Thema: energie

Leitungsnetze: Strom und Gas in Bürgerhand?

Während in allen Bereichen Verwaltungen versuchen, ihre Abteilungen zu privatisieren, wird derzeit im Strombereich überlegt, ob Gemeinden womöglich die Stromleitungsnetze nach Ablauf der Konzessionsverträge "rekommunalisieren" sollten. In Lüneburg wird es bereits konkret: dort laufen die Verträge schon dieses Jahr aus.

Die langjährigen Konzessionsverträge zwischen Lüneburg und E.ON Avacon laufen dieses Jahr aus. Eine Möglichkeit für die Stadt, das Netz selber zu erwerben. Deswegen will die LINKE in Lüneburg nun, dass die Stadt das Stromleitungsnetz von der EON übernimmt. Doch die Stadtverwaltung äußert sich eher skeptisch, was die Übernehme der Leitungsnetze angeht. Da das Netz erst einmal gekauft werden müsste, so ein Sprecher im Rathaus, müssen zunächst betriebswirtschaftliche Berechnungen angestellt werden, ob eine Übernahme sich für die Kommune wirklich lohnt.  Dabei drängt die Zeit: am 4. Dezember tagt der Stadtrat - eine Entscheidung über die Übernahme muss aber bis zum 8. Dezember getroffen werden.

Andere Städte in Niedersachsen haben es bereits vor gemacht: Laatzen hat 2006 das Stromnetz von E.ON gekauft, Springe im Juli 2008.

Lüchow-Dannenberg hat bereits vergangenes Jahr damit begonnen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Zum Ende des Jahres 2007 hatte die Wirtschaftsprüfergesellschaft Göken, Pollak & Partner (gpp) im Auftrag von Region Aktiv eine Machbarkeitsstudie vorgelegt, in der sie mögliche Risiken, aber auch wirtschaftliche Potenziale analysierte. Die Empfehlung der gpp: die Interessen der Gemeinden sollten gebündelt und ein einheitlicher Konzessionsvertrag für alle Gemeinde abgeschlossen werden.

Als Kaufpreis für das gesamte Leitungsnetz in Lüchow-Dannenberg ging die gpp in ihrem Gutachten von (realistischen) 30 Mio. Euro aus. Weiter errechnete die gpp, dass von einem "nachhaltigen" Gewinn auszugehen ist, wenn die technische Betriebsführung, also die Instandhaltung und Wartung der Netze bzw. das Zähler- und Regulierungsmanagement, nicht mehr als 3,225 Mio. Euro pro Jahr kostet.

Allerdings laufen die Verträge nicht alle gleichzeitig aus. In Dannenberg zum Beispiel läuft der Konzessionsvertrag mit der EON Avacon erst 2021 aus, in Hitzacker 2012 und in anderen Teilgemeinden der Samtgemeinde Elbtalaue 2009, 2018 bzw. 2028.

Was die Übernahme der Gasleitungsnetze angeht, äußert sich die gpp eher skeptisch. Bei einem (angenommenen) Übernahme-Kaufpreis von 25 Mio. Euro für das gesamte Gasleitungsnetz berechnet die gpp für den Landkreis, aber auch für die einzelnen Teilgemeinden eher negative Umsatzerlöse. Dies liegt an der derzeit unklaren Höhe der Konzessionsabgaben.

Im Strombereich sieht der Wasserbeschaffungsverband Dannenberg-Hitzacker eine gute Chance, die Stromnetze, Trafohäuschen und Verteilstationen zu rekommunalisieren. Der Verband ist ein 100 prozentiges Tochterunternehmen der Samtgemeinde, die erwarteten Gewinne würden also öffentliche Kassen füllen. Für die Samtgemeinde Elbtalaue hatte die gpp - bei einem vorausgesetzten (Teil)-Kaufpreis von 9,851 Mio. Euro einen Umsatzerlös von 909 000 Euro pro Jahr errechnet.

wnet sprach mit Dr. Klaus Horchelhahn, Vorstand des Wasserbeschaffungsverbandes Dannenberg-Hitzacker über seine Pläne.

wnet: Die letzten Jahre wurden immer mehr Aufgaben der Kommunen privatisiert, nun soll der Stromnetz-Betrieb zurück in die Verwaltung geholt werden. Woher der Sinneswandel?

Horchelhahn: Die Idee ist nicht neu. In den letzten Jahren haben viele Kommunen die Netze zurück gekauft. Ich selber bin 20 Jahre in der Energiebranche tätig. Die Konzessionsverträge hier im Landkreis laufen in den nächsten Jahren aus. Und so ist die Idee geboren, zu prüfen, ob es Sinn macht, für die Gemeinden die Stromnetze selber zu betreiben, also zu rekommunalisieren.  

wnet: Was bedeutet das, ist das ein "virtuelles Geschäft" oder würden Sie wirklich die Stromleitungen kaufen?

Horchelhahn: Wenn die Gremien zustimmen, würde das bedeuten, dass wir das Netz kaufen würden. Also die Leitungen, alle Kabel, Verteiler und Trafostationen gingen dann in unseren Besitz über. Für den Kunden würde sich der Preis nicht erhöhen. Und der Vorteil für uns als Unternehmen ist, dass wir Geld verdienen. Außerdem würden in der Gemeinde Arbeitsplätze geschaffen werden und es gäbe eine Wertschöpfung in der Region.

wnet: Wie groß sind die Hürden, zum Beispiel europäisches Vergaberecht. Könnten z. B. auch ganz andere Betreiber aus den USA oder Frankreich  das Netz erwerben? 

Horchelhahn:
Die ersten Hürden sind nicht groß, da geht es nicht nach dem Vergaberecht. Wir gehen mal davon aus, dass alle Bewerber die Höchstabgabe der Konzession bezahlen.

Die Gemeinde kann dann also selber entscheiden. Sie muss mit allen Beteiligten reden, aber die Entscheidung ist frei. Allerdings muss die Entscheidung mit einer Begründung veröffentlicht werden.

wnet: Im Prinzip also ein konkurrenzloses Geschäft, aber auch ein risikoloses? 

Horchelhahn:
Das Geschäft an sich birgt natürlich auch Risiken - es ist kein einfaches Geschäft. Vor allem muss der Kaufpreis verhandelt werden und das ist naturgemäß das größte Risiko.

Foto:
Timo Vogt/bilderbeute

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2008-12-04 ; von r2d2/asb (autor),

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