Thema: endlagersuche

Überforderte Politiker - Bürger müssen in die Suche einbezogen werden

Es ist ein Reinfall: Der Bundesumweltminister lädt zum großen Endlagerforum ein und genau die, die er dabeihaben muss, kommen nicht: Anti-Atom- Initiativen, Gorleben-Gegner, Greenpeace und der BUND. Der Kommentar von REBECCA HARMS erschien am 31.05.2013 im Tagesspiegel.

Ihre Begründung ist, dass die Politik von Berlin bis Stuttgart den Neuanfang der Endlagersuche nicht ernst meine. Es gehe den Politikern um die Schau. Am meisten um die Tagesschau. Und ansonsten weiter nur um die Durchsetzung Gorlebens. Andersherum wird aus der Politik mehr oder weniger offen der Vorwurf geäußert, die Gorleben-Gegner sähen ohne alljährliche Castorumzüge keinen Sinn im Leben und könnten sich deshalb nicht mit der Möglichkeit zum Endlagerkonsens abfinden.

Gesellschaftlicher Konsens und historischer Aufbruch klingen anders. Die Ablehnung der ersten öffentlichen Veranstaltung zeigt, dass es immer noch nicht geglückt ist, Vertrauen für den Prozess zur Endlagersuche zu schaffen.

Die Hast des Gesetzgebungsprozesses ist tatsächlich unvereinbar mit der Geduld, die für ernsthafte Beteiligungsverfahren gebraucht wird. Der Grund für diese Hast ist, dass der politische Kompromiss zum Neuanfang theoretisch nur bis zur Bundestagswahl gilt. Eine solche Aussicht ist ebenfalls kein Grund, Vertrauen zu fassen.

Die Frage ist: Was kann getan werden, um den Eindruck zu widerlegen, dass die geplanten Bürger-Anhörungen nur pro forma stattfinden und Mitsprache und Einflussnahme sogar über die geplante Enquetekommission nicht möglich ist? Bundesumweltminister Peter Altmaier und die Niedersachsen Stefan Weil und Stefan Wenzel haben mit ihrem Vorstoß für die Enquetekommission schon einmal eine Blockade gelöst. Sie könnten das noch einmal schaffen und zwar genau in der Logik ihrer ersten Verabredung: Die Enquetekommission, auf die sie sich verständigt haben, muss anders zusammengesetzt werden. Das korporatistische Modell gewährleistet nicht die unverzichtbare Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern, die an bestehenden und möglichen Standorten leben.

Bisher teilen sich Politiker sowie Verbands- und Interessensvertreter fast alle Plätze. Das wird dazu führen, dass alte Überzeugungen dem gemeinsamen Nachdenken, Überprüfen und Entscheiden im Wege stehen. Durch eine Vergrößerung der Kommission käme man aus dieser Klemme heraus.

Außerdem muss präzise geklärt werden, was die Kommission durch ihre Arbeit erreichen soll und wo und wie ihr Einfluss auf das Endlagersuchgesetz gewährleistet wird. Die wichtigste Aufgabe der Kommission ist, dass sie gemeinsam mit den Bürgern ein Verfahren zur Endlagersuche und seine Beteiligungs- und Entscheidungsregeln entwickelt. Vertrauen ist Voraussetzung für das Ziel, die Aufgabe der Endlagerung von Atommüll zu lösen. Bürger müssen wieder Vertrauen in die Politik entwickeln, aber die Politiker müssen auch den Bürgern Kompetenz in der Frage der Endlagersuche zugestehen.

Anti-Atom-Initiativen und Umweltverbände sind bereits über ihren Schatten gesprungen und haben sich entgegen ihrem jahrzehntelang beschworenen Dogma bereit erklärt, an einer verantwortlichen Endlagersuche mitzuwirken – auch wenn noch nicht alle Atomkraftwerke abgeschaltet sind.

Außer der Offenheit für echte Bürgerbeteiligung muss sich der Ton ändern, in dem über den Neuanfang geredet wird. Es mag absurd klingen, aber wer als Politikerin oder auch als Wissenschaftler Vertrauen gewinnen will für eine der nicht nur technisch schwierigsten Aufgaben unserer Zeit, muss als Erstes die eigene Überforderung zugeben.

35 Jahre nach der Standortentscheidung Gorleben wissen wir eben noch nicht, welches die beste und sicherste Methode der Endlagerung ist. Wir wissen aber, dass wir nach bestem Wissen und mit all unserem Können die Lösung klären müssen. Wer jahrzehntelang Auseinandersetzungen vor Gericht, in Parlamenten und immer wieder auf der Straße hinter sich hat, der kann sich anlässlich des Endlagerforums an diesem Wochenende nur wünschen, dass jetzt die Vernunft zum Zuge kommt.

Foto: Rebecca Harms (li.) beim Anti-Atomtreck im Jahre 2009



2013-06-02 ; von Rebecca Harms (autor),
in Erlöserkirche, Nöldnerstraße 43, 10317 Berlin, Deutschland

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