Letzte Woche setzte Bundes-Umweltminister Sigmar Gabriel gegen seinen niedersächsischen Kollegen das Druckmittel "Weisung" ein - Sander sollte endlich die längst überfälligen Sicherheitsnachweise für niedersächsische AKWs liefern. Doch trotz 89 Seiten Papier, die das NMU nach Berlin schickte, bleibt Gabriel bei seiner Weisung: die Unterlagen seien längst nicht vollständig, hieß es heute aus dem Bundes-Ministerium.
Mit einer scharfen Pressemitteilung wehrte sich Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander am Montag gegen die am Freitag erfolgte Weisung von Minister Gabriel. Er habe bereits am Vortage einen Bericht mit 89-seitiger Anlage an das Ministerium gefaxt und sei damit den Forderungen des BMU "in Umfang und Tiefe der Darlegungen z. T. weit über die anderer Länder hinausgegangen, deren Berichte vom BMU inzwischen akzeptiert wurden", heißt es in Sanders Pressemitteilung.
Besonders bedauerlich ist, dass Bundesminister Gabriel offenbar auch nicht weiß, welche Unterlagen in seinem Haus vorliegen, denn in seiner Weisung wird auf die übersandten Unterlagen nicht Bezug genommen. ... Bundesminister Gabriel verhält sich in dieser äußerst wichtigen Frage nicht sachlich und scheint Ziele zu verfolgen, die jenseits der Sicherheit der Kernkraftwerke liegen. Als Fachpolitiker hat er sich damit disqualifiziert, die atomrechtliche Aufsicht über die Bundesländer sollte ihm lieber früher als später entzogen werden", so Sanders Replik auf die Weisung Gabriels.
BMU-Pressesprecher Michael Schroeren dazu: "Woher will Minister Sander wissen, in welchem Umfang andere Länder berichtet haben? Im übrigen ist sein Bericht trotz der hohen Seitenanzahl bei weitem nicht ausreichend. Da wird es mit Sicherheit noch weitere Gespräche geben müssen. Umweltminister Gabriel hat Minister Sander erneut zu einem atomaufsichtlichen Gespräch geladen."
Minister Gabriel erinnerte noch einmal daran, dass Bund und Land der Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke verpflichtet sind. "Dazu gibt es lang eine klare Aufgabenteilung zwischen Bund und Land. Im Rahmen der Bundesaufsicht nimmt der Bund seine verfassungsrechtlichen Aufgaben wahr, die u.a. darin bestehen, gegenüber den Landesbehörden sicherheitsrelevante Fragen zu überprüfen. Dazu bedarf es der Informationsbereitschaft und -pflicht sowie eines Mindestmaßes an Kooperationsbereitschaft auf Seiten der Landesbehörden. Fakt ist: Seit April 2009 hat das Land Niedersachsen die Vorlage von Sicherheitsnachweisen verschleppt und zuvor vereinbarte Gesprächstermine verstreichen lassen. Erst auf massiven Druck der Bundesaufsicht hat das Land Unterlagen vorgelegt, die allerdings unvollständig sind." Also hält Bundesumweltminister Gabriel seine Weisung vom 03. Juli aufrecht.
Zur Stunde muss sich Umweltminister Sander im Umweltausschuss des Landtags den Fragen der niedersächsischen Abgeordneten stellen. Die Grünen fordern eine Unterrichtung des Umweltministeriums zu den Sicherheitskonzepten der niedersächsischen Atomkraftwerke in Lingen, Grohnde und Unterweser. Im Streit zwischen Minister Gabriel und Minister Sander stünden widersprüchliche Äußerungen zur Sicherheit der Atommeiler im Raum. Die Sicherheit von Atomkraftwerken dürfe nicht zum politischen Spielball werden.
Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gabriele Heinen-Kljajic: "Vor dem Hintergrund des neuen Störfalls am Altreaktor Krümmel muss geprüft werden, ob die Sicherheitsanforderungen noch ausreichen und wie die Atomaufsicht verbessert werden kann." Die grüne Politikerin betonte, dass nicht nur der Umweltausschuss des Landtags einen Anspruch auf Information zur Umsetzung von Sicherheitsanforderungen bei den AKW habe. "Atomaufsichtsbehörden dürfen sich nicht gegenseitig in der Presse mit Vorwürfen überziehen, ohne öffentlich zu erklären, ob die Kraftwerke in Niedersachsen weniger sicher sind als im übrigen Deutschland. Darauf haben die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch", so Heinen-Kljajic.
Hintergrund "Weisung":
Führen Länder Aufgaben im Auftrag des Bundes aus, so haben die Bundesbehörden nach Art. 85 Abs. 2 + 3 des Grundgesetzes das Recht, den Landesbehörden Weisungen zu erteilen, deren Vollzug diese dann sicherzustellen haben. Zu diesem Zweck kann die Bundesregierung Bericht und Vorlage der Akten verlangen und Beauftragte zu allen Behörden entsenden. Befolgt eine Landesbehörde die Weisung nicht, so kann der Bund eine sogenannte "Organklage" einreichen, um seine Weisung durchzusetzen.
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