Die Konflikte um die Errichtung von Massentierhaltungs-Anlagen in Lüchow-Dannenberg führen nun auch zu Diskussion innerhalb des Widerstandes gegen die Gorlebener Atomanlagen. Die lokale Elbe-Jeetzel-Zeitung sieht gar einen tiefen Graben zwischen der bäuerlichen Notgemeinschaft, in der auch viele konventionelle Landwirte aktiv sind und der Bürgerinitiative Umweltschutz.
Für die Bäuerliche Notgemeinschaft gibt es derzeit keinen Grund, die gute Zusammenarbeit mit anderen atomkritischen Gruppen in Frage zu stellen. "Der EJZ-Artikel behauptet, dass die aktuellen Auseinandersetzungen über die geplanten Hähnchenmastställe einen Keil in die Anti-Atombewegung getrieben hätten. Das sehen wir bislang nicht, auch wenn sich manche Funktionäre und Politiker/innen möglicherweise eine solche Entwicklung wünschen", heißt es in einer aktuellen Erklärung der Notgemeinschaft. "Die Bäuerliche Notgemeinschaft ist ein Aktionsbündnis, das gemeinsame atompolitische Ziele verfolgt. Zu Fragen der Agrarpolitik bezieht sie grundsätzlich keine Stellung. Innerhalb der Bäuerlichen Notgemeinschaft werden landwirtschaftliche und agrarpolitische Fragen allerdings auch kontrovers diskutiert, auch das Thema Vertragsmast."
In der Bäuerlichen Notgemeinschaft engagieren sich seit langem Bauernfamilien und ihre Freunde und Sympathisanten für ein gemeinsames Ziel: Für die Abschaltung aller Atomkraftwerke, für einen verantwortlichen Umgang mit dem Atommüll und für die Schliessung des Endlagerbauwerk Gorleben. Imm wieder betont der Zusammenschluss, dass er bewusst für alle Bauernfamilien offen stehen möchte. "Es spielt keine Rolle, ob sie ihre Betriebe konventionell, ökologisch, biologisch oder nach anderen Kriterien bewirtschaften, oder keine Rolle, welcher politischen Partei jemand angehört. Ein Landvolk-Mitglied kann genauso mitmachen wie jemand aus dem Bund der Milchviehhalter oder der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft", heißt es in der aktuellen Erklärung. "Diese Vielfalt gehört zum Wesen der zur Bäuerlichen Notgemeinschaft, seit ihrer Gründung vor mehr als 30 Jahren. Dass sie in all den Jahren in der Lage war, sie im gemeinsamen Widerstand gegen die Atomkraft zu bündeln, darin liegt ihre Stärke." Dabei spielt der Toleranzgedanke immer eine wesentliche Rolle.
Die Bäuerliche Notgemeinschaft bedauert die zunehmende Schärfe in diesen Auseinandersetzungen und ruft die Parteien zu einem zivilisierten Umgang miteinander auf. "Militante Aktionen, persönliche Diffamierungen und Unterstellungen machen jede Gesprächsbereitschaft zunichte und können langfristig das Klima in den Dörfern vergiften", so die Notgemeinschaft. "Und grade das Wendland, das seit Jahrzehnten bereits unter der Last der Atomkonfliktes leidet, sollte nicht noch ein zweites Schlachtfeld aufmachen."
BI: Ziel nicht aus dem Auge verlieren
Auch die Bürgerinitiative sieht keinen "Konfrontationskurs” zwischen Bäuerlicher Notgemeinschaft und BI Umweltschutz, wie ihn die Elbe-Jeetzel-Zeitung vermutet. "Die unterschiedliche Haltung zur industriellen Massentierhaltung würde einen Keil zwischen die großen Widerstandsgruppen treiben", heißt es dort. Für die BI entbehrt diese Behauptung jeder Grundlage. "Meinungsunterschiede in der Sache bzw. in der Frage, ob man sich zum Konflikt zwischen Gegnern und Befürwortern der Massentierhaltung positioniert, mag es geben, einen “Keil” aber, der da zwischen Notgemeinschaft und BI getrieben würde und Auswirkungen auf die Geschlossenheit in Sachen Gorleben und Atomkraft, hätte, können wir nicht erkennen", so Wolfgang Ehmke, Sprecher der BI in einer Stellungnahme.
Hier die vollständige Stellungnahme der BI zum Thema:
“Wir haben uns bisher zurückgehalten, weil wir als BI Umweltschutz zwei große Themen im Fokus haben: den Atomausstieg und die Förderung der Regenerativen Energien auf der einen Seite und das Atommülldilemma auf der anderen Seite. Unsere aktuellen Schwerpunkte sind der nächste CASTOR und die Frage, was bei einem Endlagersuchgesetz aus GORLEBEN wird. Und wir finden es wichtig, im Herbst geschlossen und entschlossen Widerstand zu leisten, um zu verhindern, dass es eine Endlager -Light- Fassung mit Gorleben im Pool gibt. Mit der Bäuerlichen Notgemeinschaft und den Aktivisten von ContrAtom gibt es in dieser Frage keinen Dissens.
Es gab in der Geschichte der BI nur einen Fall, in dem wir uns dezidiert auch öffentlich engagiert haben, obwohl es mit dem Thema Energiepolitik nichts zu tun hatte, da ging es um die militärischen Altlasten im Landkreis und die Verbrennung von Munition in Dragahn. Und das hatte unter anderem damit zu tun, dass Dragahn einmal Standort für eine Wiederaufarbeitungsanlage sein sollte.
Naturgemäß gibt es in einem Großverband wie der BI mit über 1000 Mitgliedern auch widerstreitende Meinungen zu anderen Themen – nicht nur des Umweltschutzes. Viele BI-Mitglieder engagieren sich gegen die Gentechnologie, andere gegen die industrielle Tiermasthaltung. Das ist auch naheliegend, denn wer über den Tellerrand schaut, erkennt, dass Großkonzerne nicht nur im Bereich der Energiepolitik sondern auch in der Landwirtschaft das Geschäft diktieren. So wie wir für die Dezentralisierung der Energiepolitik – also “small is beautiful” sind, so sympathisieren wir auch in diesem Politikfeld mit denjenigen, die für eine artgerecht Tierhaltung und gegen die Massentierhaltung eintreten.
Allerdings: Die Gleichung “Wer gegen Atomkraft ist, ist auch gegen Massentierhaltung” stimmt am ehesten in der umgekehrten Richtung:”Wer gegen Massentierhaltung ist, ist wahrscheinlich auch CASTOR-Gegner”.
Ein Großverband wie die BI muss jedoch eine Haltung zu dem aktuellen Konflikt finden, ohne das große Ziel Atomausstieg und Atommülllagerung aus den Augen zu verlieren.
Selbstjustiz und unqualifizierter Hetze gegen den Arbeitskreis Bäuerliche Landwirtschaft (ABL) und Tiermastgegner haben jetzt ein Maß erreicht, das wir uns solidarisch mit den Angegriffenen erklären. Vor allem sollte innerhalb des Landvolks (Anm.: das ist nicht die Bäuerliche Notgemeinschaft) diskutiert werden, wohin die Verunglimpfung einiger Exponenten des ABL und der Bürgerinitiativen gegen Tiermasthaltung führt: auch im Hinblick auf den nächsten Castorkonflikt.”
Foto: Andreas Conradt / publixviewing.de - Wenn es um Proteste gegen die Atomanlagen in Gorleben geht, sind Landwirte der Bäuerlichen Notgemeinschaft mit ihren Treckern (fast) immer dabei.