Wegen der Beunruhigung, die durch die Strahlungs-Messergebnisse für die Atommüllbehälter des Transportes entstanden war, hat die Europaabgeordnete der Grünen, Rebecca Harms, eine kurze Begutachtung der veröffentlichten Werte in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse liegen seit heute vor.
Aus den Anmerkungen des Diplomphysikers Wolfgang Neumann von der intac GmbH aus Hannover ergeben sich eine Reihe von Fragen, die Harms heute per Brief an die beiden verantwortlichen Ministerien in Hannover sowie an die Gewerkschaft der Polizei und die Deutsche Polizeigewerkschaft übermittelt hat.
Nach den Erkenntnissen von Wolfgang Neumann gäbe es zwar keinen Hinweis auf die Überschreitung der Grenzwerte für den Transport radioaktiver Abfälle, aber:
"Es ist aber zu kritisieren, dass in Dannenberg bei den Messungen lediglich drei von 11 Behältern ausgemessen wurden. Ausgerechnet der Behälter, der in Valogne die höchste Dosisleistung hatte, ist nicht dabei. Ich halte diese Art der selektiven Messungen für unverantwortlich, denn wir hatten es bei diesem Transport mit dem höchsten radioaktiven Inventar seit Beginn der HAW-Transporte nach Gorleben zu tun," erklärte Harms.
Die Abgeordnete verlangt auch Aufklärung über die Dosis, der die Polizeibeamten ausgesetzt waren, die am Transport Dienst gemacht haben. Wolfgang Neumann in seinem Gutachten: "Bei der Bewertung der Strahlenbelastung ist allerdings auch noch die kontroverse wissenschaftliche Diskussion über die biologische Wirksamkeit von Neutronenstrahlung zu beachten. Der Neutronenwichtungsfaktor beim Übergang von der physikalischen Energiedosis zur Strahlenbelastung wird von einigen Wissenschaftlern für zu gering gehalten. Für die offiziellen Berechnungen wird 15 zugrundegelegt [BFS 2000]. Kuni hat 300 bis 600 gefordert. Das heißt die Strahlenbelastung bei der Begleitung des Transportes wäre nach Kuni deutlich über den Grenzwerten (sogar für strahlenexponiert beschäftigtes Personal)."
Für die Polizistinnen und Polizisten werde der für Personen aus der Bevölkerung geltende Grenzwert für Ableitungen aus kerntechnischen Anlagen bereits nach etwas mehr als einer Stunde erreicht. Und der Gesamtgrenzwert der Strahlenschutzverordnung werde nach vier Stunden ausgeschöpft. Harms fordert deshalb auch die Veröffentlichung der Messwerte der Dosimeter, die die Polizeibeamten während des Transportes tragen mussten.
Die Gewerkschaft der Polizei hatte schon während des Transport Stellung zu den erhöhten Strahlenbelastungen genommen. Nach Aussagen ihres Sprechers Reiner Fischer, wurde die höhere Strahlung bereits berücksichtigt, indem man sowohl den Abstand der Beamten zum Zug erhöht als auch die Schichtdauer herabgesetzt habe. Es war davon die Rede, dass das Zug-Begleitpersonal einen Abstand von 6 m zum Zug halten muss.
Wolfgang Neumann dazu: "Ein derartiger Abstand bedeutet bei einem Aufenthalt von einer Stunde eine Strahlenbelastung von bis zu 25 µSv/h. Das ist mehr als das 5-fache der Strahlenbelastung bei einem Flug in 12 km Höhe (ein solcher Vergleich ist allerdings problematisch, da die beiden Belastungsgründe ethisch und psychologisch nicht miteinander Vergleichbar sind).
Anders ausgedrückt wird der für Personen aus der Bevölkerung (als solche sind die PolizistInnen anzusehen) geltende Grenzwert für Ableitungen aus kerntechnischen Anlagen von 300 µSv pro Jahr bereits nach etwas mehr als 1 Stunde und der Gesamtgrenzwert der Strahlenschutzverordnung von 1.000 µSv pro Jahr bereits nach 4 Stunden erreicht. Diese Strahlenbelastung ist unter Berücksichtigung des Minimierungsgebotes der Strahlenschutzverordnung relativ hoch."
UPDATE: Eine Nachfrage bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ergab, dass die direkt am Transportzug eingesetzten Beamten einen Abstand von 6,5 m einzuhalten hatten. Die jeweilige Schichtdauer gibt GdP-Sprecher Reiner Fischer mit drei Stunden an. Fischer ergänzt: "Auch wir fordern, dass die Dosimeter-Ergebnisse der Beamten veröffentlicht werden, schon zum Schutze unserer Belegschaft." Weiter führt Fischer aus, dass die GdP schon vor längerer Zeit durchgesetzt hat, dass die Dosimeter-Ergebnisse der am Transportzug eingesetzten Beamten in deren Personalakten dokumentiert werden, so dass im Falle einer Krebserkrankgung die Beweislast für einen Dienstunfall nicht mehr bei den erkrankten Beamten liegt.
Foto: Andreas Conradt