Thema: theater

Kerstin Wittstamm: "Lebe im Niemandsraum"

Kerstin Wittstamm ist Regisseurin, Schauspielerin und Mitglied der Freien Bühne Wendland. Theater lebt von und mit Aufführungen vor Publikum - die auf unabsehbare Zeit nicht mehr stattfinden dürfen. Wie geht es der leidenschaftlichen Theatermacherin damit?

Auftrittsverpflichtungen sind geplatzt, bereits abgeschlossene auf unbestimmte Zeit vertagt. Dabei ist es völlig unklar, wann die Freie Bühne Wendland – und damit Kerstin Wittstamm – wieder auftreten kann. Nicht einmal proben dürfen die Mitglieder der Freien Bühne Wendland (FBW). Ihr Probenraum im Kulturverein Platenlaase ist für sie gesperrt.

„Wir haben versucht, wenigstens Textproben per Videokonferenz zu machen,“ erzählt Kerstin Wittstamm. „Aber durch die schlechten Internetverbindungen im Landkreis blieb es beim Versuch. Proben mit immer wieder gestoppten Videoaufnahmen – das war nicht zu machen.“ Auch die Teilnahme an der Zoomkonferenz des Landesverbands der freien Theater blieb beim Versuch. „Es machte keinen Spaß da mitzumachen. Die Verbindung war einfach zu schlecht.“

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Nicht nur Kerstin Wittstamm hofft noch immer, dass die Freie Bühne das traditionelle Weihnachtstheaterstück im Kulturverein Platenlaase aufführen kann. Unverdrossen arbeiten die Ensemblemitglieder am Stück, besprechen wenigstens telefonisch Kostüm- und Bühnenfragen, feilen am Text – und proben für sich selbst.

„Und wir hoffen immer noch, dass wir im September in kleinerem Rahmen spielen dürfen,“ wünscht sich die Theatermacherin. Derweil schreibt sie Förderanträge auf Soforthilfe, für neue Projekte oder ein Stipendium – immer in der Hoffnung, für das Theater, aber auch für die einzelnen Mitglieder finanziell wenigstens ein lebensnotwendiges Minimum zu organisieren.

Trotz aller Schwierigkeiten schaut die Truppe nach vorn. Sie bereiten geplante Premieren vor und arbeiten an neuen Formaten  – zum Beispiel die Entwicklung einer Idee, wie Schüler über das Internet für Theatermachen begeistert werden könnten. Doch auch das ist schwierig, weil die Team-Mitglieder sich nicht treffen dürfen bzw. können.

Alle Theaterhäuser haben das gleiche Problem, die anderen versuchen sich mit irgendwelchen Internetangeboten über Wasser zu halten – aber Geld bringt das auch nicht ein. „Das Geld reicht hinten und vorne nicht. Aber dass ich mir nicht die Laune verderben lasse, das liegt an meiner Frohnatur,“ lacht Kerstin Wittstamm. Durch die weggebrochenen Auftrittsverpflichtungen und den Ausfall der Kulturellen Landpartie sind ihr rund 10 000 Euro Verlust entstanden.

Finanzierte Projekte wie „Bauern, Hippies, Feuerwehr ...“ nützen da auch nicht viel. Durch das Veranstaltungs- und Auftrittsverbot fließen diese Fördergelder auch erst, wenn das Projekt abgeschlossen ist – und das wird vermutlich im nächsten Jahr sein.

Wo sich ihr eine bezahlte Arbeit angeboten wird, nimmt Kerstin Wittstamm sie an – ob Gartenarbeit oder Grab schaufeln.

Ohne Bühne im luftleeren Raum

Das Leben ohne Geld ist schwierig. Was der Theaterfrau aber viel mehr zu schaffen macht, ist die Bühnenferne. „Ich kann einfach nicht das machen, wofür ich sonst bejubelt werde,“ betrübt sie sich. Standing Ovations des Publikums, berührende Reaktionen oder atemberaubende (positive) Kritik – all das fehlt ihr. „Ich lebe im Niemandsland.“

Sie beschleicht immer mehr das Gefühl, dass der Gesellschaft Theater nicht wichtig ist. „Niemand sagt, wir müssen jetzt sehen, dass Ihr (die Theater) nicht kaputtgehen. Niemand schreit laut auf, weil es keine Kulturangebote gibt. Mir scheint das Bedürfnis nach Kultur recht klein zu sein.“

Dabei ist Kerstin Wittstamm fest davon überzeugt, dass die Gesellschaft krankt, wenn die Kultur weg ist. „Die ist dann nicht mehr so widerstandsfähig,“ sagt sie.

Kerstin Wittstamm hasst es, Anträge zu stellen und auf ihre Leidenschaft, das Theaterspielen, verzichten zu müssen. Aber sie lässt sich nicht verdrießen: „Das Leben ist ja trotzdem vergnüglich,“ lacht sie.

Foto | Angelika Blank: So lustige Treffen der Freie-Bühne-Mitglieder- wie hier bei einer Besprechung - kann es zur Zeit nicht geben. Die Theatergruppe bemüht sich trotzdem, nach vorne zu schauen und sich von der Situation nicht völlig frustrieren zu lassen.

 
 


2020-05-12 ; von Angelika Blank (text),

theater   kultur  

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