Der Landkreis wird für den Glasfaserausbau sehr viel tiefer in die Tasche greifen müssen als geplant. Es klafft eine deftige Finanzierungslücke von rund 13 Mio. Euro. Dennoch beschloss der Kreistag am Montag, dass die Planungen weitergehen sollen.
Es war keine einfache Diskussion, als es am Montag im Kreistag darum ging, ob die neue Kostenrechnung der Verwaltung für den Glasfaserbau akzeptiert werden kann. Vor allem die Abgeordneten von Grüne/Soli kritisierten eine „unsolide“ Rechnung und lehnten den Antrag ab, aufgrund der aktuellen Berechnungen in die konkrete Ausbauplanung einzusteigen.
Dennoch wurde entschieden, mit den aktuellen Berechnungen in den Glasfaserausbau einzustiegen.
Was bedeutet das nach derzeitigem Stand der Planung?
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Finanzierung: es fehlen noch rund 13 Mio. Euro, für die das Land eine Kreditaufnahmegenehmigung erteilen muss. Wird diese erteilt, so rechnet der Landkreis mit einer Kreditaufnahme von insgesamt 25,5 Mio. Euro. Der Kredit wird nach den Planungen aber langfristig über die BGG wieder zurückgezahlt, so dass dem Landkreis unter dem Strich keine Kosten entstehen.
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Netzbetreiber: Die Nutzer schließen den Anschlussvertrag mit dem Netzbetreiber - den der Landkreis inzwischen gefunden hat. Welcher das ist, war beim Kreistag immer noch nicht zu erfahren. Detlef Hogan, Geschäftsführer der Breitbandgesellschaft Lüchow-Dannenberg (BGG) teilte lediglich mit, daß es "keines der großen Unternehmen" ist.
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Tarife/Angebote: Die Nutzertarife sollen sich "im marktüblichen" Rahmen von 25 Euro aufwärts bewegen. Angeboten werden Komplettpakete inklusive Telefonie, Internet und Fernsehdiensten. Die Tarife können dann noch individuell angepasst werden. Genaueres wird erst voraussichtlich im Januar bekannt, wenn der Landkreis den Provider (Netzbetreiber) und seine Tarife vorstellt.
Für die Übergangszeit zwischen Kündigung eines Altvertrages bis zum Beginn des Neuvertrags bietet der Provider die kostenlose Nutzung des Glasfasernetzes an.
- Ausbau: Tauchen keine neuen Probleme und funktionieren die Pläne wie vorgesehen, dann soll im Juli 2018 mit dem Ausbau begonnen werden. Die ersten 50MBit-Anschlüsse stehen dann theoretisch im Februar 2019 zur Verfügung. Ende November 2019 sollen dann alle neun Cluster angeschlossen sein. Spätestens im März 2018 sollen die Bürgerversammlungen starten, auf denen alle offenen Fragen geklärt werden können.
UND DAS WAR DIE DISKUSSION IM KREISTAG
Detlef Hogan, Geschäftsführer der Breitbandgesellschaft Lüchow-Dannenberg (BGG), hatte zuvor mitgeteilt, dass sich die ursprünglichen geplanten Kosten von 32 Millionen Euro zwischenzeitlich auf 68 Millionen erhöht hatten. „Das ist den rasant gestiegenen Kosten für den Tiefbau und die Materialien geschuldet,“ erläuterte Hogan vor dem Kreistag.
Durch „Optimierungsmaßnahmen“ wie Hogan es nannte, sei es aber gelungen, die Kosten auf 49,2 Millionen Euro zu senken. Ein Teil davon ist die Umstellung der Technik. War es bisher geplant, physische Leitungen bis zu jedem Haus zu legen, so sollen Leitungen nur noch zwischen Übergabepunkten zum überregionalen Netz und den Netzverteilern gelegt werden. Bis hierhin werden die Daten gebündelt übertragen. Erst vom Netzverteiler aus werden die Übertragungsdaten wieder entbündelt und auf die einzelnen Anschlüsse verteilt.
Zum Optimierungskonzept gehört es auch, dass die Annahme, dass 100 % der
Hauseigentümer in den betroffenen Gebieten sich anschließen lassen,
zurückgenommen wurde. Jetzt wird davon ausgegangen, dass es rund 70 %
der Anschlussinhaber sein werden, die tatsächlich einen Vertrag abschließen
werden. Dieser Wert orientiert sich an den Zahlen aus Lüneburg und
Uelzen, wo in etwa solche Anschlussraten erreicht worden sind. Auch durch die geringere Anschlussrate lassen sich die Kosten für die Leitungsverlegung reduzieren.
Wer einen Anschluss haben will, kann aber weiterhin davon ausgehen, dass der Verteiler direkt ans Haus gelegt wird. Lediglich den Anschluss ins Haus hinein muss der Eigentümer selbst organisieren. Dabei wird von Seiten der BGG eine Mindestleistung von 50 MBits/s garantiert. Auch die Orte, die angeschlossen werden, entsprechen weiterhin den Ausschreibungsunterlagen. Lediglich sehr kleine Orte und Außenanlagen bleiben in der ersten Runde außen vor. Es wird angedacht, dass diese später durch Richtfunk angeschlossen werden.
Finanzierungsplan hängt unter anderem von Landesgenehmigung ab
Rund die Hälfte der Millionenschweren Investitionen sind durch Förderungen von Land und Bund gedeckt, den Rest wird der Landkreis vorerst durch Kreditaufnahmen finanzieren müssen. Denn durch die Verzögerungen bei der Regierungsbildung auf Bundesebene lässt sich bis auf Weiteres nicht klären, ob und wieviel zusätzlich Fördergelder von dort kommen können. Ebenso unklare Aussagen gibt es derzeit von der Landesregierung.
