Umweltminister Wenzel: Schwieriger Antrittsbesuch bei Gorlebengegnern

Nach seinem morgendlichen Besuch des Erkundungsbergwerks in Gorleben stellte sich Umweltminister Stefan Wenzel am Mittwoch Abend in Dünsche Fragen, Kritik und Befürchtungen wendländischer Gorlebengegner. Die Reaktionen waren gemischt.

Spektakuläre Neuigkeiten hatte der frischgebackene Umweltminister den wendländischen Widerständlern nicht mitgebracht. Im vollbesetzten Saal des Gasthauses Sültemeier in Dünsche bemühte sich Wenzel, seine Positionen deutlich zu machen.

Doch das, was die rund 200 Versammelten gerne hören wollten, mochte Wenzel einfach nicht einfach aussprechen. "Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass es letztendlich nicht doch ein Atommüllendlager in Gorleben geben wird," dämpfte er allzu hohe Erwartungen an seine Möglichkeiten. "Aber ich verspreche Ihnen, dass wir alles dafür tun werden, dass es Gorleben nicht wird." Außerdem solle man ihn "nicht nach dem beurteilen, was ich verspreche, sondern was ich tue."

Diese Relativierung der Gorlebenfrage schmeckte vielen Anwesenden gar nicht. Lieber hätten sie gehört, dass sich der grüne Umweltminister "klar, deutlich und definitiv" gegen ein Endlager für atomaren Müll in Gorleben ausspricht. Doch Wenzel blieb Realist: "Derzeit haben wir die Situation, dass vermutlich alle 15 Bundesländer außer Niedersachsen dem vorgelegten Entwurf für ein Endlagersuchgesetz zustimmen werden," machte er die politischen Realitäten deutlich. "So wie das Gesetz derzeit gestaltet ist, werden wir ihm nicht zustimmen können."

Aber selbst eine fehlende Zustimmung Niedersachsens würde nicht zwangsläufig die Genehmigung des Endlagersuchgesetzes blockieren. Niedersachsen ist eben nur eines von 16 Bundesländern. "Und in der Frage der Endlagerung nimmt die Solidarität mit Gorleben mit wachsender Entfernung dynamisch ab," so Wenzel. "Solange Gorleben als Endlagerstandort gehandelt wird, bleiben andere Regionen von den langwierigen Auseinandersetzungen verschont, die wir hier seit Jahrzehnten zu führen haben."

Trotzdem wird die niedersächsische Landesregierung alles tun, um die Zementierung von Gorleben als Müllabladeplatz für hochradioaktive Stoffe zu verhindern - das zumindest versprach Wenzel.

Hier noch einmal zusammengefasst die Positionen des neuen Umweltministers:
  • Gorleben ist geologisch ungeeignet und soll in einem Endlagersuchgesetz nicht aufgenommen werden
  • das Endlagersuchgesetz wird einer intensiven rechtlichen Überprüfung unterzogen
  • das Thema der Rückstellungen der Energiekonzerne ist viel zu lange vernachlässigt worden
  • ein untertägiges Salzlabor sieht Wenzel kritisch und bezweifelt, ob es zulässig ist
  • der Vertrag über Einrichtung und Betrieb einer Pilotkonditionierungsanlage von 1997 soll "wie alle Atomanlagen" im Lande überprüft werden 
  • für die Endlagerung will Wenzel auf jeden Fall eine nationale Lösung finden; kein Export ins Ausland
  • Sicherheitskriterien sind Wirtsgesteinsabhängig aufzustellen und durch Abwägungskriterien und ein Bewertungsscheme der Ergebnisse zu ergänzen.
  • Salz schließt Wenzel als Einlagerungsmedium nicht grundsätzlich aus, aber: jeder, der Salz als Medium benutzen wolle, müsse nachweisen, warum es die bestmögliche Lösung sei.
  • die Sicherheitsphilosophie für Zwischenlager muss überprüft werden, da der Endlagersuch-Prozess wesentlich länger dauert als ursprünglich angenommen. 

Wie im Wendland nicht anders zu erwarten, fielen die Reaktionen der Gorlebengegner eher gemischt aus. "Zu viele Minister haben wir schon kommen und gehen sehen, als das wir zu einem weiteren blindes Vertrauen haben können," drückte einer der Anwesenden die Stimmung der Mehrheit aus. Immerhin: Wenzel wurde freundschaftlich begrüßt und mit einem Abschiedsgeschenk nach Hannover "entlassen".


REAKTIONEN:

Bäuerliche Notgemeinschaft: Wenzel bisher der kompetenteste Minister

"Stefan Wenzel ist der bislang kompetenteste Minister, wenn es um Fragen der Atompolitik geht", das hat sich in den Augen der Bäuerlichen Notgemeinschaft einmal mehr bestätigt. Nach Einschätzung der Bäuerlichen Notgemeinschaft lag der Austausch der Argumente zwischen Publikum und Minister auf einem hohen fachlichen Niveau.

