Thema: unfall

Tod am Baum - das soll nicht sein

Fast die Hälfte der Verkehrstoten in Lüchow-Dannenberg kamen im vergangenen Jahr durch den Zusammenprall mit einem Baum zu Tode. Viele davon auf der Kreisstrasse 1 zwischen Lüchow und Zadrau. Das soll sich ändern – am Donnerstag stellten Polizei, Verkehrswacht und Landkreis ihr Konzept vor, wie schwere Unfälle auf dieser Strecke verringert werden sollen.

Andreas Dobslaw weiß, warum ihm die jetzt wieder aufgelegte Kampagne des Landes besonders am Herzen liegt. Zu oft musste er schon hinausfahren und zusammen mit Feuerwehr und Notärzten schrecklich zugerichtete leblose Autofahrer aus zerquetschten Autowracks bergen. Heute ist Dobslaw Sachbearbeiter Verkehr bei der Polizei Lüchow und als „Verkehrsraumgestalter“ für die Sicherheit auf den Strassen zuständig.

Und Dobslaw weiß auch, wie das Hauptproblem zu umschreiben ist: „Einerseits sind es Straßenbäume, deren Gefahr immer wieder unterschätzt wird. Andererseits sind es immer wieder junge männliche Fahrer, die alkoholisiert und zu schnell mit dem Auto unterwegs sind.“ Dabei betont Dobslaw, ebenso wie sein Kollege Karl-Heinz Niebuhr von der Landesverkehrswacht, dass niemand die Bäume abholzen möchte. „Doch die Gefahr muss deutlich gemacht werden. Ein minimaler Fahrfehler, der normalerweise keine weiteren Folgen hätte, kann tödlich oder mit schweren Verletzungen enden, wenn Bäume die Straße säumen.“

Anschaulich schildert ein kleiner Flyer, den Polizei, Verkehrswacht und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) heraus gegeben haben, dass ein Sturz aus 21 Metern Höhe (7./8. Stockwerk) der Wucht eines Aufpralls mit 74 km/h entspricht. Und auf der Titelseite mahnt das Foto eines durch einen Baumaufprall in zwei Teile zerrissenen Autos daran, die Gefahr durch Straßenbäume nicht zu unterschätzen. Denn Umfragen haben ergeben, dass Autofahrer zwar mehrheitlich enge Kurven, schmale Straßen oder Wildwechsel als größte Gefahrenquellen im Straßenraum ansehen, aber lediglich 13 % halten Bäume am Straßenrand für gefährlich.

Insbesondere auf der Kreisstrasse 1 zwischen Lüchow und Zadrau kam es in den letzten Jahren immer wieder zu tödlichen Baumunfällen. „Wohl gemerkt, wir reden hier von einer Kreisstraße, keiner Bundesstraße“, erinnerte Karl-Heinz Niebuhr „und 21 Tote seit 1980 auf einer Kreisstraße – das ist für uns eine Katastrophe“.

Deswegen wollen Polizei, Verkehrswacht und der Landkreis Lüchow-Dannenberg auch dieses Jahr wieder in einer konzentrierten Aktion auf die Gefahren durch Bäume aufmerksam machen. Zunächst ist auf der K 1 eine 80 km/h-Zone eingerichtet worden, deren Einhaltung regelmässig, intensiv und „gnadenlos“ (so Dobslaw) durch die Polizei überwacht wird. Zum anderen wurden am Donnerstag am Straßenrand Großplakate installiert, die mit dem drastischen Foto eines in zwei Teile gerissenen PKWs und der Frage „Warum?“ auf das Risiko aufmerksam machen sollen.

Aber vor allem wollen Polizei und Verkehrswacht in den nächsten Wochen und Monaten moderierte Veranstaltungen an den Berufsbildenden Schulen sowie an den Gymnasien in Lüchow und Dannenberg anbieten. Den Fahranfängern sollen hierbei „Handlungsstrategien vermittelt werden, wie mit Konfliktsituationen im Straßenverkehr umzugehen ist.“ Denn wie gesagt: die meisten Opfer sind „jung, männlich, alkoholisiert und zu schnell unterwegs“.

