Kaum hatte Bundespräsident Christian Wulff das Atom-Gesetzes-Paket der Bundesregierung abgezeichnet, lässt ein peinlicher Vorfall erneut massive Zweifel an der Zuverlässigkeit der Atomwirtschaft aufkommen: die Atomaufsicht in Kiel lehnte die Bestellung der neuen Krümmel-Chefin ab, da sie bei der vorgeschriebenen Fachkundeprüfung durchgefallen war. Somit bleibt das AKW Krümmel bis auf Weiteres abgeschaltet.
Noch Ende November war der schleswig-holsteinische Justizminister Emil Schmalfuß optimistisch gewesen, dass das AKW Krümmel zu Beginn des neuen Jahres seinen Betrieb wieder aufnehmen könne, doch nun verkündete Schmalfuß am Donnerstag Morgen, dass er der Bestellung nicht zustimmen werde: "Es ist Frau Welte bislang nicht gelungen, die fehlende praktische Erfahrung im Produktionsbereich hinreichend zu kompensieren. Dies wäre jedoch zwingend Voraussetzung dafür gewesen, dass Frau Welte die Aufgabe der Kraftwerksleiterin übernehmen kann."
"Wir bedauern diese Entwicklung, können im Interesse der Sicherheit aber nicht anders entscheiden", so Schmalfuß weiter. "Denn es entspricht dem aktuell von den Atomexperten des Bundes und der Länder festgestellten Standard, dass der Leiter eines Kernkraftwerkes grundsätzlich eine Fachkundeprüfung für Schichtleiter in einem Kernkraftwerk bestanden haben muss. Dies ist bei Frau Welte nicht der Fall. Nur in begründeten Ausnahmefällen kann diese Qualifikation durch langjährigen, verantwortlichen Einsatz in Kernkraftwerken und ein individuelles Ausbildungsprogramm für die vorgesehene Anlage nachgewiesen werden."
"Wir haben seit über einem Jahr wiederholt deutlich gemacht, dass es Frau Welte noch an dieser Qualifikation für die Leitung eines Kernkraftwerks fehlt. Es liegt nun an Vattenfall, einen neuen Vorschlag zu machen. Aus meiner Sicht darf das Kernkraftwerk Krümmel erst wieder ans Netz gehen, wenn es eine neue Leiterin oder einen neuen Leiter hat", betonte der Minister.
In einer dürren Erklärung nimmt Vattenfall auf seiner Website Stellung zu der Entscheidung: "Wir nehmen jedoch zur Kenntnis, dass der für die Atomaufsicht zuständige Justizminister Emil Schmalfuß öffentlich erklärt hat, unserem Antrag derzeit nicht zuzustimmen. Sobald wir einen Bescheid erhalten, werden wir diesen sorgfältig prüfen und Vorschläge unterbreiten, wie wir gemeinsam mit der Behörde zu einer Lösung finden können. Wir streben die Bestellung einer Anlagenleitung in vollständigem Einvernehmen mit der Aufsichtsbehörde an."
ausgestrahlt: Vattenfall muss endgültig die Lizenz entzogen werden
Für Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Initiative ausgestrahlt! ist die Sache klar: „Vattenfall bleibt sich in Sachen Krümmel treu: Sie können es einfach nicht. Wenn die Prüfer der designierten AKW-Chefin ihr nach einem Jahr Teilnahme an Qualifikationsmaßnahmen vorhalten, dass sie erhebliche Mängel in der Kommunikation aufweist, dann ist das nicht allein die Unfähigkeit dieser Person, sondern macht deutlich, dass Vattenfall nicht in der Lage ist, sein Personal ordentlich auszuwählen und zu schulen. Mängel in der Kommunikation waren auch beim Brand im AKW Krümmel im Sommer 1997 das größte Problem und hätten beinahe zu einem weitaus schwereren Störfall geführt. Vattenfall ist heute keinen Schritt weiter.
Ulrike Welte war von Vattenfall als neue Krümmel-Chefin benannt worden. Doch sie hat bei einer Simulation in der Übungswarte des AKW nicht geschafft, den Reaktor in einen sicheren Zustand zu bringen. 30 bis 60 Minuten waren die Zeit, die sie hätte schaffen müssen, um die Prüfung zu bestehen. Nach zwei Stunden vergeblichen Mühens wurde die Prüfung abgebrochen. "Die Vorstellung, sie hätte die Prüfungsaufgabe durch Glück oder Zufall gemeistert, wäre zur Kraftwerks-Chefin ernannt worden und hätte dann im Ernstfall versagt, lässt einem den Atem stocken", so Stays entsetzte Reaktion auf das Geschehen.
"Wir fordern die Atomaufsicht in Kiel auf, aus diesem Vorfall die einzig mögliche Konsequenz zu ziehen und Vattenfall endgültig die Genehmigung zu entziehen, Atomkraftwerke betreiben zu dürfen. Der Konzern erfüllt nicht die Voraussetzungen in Sachen Zuverlässigkeit. Die Reaktoren in Krümmel und Brunsbüttel müssen endgültig vom Netz bleiben", forderte Stay weiter.
AKW Krümmel bleibt bis auf Weiteres abgeschaltet
Vattenfall hatte schon länger mit einer Serie von Pannen vor allem in Krümmel für Schlagzeilen gesorgt. Nachdem der Konzern über den letzten Störfall im März 2010 nur recht verspätet die Atomaufsicht informiert hatte, war er auch wegen seiner Kommunikationsstrategie massiv kritisiert worden. Das AKW Krümmel steht nach einem Transformatorbrand im Sommer 2007 bis auf ein kurzes Wiederanfahren still. Nach eigenen Angaben hat Vattenfall seitdem knapp 400 Millionen Euro investiert, um den alten Atommeiler zu modernisieren. Nach den jüngst beschlossenen Laufzeitverlängerungen könnte Krümmel noch bis 2033 laufen.
PS: Bereits im November hatte der Lüneburger Kreistag eine Resolution verabschiedet, in der Bundesumweltminister Norbert Röttgen aufgefordert wird, für die endgültige Abschaltung des Pannen-Reaktors zu sorgen. Diese Resolution hat Lüneburgs Landrat Manfred Nahrstedt Minister Röttgen anläßlich seines Besuchs im Gorlebener Salzstock übergeben. In der Resolution wird auch die Aufgabe des Endlager-Standorts Gorleben gefordert. "Salz ist kein geeignetes Einlagerungsmedium", so Nahrstedt.
Foto: Karin Behr / publixviewing.de - Im Juni 2010 demonstrierte die Anti-Atom-Initiative Campact mit einer Luftballon-Aktion gegen den Weiterbetrieb des immer wieder mit Störfällen aufgefallenen Atomkraftwerks Krümmel.
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