Bürger-Initiativen an den Atomstandorten in Niedersachsen haben zum ersten
Amtsjahr des grünen Umweltministers Stefan Wenzel in Hannover ein gemeinsames Fazit
gezogen. Mit einer Aktion vor dem Umweltministerium und der Übergabe eines
“Amtszeugnisses” verbanden die Anti-Atom-Initiativen ihre Kritik. Der Minister wiederum sieht die Bürgerinitiativen immer noch als "Bündnispartner".
Bisher habe sich nichts geändert, so lautet die nüchterne Bilanz der vereinigten Initiativen vor dem Umweltministerium in Hannover. Zu ihrer Aktion hatten sie ein (symbolisches) skelettiertes Pferd mitgebracht.
“Wenzel hat – im Unterschied zu seinen Amtsvorgängern Hans-Heinrich
Sander und Stefan Birkner (beide FDP) – eine profunde Kenntnis der
Probleme, er sucht das Gespräch, am Ende aber ist entscheidend, wie
gehandelt wird, da sind wir enttäuscht”, sagte Wolfgang Ehmke für die
Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. (BI).
Es sei dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) und
Stefan Wenzel zwar gelungen, das Standortsuchgesetz mit der
Endlagerkommission mit einem Hauch von Beteiligung der Zivilgesellschaft
und Offenheit zu garnieren. Die Kernforderung, Gorleben wegen der
geologischen Probleme endlich fallen zu lassen und damit endlich ein
offenes und faires Suchverfahren einzuleiten, wurde jedoch aufgegeben.
Das habe gravierende Folgen, denn statt einer neuen Endlagersuche kreise
nun zwei Jahre lang die Debatte offen oder versteckt doch nur um
Gorleben, so die BI.
Bisher seien noch nicht einmal die Ur-Altlasten des Gorleben-Prozesses
getilgt, die auf einen Plan B der CDU/CSU hindeuten: das
Planfeststellungsverfahren aus dem Jahr 1977, der Trick aus dem Jahr
1983, ohne Eröffnung eines atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens durch
einen bergrechtlichen Rahmenbetriebsplan in Gorleben Fakten zu schaffen.
Das sei immer noch nicht ausgeräumt.
Ehmke: “Gorleben ist immer noch Zielort für Atommülltransporte ins Zwischenlager und bietet eine – durchaus angreifbare – nukleare
Infrastruktur mit der Pilot-Konditionierungsanlage, die nicht mehr dem
Stand von Wissenschaft und Technik entspricht. Und: das novellierte
Atomgesetz enthält eine Lücke, so dass die fünf Castor-Behälter aus La Hague mit
mittelaktiven Abfällen im Jahr 2015 in Gorleben eingelagert
werden könnten. Jetzt erwarten wir von Rot-Grün in Hannover mehr als gutes Zuhören und Absichtsbekundungen, es muss gehandelt werden.”
Für den Niedersächsischen Umweltminister jedoch bleiben die Bürgerinitiativen trotz aller Kontroversen weiterhin „wichtige
Bündnispartner in der weiteren Abwicklung des Ausstiegs aus der
Atomenergie und der Gewährleistung einer größtmöglichen Sicherheit bis
zum letzten Betriebstag der Anlagen". „Wir ziehen an einem
Strang", sagte Wenzel anlässlich der Widerstandsaktion in Hannover.
Wenzel wies darauf hin, dass in Niedersachsen im vergangenen Jahr
die umfangreichen Sicherheitsüberprüfungen nach der Atomkatastrophe in
Fukushima fortgesetzt und erweitert wurden. Die Überwachung der Anlagen
wurde qualifiziert, zusätzliche und externe Sachverständige wurden
einbezogen. Verbesserungen des Katastrophenschutzes und die Ausweitung
möglicher Evakuierungsradien sind in Vorbereitung.
„Erstmals
seit über 30 Jahren konnte Dank der Initiative der Niedersächsischen
Landesregierung die Voraussetzung für eine neue Endlagersuche gesetzlich
geregelt werden", sagte Wenzel. „Zwischen Bundesregierung und Ländern
gibt es die feste Vereinbarung, dass keine weiteren Castoren nach
Gorleben geschickt werden. Das ist ein Meilenstein im Kampf gegen die
einseitige Belastung Niedersachsens mit den Folgen der
unverantwortlichen Atompolitik früherer Regierungen!"
Wenzel appellierte an die Vertreter der Bürgerinitiativen, sich einer
Beteiligung an der Kommission für die Suche nach einem Endlagerstandort
für den deutschen Atommüll nicht zu verweigern. „Die Nutzung der
Atomenergie birgt unkalkulierbare Risiken. Wir brauchen die maximale
Zusammenarbeit und wir brauchen das Know-how und das Engagement dieser
Experten, um die Folgen der atomaren Erblast zu bewältigen."
Foto / Michaela Mügge ... publixviewing: Umweltminister Stefan Wenzel (li.), sein Pressesprecher Rudi Zimmeck sowie BI-Sprecher Wolfgang Ehmke (re.) trafen sich bei der Widerstandsaktion in Hannover.