Wie Dagmar Schulz, im Landkreis für Verkehrsangelegenheiten zuständig, ergänzte, sollen auch die jungen Frauen stärker einbezogen werden. Denn es ist längst bekannt, dass die Zustimmung der Frauen/Mädchen zum rasanten, alkoholisierten Fahren gerade junge Männer enorm anspornt. Deswegen soll auch in Lüchow-Dannenberg das sogenannte „Schutzengel“-Projekt gestartet werden. Im Landkreis Soltau-Fallingbostel gibt es das Projekt schon seit einigen Jahren - alle jungen Frauen im Alter von 16 bis 24 Jahren wurden damals vom Landrat zu „Schutzengeln“ ernannt. Sie erhielten einen „Schutzengelausweis“ mit der Bitte überreicht, ihren großen Einfluss auf die jungen Männer einzusetzen um Fahrten unter Alkohol- und Drogeneinfluss sowie das sinnlose Rasen zu verhindern. Als „Belohnung“ sozusagen erhalten die Schutzengel bei Vorlage ihres Ausweises zum Beispiel günstigere Preise in vielen Geschäften und verbilligte Eintrittskarten bei Freizeiteinrichtungen.

In Soltau-Fallingbostel soll das Projekt nach eigenen Aussagen sehr erfolgreich wirken. Nach Medienberichten sind die Unfallzahlen junger Menschen dort stark rückläufig. Im Landkreis Lüchow-Dannenberg soll das „Schutzengel“-Projekt federführend von der Jugendhilfe organisiert werden.

Aber auch die Sanierung der maroden Kreisstrasse 1 gehört mit zu den Unfall verhindernden Maßnahmen, die jetzt in Angriff genommen werden. „Doch aufgrund der schwierigen Finanzlage werden wir die Sanierung wohl erst 2011 durchführen können“, bedauerte Dagmar Schulz.

Als „Verkehrsraumgestalter“ ist Andreas Dobslaw sehr daran gelegen, dass alle beteiligten Behörden bei der Lösung des Problems gut zusammen arbeiten. „Verkehrsunfälle sind das Maß der Dinge, ob eine Straße funktioniert oder nicht“, so Dobslaw. „Dabei bin ich von der Polizeiseite her dafür zuständig, die anderen Ämter zu informieren, wo Unfallschwerpunkte sind, wodurch sie unserer Meinung dazu geworden sind – das Umsetzen geeigneter Maßnahmen liegt dann in der Hand der Kommunen und Straßenverkehrsbehörden.“ Alle zusammen müssen dann planen, wo welche Schutzplanken aufgebaut werden müssen, ob Blitzer oder spontane Geschwindigkeitsüberprüfungen mehr Effekt bringen, wo Straßen schlichtweg repariert werden müssen usw. usw.

Was übrigens die „Blitzer“ angeht, so hat der Kreistag des Landkreises schon vor längerer Zeit einen Beschluss gefasst, keine weiteren Blitzanlagen aufzustellen. „Einerseits lösen zu viele Blitzer in einer Region großen Ärger in der Bevölkerung aus. Andererseits bringen sie oft nicht den gewünschten Effekt. Denn die Autofahrer haben sich schnell untereinander darüber informiert, wo Blitzanlagen stehen und fahren dann eben konkret an dieser Stelle langsamer“, bewerten übereinstimmend Polizei und Landkreis den Sinn von Blitzanlagen. Trotzdem plant der Landkreis die Aufstellung zwei weiterer Blitzanlagen an anderen Stellen – damit wären dann in Lüchow-Dannenberg sieben Blitzanlagen im Einsatz.
Auf der Kreisstraße 1 allerdings helfen keine fest installierten Mess- und Überwachungsanlagen. Der riskante Straßenabschnitt ist rund zehn Kilometer lang – die Autofahrer sind also aufgerufen, hier auf der gesamten Strecke vorsichtig zu fahren.

Foto: Angelika Blank

PS: Im Oktober vergangenen Jahres hatte die Polizeiinspektion Harburg bereits eine ähnliche Aktion gestartet. Hier unser Video dazu.

 

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2009-02-12 ; von Angelika Blank (autor),

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