dritte Mast entsteht

Als 1962 dann das ZDF mit der bundesweiten Ausstrahlung seines Programms begann, war ein weiterer Übertragungsmast notwendig geworden. Es entstand der jetzt zum Abriss anstehende 332 m hohe Mast. Dieses Mal entschied man sich, den Mast zusätzlich mit einer Rundstrahl-Antenne auszustatten, um die Region optimal zu versorgen - dass gleichzeitig den "kleinen" politisch bedeutsamen Nebeneffekt hatte, dass das DDR-Gebiet in Reichweite dieser Antenne (ca. 75 km) ebenfalls "Westfernsehen" sehen konnte. Den Berlinern standen nun über den Sender Höhbeck insgesamt 2400 Fernsprechkanäle zur Verfügung. Außerdem waren auf dem Mast auch die notwendigen Sendeantennen für die inzwischen aufgekommenen Autotelefone (B-Funknetz), später auch für das C-Funknetz installiert.

Warum die Höhe? Da die Funkwellen die gesamte Strecke nach Berlin (133 km) vollständig überwinden müssen – die Einrichtung von Relaissstellen auf DDR-Gebiet war ja nicht möglich – und dabei annähernd geradlinig verlaufen, muss die Höhe des Sendemasts so eingerichtet werden, dass die Funkwellen die Erdkrümmung überwinden können. Die Berechnungen ergaben für die Entfernung zwischen der Empfangsstation in Berlin-Schäferberg und der Sendeanlage auf dem Höhbeck eine notwendige Höhe von 332 m. Wie konfliktträchtig die Beziehung der DDR zu Westdeutschland in Bezug auf Berlin immer noch war, mag vielleicht ein kleines Detail verdeutlichen: da man Sorge hatte, dass Berlin eventuell wieder mit einer Luftbrücke versorgt werden müsste, baute man auf einer Höhe von 200 m Sprengkammern in den Mast ein. Man wollte einer eventuellen Kollision der niedrig fliegenden „Rosinenbomber“ mit dem insgesamt 408 m aufragenden Mast vorbeugen.

Anlässlich der Olympiade 1972 bekamen die Höhbeck-Türme auch für die DDR besondere Bedeutung: bei aller Abschottung gegen den Westen wollte man doch teilhaben an der Berichterstattung über die Olympiade. Deswegen baute die DDR auf ihrem Gebiet Zwischenstationen auf, die auch nach Beendigung der Olympiade bestehen blieben – allerdings sendeten diese dann nur noch nach Ost-Berlin.

Mit dem Dienstwagen zum Einkaufen


Technisch arbeitete man zu dieser Zeit immer noch mit der sogenannten „Überreichweiten“-Technik, die zwar eine sehr hohe Leistung ermöglichte, aber recht arbeitsaufwändig war. Zur "Blütezeit" der Türme von den 60er bis Anfang der 70er Jahre arbeiteten ca. 40 Mitarbeiter auf der Funkstelle. Teilweise wohnten die Mitarbeiter-Familien sogar auf dem Gelände der Funkstelle, denn die Aufgabenstellungen erforderten eine Sofortentstörung. Immerhin waren tausende Menschen vom Funktionieren der Anlagen abhängig - um telefonieren zu können oder Funk und Fernsehen zu nutzen.

Wie sehr die Arbeit auf dem Höhbeck auch das soziale Leben der Mitarbeiter, aber auch der Dörfer rund um den Höhbeck bestimmte, ist in einem alten Bericht nachzulesen: "Es wurde Anwesenheit rund um die Uhr verlangt, ...aufgefangen durch ein freies Wochenende alle zwei Wochen. Das Personal, das zumeist von weither in die abgelegene Dienststelle kam, begrüßte das sehr. Auch waren Versorgungsfahrten nach Lüchow eingerichtet, die es den Familien, die in den Häusern auf dem Dienstgelände in den Ortschaften um den Höhbeck herum wohnten, ermöglichte, einmal wöchentlich einzukaufen. Außerdem wurde ab 1955 der Zusammenhalt der Kollegen und deren Familienangehörigen durch einen Sommernachtsball gefördert, der bis Hannover sehr beliebt war. Kleine Darbietungen, Tanz und ein Laternenumzug erfreuten auch Gäste aus den umliegenden Ortschaften. Die von außen gut erkennbare Expansion der Dienststelle wurde mit großer Aufmerksamkeit verfolgt und eine Einladung zum Sommernachtsball gerne angenommen."

Die deutsche Post, die damals noch Dienstherr der Beamten war, nahm ihre Fürsorgepflicht für die Angestellten ernst. Da damals kaum jemand ein Auto besaß, war es notwendig, den Familien der Mitarbeiter zu ermöglichen, zum Einkaufen, ins Kino oder zum Arzt nach Gartow oder Lüchow zu gelangen. Hierfür waren auf der Funkstelle sogar mehrere Kraftfahrer (mit schicker Uniform) zuständig, die auch die Kinder der auf der Funkstelle wohnenden Familien zur Schule brachten. Das trug so manchem Kind den Ruf ein, elitär zu sein ein, berichten Zeitzeugen. Sogar für das leibliche Wohl sorgte die Deutsche Post: mit umliegenden Gaststätten waren Versorgungsverträge für die Mitarbeiter geschlossen worden, so dass sie zu günstigen Bedingungen zum Essen gehen konnten.