Unklar blieb für die Landwirte jedoch, welche Konsequenzen Wenzel für die Verhandlungen zum Endlagersuchgesetz zieht. "Wir konnten nicht erwarten, dass Wenzel die Verhandlungsstrategien der Landesregierung offenliegt," meint die Notgemeinschaft. "Auch wir sehen den immensen politischen Druck auf die Landesregierung, dem Endlagersuchgesetz zuzustimmen." Die persönliche Begegnung zwischen Widerstand und Minister war denn auch für die Bauern der Sinn des Abends: "Er hat um unser Vertrauen geworben und wirkte glaubwürdig."

Einen Freibrief kann Wenzel aber nicht mit nach Hannover nehmen: "Nur, wenn Ihr Eure Versprechen einlöst, werden wir Euch unterstützen." Eine der Zusagen des Ministers ist, für mehr Offenheit und Transparenz zu sorgen. Er versprach, mit dem nächsten Besuch nicht zu lange zu warten. Denn viele wichtige Fragen mussten an diesem Abend offen bleiben – nicht zuletzt auch die nach dem nächsten Castortransport mit Atommüll, der für 2015 angekündigt ist.

BI - Wenzel auf Durchreise / "Licht und Schatten"

"In der Sache kompetent, aber in den Aussagen, wie es mit der Endlagerdebatte weitergehen kann, verhalten und zum Teil schwammig, es gab Licht und Schatten", so bewertet die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) den ersten Auftritt des Grünen-Politikers in seiner neuen Rolle. Wenzel wisse, wovon er spricht, anerkennt die BI.

"Wie sich Niedersachsen jetzt bei den Gesprächen über ein Endlagersuchgesetz in Berlin positionieren wolle, welche Vorschläge das Land unterbreiten wolle, um aus der verfahrenen Situation heraus zu kommen, ließ er offen", resümiert BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. "Wir drängen darauf, dass zur Bedingung vor einem Gesetz gemacht wird, die lange überfällige Atommülldebatte zu führen, die Öffentlichkeit angemessen zu beteiligen und die Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten", so die BI.

Niedersachsen sei schließlich nicht länger Spielball, sondern müsse den Ball spielen, weil es ohne das Bundesland, das mit der Asse II, dem Schacht Konrad und Gorleben die Hauptlast des Atommülldesasters getragen hat, keine Lösung gibt. "Die Mär der Eignungshöffigkeit Gorlebens wird immer noch fortgesponnen", bedauert der BI-Vorsitzende Martin Donat mit Blick auf das Statement der Bergleute. In Gorleben wurde unter dem Deckmantel der Erkundung ein Endlagerbergwerk aufgefahren, die gravierenden geologischen Mängel wie Wasserkontakt und Gaseinschlüsse seien ignoriert worden.

SOLI: Wenzel umgibt sich mit Nebel

Die Kreistagsfraktion der Sozial-Oekologischen-Liste Wendland (SOLI) zeigte sich nach dem Besuch des neuen Niedersächsischen Umweltministers Stefan Wenzel enttäuscht. „Seine Aussage „an unseren Taten sollt ihr uns messen“ klingt gut, aber zu hören war von zumindest vorgesehenen Taten nichts“, monierte der SOLI-Sprecher Kurt Herzog.

Es bringe z.B. überhaupt nichts, wenn Wenzels Partei, die Grünen, und auch Wenzel selbst sich für eine der Endlager-Gesetzgebung vorgeschaltete öffentliche gesellschaftliche Debatte aussprächen, aber Wenzel dann die Positionen der neuen rot-grünen Landesregierung, mit denen sie in Gespräche mit Altmaier geht, trotz mehrerer Nachfragen im Dunkeln ließ.

Ohne diese Debatte über Grundsatzfragen wie die Art der Aufbewahrung oder Sicherheitsanforderungen könne wieder nur ein fauler politischer Parteienkompromiss herauskommen. Herzog kritisierte auch, dass Wenzel trotz der havarierten Salz-Atommülllager Asse und Morsleben und der erdrückenden geologischen k.o.-Mängel in Gorleben eine Endlagerung in Salz nicht ausschließen wolle.

Auch die Frage, wie er die vom Landtag beschlossene Aussetzung von zukünftigen Castor-Transporten umsetzen wolle, blieb nach Ansicht von Herzog unbeantwortet. „Da treibt ihn jetzt der ehemalige Umweltminister Birkner im Landtag mit entsprechenden bohrenden Fragen vor sich her“, stellte Herzog fest. Er bemängelte auch, dass Wenzel die Manipulationen bei den Messwerten am Gorlebener Zwischenlager nicht in sofortiges Handeln münden lasse. 

Foto / Andreas Conradt: Auch für einen grünen Umweltminister ist es nicht leicht, seine Positionen den wendländischen Gorlebengegnern zu vermitteln ...




2013-03-21 ; von Angelika Blank (autor),
in Dünsche, 29494 Trebel, Deutschland

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