Vor ziemlich genau einem Jahr gründete sich in Gartow der „Austausch-Treff“. Von den Ratsmitgliedern zunächst als Sozialinitiative milde belächelt, hat sich die Bürger-Initiative zu einem echten Erfolgsprojekt gemausert: Bereits im Dezember musste der Verein neue, größere Räume beziehen.
Freitag Nachmittag. 16.00 Uhr. Kaum haben sich die Türen des „Aus-Tauschtreffs“ in Gartow geöffnet, stehen auch schon die ersten Tauschinteressenten in der Tür. Der erste ist ein älterer Herr, der dringend einen neuen Pullover sucht. Ihm kann schnell geholfen werden, Pullover gibt es reichlich. Der Mann zieht glücklich von dannen – vor allem, als sich bestätigt, dass er tatsächlich nichts dafür bezahlen muss.
Auch eine Frau, die nach einer neuen
Jeanshose sucht, wird schnell fündig. Mitgebracht hatte sie einige
ausrangierte Blusen, aus denen sie im Laufe der Jahre herausgewachsen
war. Im Laden des Austausch-Treffs werden sie nun Andere glücklich
machen.
Solche und ähnliche Begegnungen haben die Aktiven des Aus-Tauschtreff am Wochenende beinahe hundertfach. „Durchschnittlich kommen am Wochenende rund 100 Menschen, die abgelegte Sachen bringen oder Neue suchen,“ so Brigitte Netzel, Vorsitzende des Vereins. „Einmal waren es sogar 148 Menschen, die uns aufgesucht haben.“ Kein Wunder, denn es hatte sich schnell herumgesprochen, dass im Austausch-Treff immer wieder nette Dinge zu tauschen gibt - da war auch schon mal eine Prada-Tasche zu finden oder einigermaßen wertvolle Kristallgläser aus der Abteilung "was Oma hinterließ". Die freundliche, einladende Atmosphäre, die die "Ladendienstler" schaffen, lässt außerdem die letzten Berührungsängste schwinden.
Tauschen als Lebensprinzip
Als die InitiatorInnen des Austausch-Treffs vor über einem Jahr bei der Samtgemeinde Gartow um einen finanziellen Zuschuss baten, weil sie Räume anmieten wollten, stießen sie dort zunächst auf gedehnte Reaktionen. Die „Frauen“ sollten doch erst einmal mit ihrem Tauschgut über die Dörfer der Samtgemeinde ziehen und so testen, ob das Angebot überhaupt angenommen wird. Sich an Mietzahlungen beteiligen zu sollen, schien den (überwiegend männlichen) Ratsmitgliedern als Einstieg in die Dauerförderung.
Doch die rund 20 Engagierten, die vor ziemlich genau einem Jahr den Verein gründeten, waren sich sicher, dass ihre Idee Erfolg haben würde. Auch die Schwierigkeiten mit dem Finanzamt bei der Anerkennung als gemeinnütziger Verein konnten sie nicht verdrießen. Ursprünglich sollte der Austausch-Treff tatsächlich eine reine Sozial-Initiative sein, der auch den Bedürftigen in der Samtgemeinde die Möglichkeit geben sollte, ohne große Kosten zu guter Kleidung zu kommen.
Innerhalb kürzester Zeit entwickelte
sich der kleine Laden in der Springstraße zu einem wahren
Treffpunkt. Nicht nur Kleider wurden getauscht, sondern auch die
neuesten Infos sowie Kenntnisse über Nähen, Stricken und
Basteleien. Auch Ideen, Tipps und Anregungen gehören zum
alltäglichen Tauschgut im Treff.
Von der Sozial-Initiative zum Projekt der ökologischen Bürgergesellschaft
In Zusammenarbeit mit dem Altersheim, der Kinderkrippe und der Gesundheitsetage entwickelt sich in Gartow mit dem Austausch-Treff eine gut vernetzte Aktivengruppe, die sich auch unmittelbar der neun Flüchtlinge angenommen hat, die seit einigen Wochen ihr neues Zuhause in Restorf haben. So wurde der Treff letztendlich auch zu einem Teilprojekt der Bürgergesellschaft, an der in Gartow in kleinen Schritten kontinuierlich weiter gearbeitet wird. (Anmerkung: auf anderer Ebene wurde in Gartow ein „Wohnzimmerparlament“ eingerichtet, an dem teilweise die gleichen Akteure mitarbeiten).
Nicht zuletzt hat der „Austausch-Treff“ auch einen ökologischen Aspekt: warum Kleidung, Spielzeug, Bücher oder CDs wegwerfen, wenn es womöglich Andere gibt, die sich heiß dafür interessieren? Wie der Erfolg des Austausch-Treffs zeigt, gibt es immer mehr Menschen, die derartige Tauschläden nicht nur nutzen, weil sie so günstig an die Tauschobjekte kommen, sondern weil sie zunehmend Widerwillen dagegen entwickeln, gut erhaltene Dinge auf den Müll zu werfen oder sie international tätigen Geschäftemachern zu „spenden“.
Für diese vielfältigen Aktivitäten war der kleine Laden in der Springstraße längst zu klein geworden. Als sich dann die Möglichkeit auftat, mitten in Gartows Hauptstraße gegenüber des Bioladens, einen größeren Laden anzumieten, griff der Verein zu. Dank der Unterstützung der Inhaber, eine Brünkendorfer Bauernfamilie, blieb die Miete auch bezahlbar und notwendige Reparaturen konnten erledigt werden. Rund 20 Engagierte des Vereins sorgten dafür, dass auch die neuen Räume einladend ausgestattet wurden.
Am Freitag wurde nun im neuen Laden in der Hauptstraße stolze (Wieder)Eröffnung gefeiert. Selbst Samtgemeinde-Bürgermeister Friedrich-Wilhelm Schröder gestand ein, dass er „anfänglich dem Projekt sehr skeptisch“ gegenübergestanden hatte. „Doch nun freue ich mich, dass die Initiative so großen Erfolg hat,“ so Schröder in seiner kurzen Glückwunschrede. Ob der Verweis auf auf das große Interesse auch von Touristen bei dem Sinneswandel vielleicht auch eine Rolle spielte? Auf eine weitere finanzielle Unterstützung durch die Samtgemeinde ging Schröder allerdings nicht ein – dies wohl jedoch eher der Tatsache geschuldet, dass im Mai ein neuer Verwaltungschef gewählt wird, bei der Schröder nicht mehr antritt.
Aber wer weiß – womöglich kann sich der Austausch-Treff bald eigenständig finanzieren. Auch während der offiziellen Eröffnungsfeier brachten immer wieder Menschen Tauschware vorbei – und diejenigen, die sich etwas aussuchten, ließen durchaus den ein oder anderen Spenden-Euro im Sammeltopf zurück.
Der Austausch-Treff ist regelmäßig Freitags von 9.00 bis 13.00 Uhr und von 15.00 bis 18.00 Uhr sowie am Samstag von 9.00 bis 13.00 Uhr geöffnet.