In Lüchow-Dannenberg gab es natürlich nicht so viele ausgebildete Fachleute für Funktechnik, um den Bedarf auf der Funkstelle zu decken. Also kamen viele Mitarbeiter aus verschiedenen Gegenden Deutschlands auf den Höhbeck: aus Stuttgart, Hannover oder Lüneburg waren sie auf die entlegene Station versetzt worden. So manch einer wurde hier heimisch und siedelte sich rings um den Höhbeck an.

Der abgelegene Standort und die für das bäuerlich geprägte Umland ungewöhnliche Arbeit mit hochmoderner Funktechnik führten dazu, dass unter der Belegschaft der Funkstelle ein großer Gemeinschaftssinn herrschte, der sich unter anderem in vielen Feierlichkeiten oder Ausflügen zeigte. Sogar ein eigenes Wappen und ein "Höhbeck-Lied" kreierten sie: "Der Höhbeck ist doch weit bekannt, der Richtfunk strahlt's durchs ganze Land. Das Testbild ist so wunderschön, ein jeder wird's auch in der Ferne seh'n", dichtete der Pförtner Wilhelm Berzau. 1975 wurde dieses Lied stolz zum 25-jährigen Jubiläum intoniert.

Dabei war es manchmal gar nicht so einfach, den Arbeitsort zu erreichen. Im schneereichen Winter 1969 blieben die Dienstfahrzeuge in den meterhohen Schneewehen stecken - es war einfach kein Durchkommen mehr. Als später (in den 70er Jahren) die Fernwartung möglich wurde, reduzierte sich die Zahl der Mitarbeiter drastisch. 1982 wurde die alte Antenne ausgetauscht, dadurch verringerte sich die Masthöhe von 332 auf 325 m. Gleichzeitig wurde dem bereits 1962 errichteten Betriebsgebäude mit seinen Sendeeinrichtungen ein zweites zugesellt.

Erinnern Sie sich noch an das Lückenfenster „Wir schalten um“? Oder das nächtliche "Testbild"? Auch diese Umschaltungen wurden vom „Sender Höhbeck“ aus geschaltet, wenn die Übertragung aus Berlin kam. In der ganzen Bundesrepublik war dann zu sehen, wie schnell die Mitarbeiter auf dem Höhbeck die Umschaltung schafften - manchmal dauerte es fünf Minuten, bis dann die angekündigte Sendung zu sehen war. Denn diese Umschaltungen mussten damals noch manuell vorgenommen werden.

Aber auch die Ausstrahlung des zweiten und dritten Fernsehprogramms (NDR), eine Fernseh-Austauschleitung für Fernsehüberspielungen, eine „Richtfunk-Einseitenbandverbindung“ (ermöglicht ca. 2400 Telefonverbindungen) sowie digitaler Richtfunk für Schnackenburg und Gorleben waren Aufgaben dieses Mastes.

Und noch ein Rekord - das höchste Bauwerk Deutschlands

Mit dem Bau des dritten Turms ist die Funkgeschichte des Höhbecks aber noch nicht zu Ende: 1978/79 hatte sich die Technik - aber auch der Bedarf - so entwickelt, dass wieder ein neuer Turm errichtet werden musste. Jetzt waren insgesamt 12 000 parallele Telefongespräche möglich – nicht eingerechnet die Kapazitäten der anderen Türme in Clenze oder im Harz, die inzwischen ja auch ausgebaut worden waren. Diesmal musste der Turm sogar 344 m hoch werden, damit die im hohen Frequenzbereich liegenden Funkwellen die Erdkrümmung überwinden können. Nun war auch eine moderne, stabile Nachrichtenverbindung zwischen West-Berlin und Westdeutschland möglich.

Erst mit der Wiedervereinigung im Jahre 1989 verloren die Höhbeck-Türme ihre zentrale Bedeutung. Nun war es nach Jahrzehnten endlich wieder möglich, an jeder beliebigen Stelle Relaisstationen und Glasfaserverbindungen dort einzurichten, wo sie gebraucht wurden. Nun war es möglich, eine sehr hohe Anzahl von Daten- und Sprachverbindungen in fast unbegrenztem Ausmaß zu gewährleisten. Außerdem waren immer mehr Satelliten im Umlauf, die Sende- und Empfangsaufgaben übernehmen konnten.

Heute wird nur noch der Deutschlandfunk über den verbliebenen Turm gesendet. Daneben nutzt noch ein Mobilfunkanbieter den Mast für Mobilfunk-Schaltstellen. Eine Sendestation unter vielen.

Doch die enge Verknüpfung mit der komplizierten deutschen Nachkriegsgeschichte wird der "Funkübertragungsstelle Höhbeck" wohl noch lange einen sicheren Platz in den Geschichtsbüchern garantieren.

Für die Menschen rings um den Höhbeck hat der Abriss des Mastes aber auch noch eine andere Bedeutung: nun wird ihnen bei der nächtlichen Heimfahrt nur noch ein rot leuchtender Mast schon aus der Ferne zeigen, wo das Zuhause liegt.

Übrigens: Die Berliner Morgenpost berichtete am 18. Januar über den Abriss einer Frohnauer Gegenstelle: Bald knallt's in Frohnau. ...

Titelfoto: eine alte Postkarte aus den 70er Jahren zeigt noch drei Funktürme. Links der jetzt zum Abriss anstehende 332-m-Mast. (Wir danken Herbert Niebuhr und seinen Kollegen von der Funkstelle für die Überlassung der Bilder).


2009-02-01 ; von Angelika Blank (autor),
in Fährstraße, 29478 Höhbeck, Deutschland

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