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Umbettung: neue Ruhestätten für Kriegstote

Sie kamen als Kriegsgefangene nach Lüchow-Dannenberg, arbeiteten hier als Zwangsarbeiter auf den Höfen - und starben, bevor der Krieg sein Ende nahm. In ihre russische oder polnische Heimat kamen sie nie wieder zurück. Vergangene Woche wurden die Gebeine von insgesamt 17 Kriegstoten aus ihren Einzelgräbern geholt und an Gedenkstätten in der Region neu beigesetzt.

Irgendwo in der Ferne brummt ein Bagger, stört die idyllische Ruhe auf dem Gartower Friedhof. Doch zu sehen ist nichts. Erst nach einem längeren Gang ist der kleine Bagger der Samtgemeinde hinter einer mannshohen Thujahecke zu finden, beschäftigt damit, zwei versteckt gelegene Gräber von russischen Kriegsgefangenen auszuheben. Dirigiert wurde der Bagger von Erich Kowalke, der für eine der größten Umbettungsaktionen von Kriegstoten vergangene Woche eigens aus Buckow angereist war.

So wie auf dem Gartower Friedhof erging es vielen Gräbern von ausländischen Zwangsarbeitern, die in Deutschland während des Krieges zu Tode kamen: verscharrt am Rande des Friedhofs, beerdigt unter mehr oder weniger unwürdigen Umständen, gerieten sie im Laufe der Zeit in Vergessenheit oder wurden mit großen Anpflanzungen vom Rest des Friedhofes optisch getrennt. In Wustrow zum Beispiel war das Grab eines polnischen Zwangsarbeiters kaum noch aufzufinden, wie Jan Effinger vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) berichtete.

Nach dem Gesetz hat der Staat die Fürsorge für die Kriegsgräber zu übernehmen. So initiierten die Samtgemeinden Gartow, Lüchow und Dannenberg schon vor einiger Zeit, dass insgesamt siebzehn Kriegstote in eine würdige Ruhestätte innerhalb einer existierenden Kriegsgräberstätte umgebettet werden sollen.

Allein in der Samtgemeinde Gartow waren dreizehn Tote umzubetten, polnische und russische Zwangsarbeiter oder deutsche Soldaten, die während des Krieges zu Tode gekommen und auf den Friedhöfen in Brünkendorf, Nienwalde, Gartow, Meetschow und Lanze beerdigt worden waren. Aber auch in Dambeck und in Wustrow holte Umbetter Erich Kowalke Gebeine von vier Kriegstoten aus der Erde.

Ein Leben für die Kriegstoten

Genau weiß er es nicht, aber insgesamt hat Erich Kowalke in seiner über 30-jährigen Arbeit für den VDK über 20 000 Gebeine aus der Erde geholt, bei der Suche nach Vermissten geholfen und die Einrichtung einer neuen Gedenkstätte unterstützt. Kein Wunder, dass der passionierte Umbetter, der seinen Vater im zweiten Weltkrieg in Frankreich verloren hatte, genau weiß, was zu tun ist. Mit sicherer Hand dirigiert Kowalke den kleinen Bagger, stoppt ihn zentimetergenau über dem Sarg. Anhand der Erdverfärbungen erkennt Kowalke genau, wo das Skelett liegt. Dann beginnt die Arbeit mit Schippe und Grabgabel. Mit sicherer Hand tastet sich Kowalke durch die Erde und hat nach kaum zehn Minuten die gesamten Gebeine in einen gerade einmal 75 mal 40 mal 20 cm großen Pappsarg gesammelt.

Doch bei aller Routine vergisst Erich Kowalke nie, dass es Menschen waren, deren Knochen er aus der Erde holt. Mit der entsprechenden Achtsamkeit geht er deshalb bei seiner Arbeit vor, übersieht auch die kleinen Andenken nicht, die den Toten mit ins Grab gelegt worden waren, wie zum Beispiel ein kleines Bernsteinamulett. Und nie lässt es sich der Umbetter nehmen, bei der anschließenden Gedenkfeier dabei zu sein.

Sind Umbettungen notwendig?

Die Umbettungen fanden in der Region nicht nur Freunde. Pastor Udo Engel aus Wustrow zum Beispiel hätte das Grab des polnischen Zwangsarbeiters lieber auf dem eigenen Friedhof behalten, der Kirchenvorstand hatte sogar per Beschluss dagegen gestimmt, dass das Grab entfernt wird, doch die Samtgemeinde habe ohne weitere Rückmeldung an der Umbettung festgehalten, so Pastor Engel „So wird uns eine Gedenkmöglichkeit auf dem Wustrower Friedhof genommen“, bedauert der Wustrower evangelische Pastor.

Heinz-Adolf Klauck, bei der Samtgemeinde Lüchow zuständig für die Umbettung, wehrt sich gegen die Vorwürfe. Nach dem Kirchenvorstandsbeschluss habe er sich mit Pastor Engel mehrfach über die Angelegenheit besprochen und den Eindruck erhalten, dass die Umbettung letztendlich akzeptiert worden sei.

Elke Steiling, Vorsitzende des Kirchenvorstands in Meetschow, wo die Kriegsgräber regelmäßig gepflegt und mit Blumen geschmückt wurden, hatte ähnliche Bedenken wie Pastor Engel. Die ehemalige Lehrerin nutzte immer wieder die Gelegenheit, mit ihren SchülerInnen auf dem Friedhof die Erinnerung an die vielen Kriegstoten wach zu halten.  In Meetschow will der Kirchenvorstand nun wenigstens den ehemaligen Grabsteinen einen neuen Platz auf dem Friedhof geben, um der Opfer von Krieg und Gewalt weiterhin gedenken zu können.

In Gartow liegen nun die ehemaligen Zwangsarbeiter aus Polen und Russland inmitten von über 60 Gedenksteinen für gefallene deutsche Soldaten an der Kriegsgräberstätte am Ehrenhain. Über die Umbettung an diesen Platz, der bis dato deutschen Soldaten vorbehalten war, gab es dort keinerlei Diskussion – was vielleicht das sicherste Zeichen dafür ist, dass alte Konflikte endgültig überwunden sind.

siehe auch: "Gedenkstunde für russische Zwangsarbeiter"

Foto (Angelika Blank): Umbetter Erich Kowalke hat in seinem Leben schon einige zehntausend Kriegstote umgebettet - inzwischen hat er beinahe soviel Fachkenntnis über Knochenbefunde wie ein Rechtsmediziner.

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2012-09-24 ; von Angelika Blank (autor),
in Lüchow-Dannenberg, Deutschland

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