Da auf beiden Ebenen aber voraussichtlich rund 1 Mrd. Euro - auch -für die Finanzierung des Breitbandausbaus bereitgestellt werden, bleibt Hogan optimistisch, dass das derzeitige Defizit von 13,2 Mio Euro weiter gesenkt werden kann.
Risiken liegen auch in weiteren Zeitverzögerungen, die die Kosten noch mehr in die Höhe treiben würden, eine rasante Entwicklung der Technologie, die den Ausbau überrunden könnte oder weitere Finanzierungslücken. Das größte Problem sieht Hogan derzeit darin, dass die Landesregierung die Kreditaufnahme genehmigen muss. Dabei sieht das Konzept vor, dass der Landkreis zwar einen Kredit zur Finanzierung des Glasfaserausbau aufnimmt, diesen dann aber der BGG überträgt. Die Breitbandgesellschaft wird den Kredit dann im Laufe der Zeit an den Landkreis zurückzahlen. Dennoch hat das Innenministerium angekündigt, den Antrag genau prüfen zu wollen.
"Das größere Risiko ist der Nichteinstieg"
Vehemente Kritik an den Berechnungen der Kreisverwaltung übten Abgeordnete von Grüne und Soli. Hermann Klepper (Soli) zeigte sich gar "geschockt, wie wichtig das Thema hier genommen wird." Nicht nur nach seiner Ansicht sollten die Planungen zurückgestellt werden, bis es eindeutigere Aussagen über weitere Förderungen gibt. Kurt Herzog (Soli) und Heike Bade (SPD) gehen davon aus, dass die Berechnungen sich als fehlerhaft herausstellen werden und weitere Kostensteigerungen zu erwarten sind.
Herzog zweifelte außerdem an an, dass der sofortige Ausbau tatsächlich so wichtig ist. "Das ist keine Revolution. Wir werden da in etwas hineingedrängt," so Herzog. Auch Andreas Kelm (Grüne) mochte nicht einsehen, warum der Glasfaserausbau unter immensem Druck umgesetzt werden soll - trotz der erheblichen finanziellen Risiken.
Viel Kritik ging auch Richtung Bund und Land, die die Förderprogramme so unklar aufgelegt hätten, dass die Kommunen in massive Finanzierungsschwierigkeiten kommen würden.
Für Bernard Fathmann (Bürgerliste) war es dagegen eine klare Sache, dass der Landkreis in den Breitbandausbau einsteigen muss. "Selbst in Botswana habe ich flächendeckend Internet," so Fathmann. "Wenn dieser Landkreis nicht endgültig abgehängt werden soll, dann müssen wir in die Digitalisierung einsteigen. Das größere Risiko ist der Nichteinstieg."
Ähnlich sah es Olaf Henke (AfD): "10 % des Bruttosozialproduktes des Landkreises hängen von der Digitalisierung ab - das sind 110 Millionen," so Henke. "Wir können den Landkreis nur mit ausreichender digitaler Infrastruktur erhalten." Letztendlich würde der Kreistag über die Zukunftsfähigkeit dieses Landkreis entscheiden, so Henke.
Kurz vor der Abstimmung plädierte Landrat Jürgen Schulz noch einmal dafür, "jetzt nicht zögerlich zu werden. Für ihn ist der Breitbandausbau "Daseinsvorsorge".
Letztendlich beschloss der Kreistag mit breiter Mehrheit, dass die Planungen nach den vorgelegten Berechnungen weiter geführt werden sollen -wobei die "linke" Seite fast geschlossen dagegen stimmte. Lediglich der grüne Abgeordnete Matthias Gallei stimmte dafür.
Wie geht es jetzt weiter?
Die BGG geht davon aus, dass alle offenen Fragen bis zum Frühjahr geklärt werden können, so dass der erste Spatenstich im Juli erfolgen kann. Dann wird es insgesamt bis zu zwei Jahren dauern, bis alle zu versorgenden Bereiche ausgebaut sind.
Der Vertrag mit dem Netzbetreiber ist unterschriftsreif - hier sind nur noch formale Punkte abzuarbeiten. Mit dem Namen des Unternehmens wollte die BGG allerding noch nicht herausrücken. Detlef Hogan war nur zu entlocken, dass "die beiden großen Anbieter" nicht mitmachen wollten. Nach seinen Informationen werden sich die Tarife marktübliche "ab 25 Euro" aufwärts bewegen.
Anfang nächsten Jahres wird der Landkreis alle Grundstückseigentümer in den zu versorgenden Gebieten anschreiben und sie bitten, eine Einverständniserklärung für das Verlegen der Leitungen auf den Grundstücken zu unterschreiben. Eine Verpflichtung zum Vertragsabschluss ist damit nicht verbunden. Landrat Jürgen Schulz hatte bei einer früheren Gelegenheit schon dafür plädiert, diese Einwilligungserklärungen zu unterschreiben, um den Grundstückswert auch für folgende Generationen zu erhalten, auch wenn der Einzelne im Moment keinen Bedarf für einen schnellen Internetanschluss sieht.
Foto | pixabay.com : Informationen, Bildung, soziale Kontakte, Einkaufen, digitales Hausmanagement ... gerade auf dem Lande bietet schnelles Internet einfachen Kontakt zum Rest der Welt. Ganz abgesehen von den Möglichkeiten für Berufstätige, die vor explodierenden Mieten aus der Stadt aufs Land flüchten möchten. Nur mit schnellen Internetanbindungen können sie weiterhin ihren Berufen nachgehen. PS: nach einer Maklerumfrage vor einigen Jahren waren es damals schon rund 20 % der Hausinteressenten, die abgesprungen sind, wenn sie erfuhren, dass sie in dem Haus absehbar kein schnelles Internet haben können.