Noch im April war die Endlagerkommission der Ansicht, dass der Abschlussbericht ausführlich in der Öffentlichkeit diskutiert werden sollte, bevor er an den Bundestag übergeben wird. Daraus wurde nichts: der am 27. Juni beschlossene Endbericht wurde heute an den Präsidenten des Bundestages Lammert übergeben.
Anfang April hatte das Kommissionsmitglied Matthias Miersch (SPD) vehement dafür plädiert, dass der Abschlussbericht zwar im Juni fertiggestellt, dann aber "über den Sommer noch Voten und Stellungnahmen einzusammeln". Nach Miersch' Vorschlag sollte dann erst Ende August entschieden werden, was davon in den endgültigen Bericht übernommen wird. Trotz der Unterstützung durch den BUND sowie durch Jörg Sommer (Deutsche Umwelthilfe) und Sylvia Kotting-Uhl (Grüne) wurde daraus jedoch nichts. Auch Anträge auf Verlängerung der Kommissionsarbeit durch u.a. die LINKE wurden abgelehnt.
Hintergrund: Viele Kommissionsmitglieder hatten Bedenken, den Bericht fristgerecht bis Ende Juni fertig zu stellen, da es noch viele zentrale Punkte gab, für die teilweise erst in der abschließenden Nachtsitzung am 27. Juni Formulierungen gefunden werden konnten. Schon vor Monaten hatten Umweltverbände und Anti-Atom-Initiativen darauf hingewiesen, dass die Zeit nicht ausreichen würde, um fundierte Empfehlungen in allen wichtigen Bereichen (z. B. Endlagerkriterien und Öffentlichkeitsbeteiligung) abgeben zu können.
Die Kommission hatte durch das 2013 beschlossene Standortauswahlgesetz den Auftrag erhalten, nicht nur das Gesetz selbst zu überprüfen sondern vor allem Endlagerungskriterien, den Prozess zur Standortauswahl sowie Vorschläge zur Art der Öffentlichkeitsbeteiligung zu machen.
Umweltverbände und Landespolitiker hatten den Bericht bereits Anfang der Woche scharf kritisiert (wnet-Bericht dazu). Vor allem die Tatsache, dass der Salzstock Gorleben im weiteren Standortauswahlverfahren bleibt, verärgerte die Gegner eines Endlagers in Gorleben.
Für Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Initiative ausgestrahlt! ist der angekündigte Neustart "in Wahrheit ein Griff in die Trickkiste der Vergangenheit. Bürgerbeteiligung wird versprochen,
ohne sie wirklich zu wollen und zu organisieren.“
Zu
einer Protestaktion reiste deshalb eine Delegation der Bäuerlichen
Notgemeinschaft Lüchow-Dannenberg mit dreizehn Traktoren nach Berlin. Sie fuhren in einem Konvoi durch das
Regierungsviertel zwischen Reichstag und Kanzleramt. Abschluss war eine
Protestaktion mehrerer Anti-Atom-Initiativen auf der Kronprinzenbrücke nahe der Bundespressekonferenz.
"Es ist bei der Protestaktion wohl endlich rübergekommen, dass es uns nicht nur um Gorleben geht, sondern um die durch die Endlagerkommission aufgeweichten Sicherheitskriterien, die letztendlich auch andere Standorte betreffen," so Ehmke nach der Protestaktion in Berlin.
BI: Gutachten durch Wirtschaftsstiftung finanziert
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) sah sich erst vergangene Woche in ihrer Annahme bestätigt, dass die früheren Entscheidungen für den Salzstock Gorleben politisch motiviert waren. Süddeutsche Zeitung und Westdeutscher Rundfunk hatten aufgedeckt, dass die wirtschaftsnahe Hans-Georg-Martini-Stiftung unter
anderem ein Gutachten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) prämiert hat, das die Eignung des Salzstocks
Gorleben-Rambow als nukleares Endlagers unterstellt. Daraufhin forderte die BI, dass die BGR jetzt "Ross und Reiter" benennt.
Die BI vermutet, dass die Autoren der Studie "Standortbeschreibung
Gorleben Teil 3 - Ergebnisse der über- und untertägigen Erkundung des
Salinars" aus dem Jahr 2008 zu den Preisträgern der Martini-Stiftung
gehören. Dort heißt es nämlich: "Trotz der noch nicht abgeschlossenen
Erkundung des Erkundungsbereiches 1 (EB 1) kann nach den bisherigen
Untersuchungen festgestellt werden, dass aus geowissenschaftlicher Sicht
keine Erkenntnisse aus dem Salinar gegen die langzeitsicherheitliche
Eignung des Salzstocks Gorleben für die Endlagerung radioaktiver Abfälle
vorliegen."
Weil und Wenzel wollen ins Wendland kommen
Die Bundesländer Sachsen und Bayern sind mit dem Abschlussbericht der Kommission ebenfalls nicht einverstanden. Sie legten einen Sonderbericht zum Bericht der Endlagerkommission vor, weil sie vor allem mit dem Verbleib von kristallinem Gestein als geeignetem Endlagerungsgestein nicht einverstanden sind. (Hintergrund: Kristallines Gestein kommt vor allem in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen vor). "Das Verhalten von Bayern und Sachsen spricht eine klare Sprache, am Ende des angeblichen 'Suchprozesses' soll Gorleben stehen,“ erklärte Martin Donat, Vorsitzender der BI am Dienstag in Berlin.
Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel wertete den Bericht dagegen als Erfolg. "Die
alten Pläne der Atomindustrie und früherer Regierungen sind damit vom Tisch. Der Bericht eröffnet die Chance auf einen Neubeginn", untermauerte Wenzel am Montag seine Einschätzung.
Mit dem Abschlussbericht seien in großer Einmütigkeit Kriterien für eine neue Endlagersuche vereinbart worden, die bei einer fairen Anwendung „jegliche Fortschreibung der alten Einlagerungspläne ausschließen", so Wenzel weiter. „Die neuen Sicherheitsanforderungen in Verbindung mit Vorgaben für die Fehlerkorrektur, die Maximaltemperatur, das Deckgebirge und das Wirtsgestein sind in Gorleben nicht zu realisieren!". Damit bestehe endlich die Chance den Ort und die Lagermethode zu finden, die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik die bestmögliche Sicherheit für lange Zeit garantieren.
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. (BI) und die
Bäuerliche Notgemeinschaft (BN) wollen sich mit dieser Einschätzung nicht zufrieden geben. Sie luden sowohl Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) und
Umweltminister Stefan Wenzel zu einer öffentlichen
Veranstaltung ins Wendland ein. Beide hätten umgehend zugesagt, so die BI. Am 27. August soll über die Fragen diskutiert werden, ob mit dem vorgeschlagenen
Verfahren ein faires und allein wissenschaftlich basiertes Suchverfahren
durchgeführt werden kann und was der Bericht für den potenziellen Endlagerstandort Gorleben bedeutet.
Foto / Kina Becker : Protest vor dem Kanzleramt gegen den Schlussbericht der Endlagerkommission.