Überraschung bei der Eröffnung der Sommerlichen Musiktage: Niedersachsens neuer Ministerpräsident David McAllister hat es nicht beim Grußwort im Programm zu den 65. Sommerlichen Musiktagen Hitzacker belassen, sondern er kam persönlich zum Eröffnungskonzert am Sonnabend.
Die Sommerlichen Musiktage seien "Leuchttürme in der Festival-Landschaft“, betonte McAllister. Deshalb fördere das Land Niedersachsen diese Veranstaltung gern. Das Thema des Eröffnungskonzerts – „Zauberlehrlinge und Hexenküchen“ lasse ihn an manche Vorgänge in der Politik denken, bemerkte der Ministerpräsident.
Zauberei und Hexerei werde wohl auch nötig sein, um Einnahmen und Ausgaben des Landes in Einklang zu bringen, so blickte McAllister auf die „Spar-Klausurtagung“, zu der die Landesregierung am Sonntag zusammenkommt. Mit dieser Tagung, so habe ihm ein Freund gesagt, beginne „der Ernst des Lebens“ für den neuen Ministerpräsidenten, erzählte der Regierungschef, und deshalb freue er sich, in Hitzacker beim Konzert noch „einen Tag in sommerlicher Freiheit“ erleben zu dürfen.
Verdo-Saal beim ersten Konzert ausverkauft
Im ausverkauften Verdo-Saal begrüßte Linda Anne Engelhardt, Vorsitzende der Gesellschaft der Freunde der Sommerlichen Musiktage, neben dem Ministerpräsidenten zahlreiche weitere Vertreter des öffentlichen Lebens. So sah man unter anderen die Landtagsabgeordnete Karin Bertholdes-Sandrock, Landrat Jürgen Schulz, Elbtalaue-Bürgermeister Jürgen Meyer, Hitzackers Bürgermeister Dr. Karl-Heinz Jastram , Sparkassen-Vorstand Werner Steinhilber und den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Kurt-Dieter Grill.
Geister aus Goethes Laboren
„Ins Labor“ lautet in diesem Jahr das Motto des Festivals. „Assoziationen mit Begriffen wie Forschen, Entdecken, Erfinden, Experimentieren sind dabei durchaus beabsichtigt“, heißt es in einer Mitteilung der „Sommerlichen“, für deren künstlerische Leitung seit 2001 Dr. Markus Fein verantwortlich zeichnet.
Gleich zu Beginn der Musiktage, im ersten Teil des Eröffnungskonzertes, wurden die Besucherinnen und Besucher in mehrere Labore entführt – in solche, in denen Geister aus Johann Wolfgang von Goethes Feder ihr Wesen treiben. Der bekannte Schauspieler Siegfried W. Kernen - dem Fernsehpublikum aus zahlreichen Filmen, unter anderem aus der Serie „Tatort“ bestens vertraut – trug den „Zauberlehrling“ vor und auch Szenen aus „Faust““: die Erschaffung des Homunculus und das Brauen des Verjüngungstranks in der Hexenküche.
Wer dereinst von Oberlehrern und Studienräten mit jenen Texten des „alten Wichtigtuers aus Weimar“ (Arno Schmidt über Goethe) traktiert wurde und das Ganze als verstaubt und trocken empfand, erlebte nun in Hitzacker, wie sehr die altbekannten Dichterworte mittels der Musik belebt werden können. Werke der Komponisten Györgi Ligeti, Alexander Skrjabin und Nathan Milstein für Piano und Violine, den Lesungen nachgestellt, machten die jeweiligen Szenen hörbar. Das Hin- und Hergewusel des vom Zauberlehrling entfesselten Besens nebst Wassereimer ebenso wie das Werden des Kunst-Menschen Homunculus in der Phiole oder den Hokuspokus, mit dem die Hexe am Zaubertrank herumlaboriert.
„Glowing Sea“: Gar Gruslige Geräusche
Geige und Flügel läuteten auch den zweiten Teil des Eröffnungskonzertes ein: Andrej Bielow (Violine) und Konstantin Lifschitz (Klavier) gefielen mit „Mythen – Drei Dichtungen“ von Karol Szymanowski. Ganz andere Töne servierte sodann das Ensemble „L’art pour l’art“: Klänge, die ihren Ursprung in des Meeres Tiefe haben. „Glowing Sea“ heißt das Werk des Komponisten Matthias Kaul, das am Sonnabend in Hitzacker seine Uraufführung erlebte. Eine führende Rolle in „Glowing Sea" spielt laut Kaul „ein Klang ungeklärter Herkunft“, aufgezeichnet von der antarktischen Forschungsstation Palaoa (PerenniAL Acoustic Observatory in the Antarctic Ocean).
Das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung umreißt die Eindrücke der Station: „Seit jeher hat der Ozean auf die Menschen eine beruhigende Wirkung mit seiner scheinbaren Unendlichkeit und tiefen Ruhe. Steckt man allerdings wie unsere Biologen in der Antarktis ein Mikrofon ins Wasser, merkt man schnell, dass es mit der Stille nicht weit her ist.“ Die klangvolle Meerestiefe bringt das Ensemble aus Matthias Kaul (Percussion), John Eckhardt (Kontrabass und mit dem Bogen gestrichene Gitarre) sowie Astrid Schmeling (Flöte) mit ihrem Instrumentarium so eindrucksvoll zu Gehör, dass die Meeresgeräusche teilweise gar gruslig anmuten.
Was es für Geräusche sind? Hier ist die Phantasie gefragt – nur Ähnlichkeiten mit Vertrautem ist herauszuhören, vermutlich von jedem und jeder individuell anders: eine Dampflock schnauft, stößt schrille Pfiffe aus; eine Maultrommel scheint zu erklingen, dann ein Zischen, wie von einem Klo-Spülkasten, dessen Schwimmer klemmt; dumpfes Grollen wird abgelöst vom Quietschen der Stahltür eines Schiffswracks. Singt dort jemand? „Glowing Sea“ – ein interessantes Experiment, ein Werk, welches die Aussage der Festival-Macher unterstreicht: „Der Mut, Neues zu wagen, zeichnet die Sommerlichen Musiktage Hitzacker aus“.
Noch bis zum 8. August heißt es in Hitzacker „Ins Labor!“ Im Internet ist das Programm und sind viele weitere Informationen zum Festival zu sehen, die Adresse: www.musiktage-hitzacker.de.
Foto: Festivalleiter Markus Fein (li.) und Ministerpräsident David McAllister / Das Ensemble "L'art pour l'art" gefiel mit der Uraufführung von "Glowing Sea"
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