Die Integration von Asylbewerbern stand am Dienstag im Mittelpunkt des Sozialausschusses. Mit der Einrichtung eines Runden Tisches und einem komplexen Handlungskonzept sollen die über 100 Flüchtlinge, die der Landkreis aufzunehmen hat, besser unterstützt werden.
Sie kommen aus Syrien, Afghanistan, dem Iran oder den Balkanländern ... und haben auf ihrer Flucht teilweise dramatische Erlebnisse überstanden. Derzeit sind es 119 Flüchtlinge, die im Landkreis Zuflucht finden. Weitere 101 Menschen werden in diesem Jahr aufgrund der Zuteilungsschlüssel noch in Lüchow-Dannenberg erwartet. Wie lange sie hier bleiben müssen, ist ungewiss, denn erst wenn ihr Asylbewerbungsverfahren abgeschlossen ist, können sie frei entscheiden, wo sie in Deutschland leben möchten. Solange ist der Landkreis für ihre Versorgung zuständig.
Noch gelingt es der Kreisverwaltung in Zusammenarbeit mit den Samtgemeinden, genügend privaten Wohnraum für die Flüchtlinge zu organisieren, so dass es wohl nach Auskunft der Ausländerbehörder weiterhin nicht notwendig sein wird, zentrale Unterkünfte einzurichten.
Für die Grünen Abgeordneten ist die Situation der Flüchtlinge in Europa Grund genug, eine Resolution einzubringen, die der Kreistag demnächst beschließen soll. In dem Entwurf, den der Sozialausschuss am Dienstag beschloss, soll sich der Kreistag für einen Kurswechsel in der europäischen Flüchtlingspolitik aussprechen und sich zu der Verantwortung bekennen, die "wir als politisch aktiver Landkreis für Flüchtlinge mit und ohne Aufenthaltsstatus haben." Deswegen soll nach der Resolution der Kreistag seine Bereitschaft erklären, im "aus humanitären Gründen gebotenen Umfang über bisherige Kontingente hinaus Flüchtlinge aufzunehmen".
Des weiteren soll mit der Resolution erreicht werden, dass Land und Bund mehr Finanzmittel für Integrationsarbeit zur Verfügung stellen. Außerdem sollen auch Flüchtlinge arbeiten dürfen, die (noch) nicht im Besitz eines Aufenthaltsstatus sind. Außerdem wird dem Kreistag empfohlen, sich der Save me Kampagne anzuschließen. Rund 60 Städte, Gemeinden und Landkreise haben sich bereits dieser Kampagne angeschlossen, die nach eigenen Angaben bereits erreicht haben will, dass mehr Flüchtlinge aus provisorischen Lagern in nicht-europäischen Ländern nach Deutschland einreisen dürfen.
Der Ausschuss empfahl dem Kreistag mit einer klaren Mehrheit, die Resolution zu befürworten.
Ein Handlungskonzept für die Integrationsarbeit
Die Verwaltung arbeitet seit längerem an der Erstellung eines Konzeptes zur Verbesserung der Integration von "Neuzuwanderern", wie es in der Beschlussvorlage für den Ausschuss hieß. Am Dienstag wurde dieses Handlungskonzept nun dem Sozialausschuss zur Verabschiedung vorgelegt.
In dem Konzept formuliert die Verwaltung ihren Anspruch, dass die Vermittlung von Grundfähigkeiten nicht erst beginnen darf, wenn das Verwaltungsverfahren zur Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung abgeschlossen ist. "Der Landkreis Lüchow-Dannenberg geht deshalb von dem Grundgedanken aus, dass eine erfolgreiche Integration bereits mit der Einreise beginnt und beginnen muss." Der Landkreis erwartet hier eine entsprechende Weichenstellung von Bund und Land.
Eine zentrale Anlaufstelle, für die eine halbe Stelle im Haushalt 2014 bereits vorgesehen ist, soll den Neuzuwanderern Hilfestellung und Begleitung auf dem Weg in die noch fremde Gesellschaft geben. Ebenso soll über das Kreishaus die Vernetzung zwischen Ausländerbehörde und den im Landkreis tätigen Initiativen, die im Bereich der Integration tätig sind, organisiert werden. Dem Kreistag hat die Koordinierungsstelle einmal jährlich über seine Arbeit zu berichten.
Darüber hinaus sollen über Honorarmittel Dolmetscher beschäftigt werden, die vor allem den MigrantInnen aus dem arabischen Raum weiterhelfen sollen.
Um die Eingliederungsphase zu erleichtern, sollen weiterhin Integrations-LotsInnen eingesetzt werden, die z.B. bei Behördengängen, Mietangelegenheiten etc. helfen können.
Ein Runder Tisch Integration soll die Integrationsarbeit im Landkreis gesellschaftlich und politisch begleiten. Denn, so formuliert es das Handlungskonzept, "Erfolgreiche Abeit kann sich damit nicht in reinem Verwaltungshandeln erschöpfen, sondern bedarf gesellschaftlicher Unterstützung". Dieser Runde Tisch, zusammengesetzt mit VertreterInnen von in der Integrationsarbeit tätigen Institutionen, Privatmenschen mit ausländischen Wurzeln und Vertretern der Verwaltung soll als festes Gremium arbeiten. Die Mitglieder werden nach dem Konzept auf Vorschlag des Kreises durch den Kreistag berufen. Die Mitgliederzahl wird auf 20 beschränkt.
Diskussion offenbarte viel Unkenntnis und Vorbehalte
Im Ergebnis wurden sowohl die Resolution über eine Verbesserung der Flüchtlingssituation, die Einrichtung eines Runden Tisches sowie das Handelskonzept zur Integration vom Sozialausschuss mehrheitlich empfohlen. Allerdings offenbarten die Diskussionen zum Thema "Asylbewerber" einiges an Vorbehalten. So fühlte sich der CDU-Abgeordnete Uwe Dorendorf genötigt, auf seine "nationale Identität" zu verzichten, weil der SPD-Abgeordnete Thomas Pieterek in einem Statement dafür plädierte, sich etwas von "deutschen Sichtweisen" zu verabschieden, um den Flüchtlingen möglichst gut helfen zu können.
UWG-Abgeordneter Udo Sperling trieb die Sorge um, dass es mit den Asylbewerbern womöglich "zuviel werden könnte". "Wir müssen Arbeitsplätze und Perspektiven für Deutsche entwickeln", so Sperlings Plädoyer dafür, auch die Interessen Einheimischer im Auge zu behalten.
Thomas Pieterek dagegen teilte diese Sorge nicht. Im Gegenteil, er sieht im Zuzug auch Chancen. "Wir schicken unsere Alten nach Tschechien und Polen, weil uns hier die Fachkräfte fehlen. Warum bilden wir die Einwanderer nicht im sozialen Bereich aus, wo so viel offene Stellen nicht besetzt werden können?" fragte er die Runde.
CDU-Abgeordneter Uwe Dorendorf wiederum sieht die Steuergelder oftmals falsch eingesetzt. "Wie kann es sein, dass Hunderttausende in eine Familie gesteckt werden, deren Mitglieder durchweg kriminell sind?" fragte er in direkter Anspielung auf die Familie Osmanij, deren in früher Morgenstunde ohne Vorwarnung abgeschobene Mutter und ein Sohn erst durch Intervention des Niedersächsischen Innenministeriums wieder zurück nach Deutschland kommen konnten. Eine Bemerkung, die bei den anwesenden VertreterInnen von Flüchtlingsinitiativen lautstarke Empörung auslöste.
In der Diskussion um die Unmöglichkeit für einen Asylbewerber, ohne Ausweispapiere ein Bankkonto zu eröffnen, zeigte sich zwar einerseits der allgemeine Wille, dieses Problem lösen zu wollen, andererseits aber auch die Realitätsferne so manches Abgeordneten: wie Fachdienstleiterin Susanne Lüth-Küntzel erläuterte, sind die Banken nach dem Geldwäschegesetz verpflichtet, sich vor der Einrichtung eines Bankkontos durch gültige Ausweispapiere die Identität des Kunden eindeutig zu klären. "Da hat die Bank keinerlei Spielräume", so Lüth-Küntzel.
Dies genügte jedoch den Abgeordneten nicht. SOLI-Abgeordneter Hermann Klepper meinte, aus Hamburg gehört zu haben, dass das Problem dort anders gehandhabt werde - auf welcher Rechtsgrundlage konnte er allerdings auch nicht sagen. Die entscheidende Frage, ob und warum gegebenenfalls nicht, die Verwaltung den Betroffenen (insgesamt geht es um 13 Familien) keine gültigen Identitätsnachweisenden Papiere ausstellen kann, stellte niemand der Abgeordneten.
Nun wird Landrat Jürgen Schulz auf den anstehenden Verwaltungsrats- und Kreditausschuss-Sitzungen mit der Sparkasse versuchen, eine Lösung des Problems zu erreichen, wie Lüth-Küntzel erläuterte.
Foto / Jonskonline ...: Nur in Kinderbildern erscheint das Ufer von Lampedusa als rettendes Ziel für Bootsflüchtlinge. In der Realität sterben immer wieder Flüchtlinge im Mittelmeer.