Am Donnerstag hat in Berlin der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zu Gorleben seine Arbeit aufgenommen. Der Ausschus soll untersuchen, ob der Standort Gorleben aus politischen und nicht aus wissenschaftlichen Gründen gewählt wurde. Schon nach dem ersten Arbeitstag geben Gorlebengegner und die CDU/CSU völlig unterschiedliche Einschätzungen ab.
Für die Bürgerinitiative Umweltschutz (BI) Lüchow-Dannenberg begann der parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) Gorleben mit einem "Knaller": der als einer der ersten Zeugen berufene Geologe Jürgen Kreusch hat das Endlager-Auswahlverfahren der 70er Jahre unter die Lupe genommen und attestiert in seinem Bericht - unter Berücksichtigung des Standes von Wissenschaft und Technik der damaligen Zeit - für die Wahl Gorlebens "schwammige" Kriterien.
Allerdings durfte Kreusch nach Informationen des Internetportals "Der Westen" diese oder andere konkrete Kritikpunkte dem Ausschuss nicht vortragen. Die Ausschuss-Vorsitzende Maria Flachsbarth (CDU) habe dies jedoch umgehend unterbunden, schreibt das Internetmagazin in seinem Artikel "Im Gorleben-Ausschuss ist Gorleben kein Thema". Zitat: "Der Sachverständige solle sich auf allgemeine Erklärungen zu der „sehr komplexen Materie der Endlager-Suche“ beschränken. Diese Ankündigung führte zu hitzigen Diskussionen unter den Mitgliedern des Auschusses und schlißelich zu einer Unterbrechung der Sitzung."
Zur Entscheidung, nach Auswertung des Tiefbohrprogramms 1982/83, in Gorleben die sogenannte untertägige Erkundung, also das Abteufen von Schächten zu beginnen, schreibt Kreusch laut "SPIEGEL": "Die Ergebnisse der Berechnungen rechtfertigen die Entscheidung für die untertägige Erkundung nicht." Für besonders problematisch hält der Geologe einen Begriff, der in der Gorleben-Debatte immer wieder zu hören ist: die Eignungshöffigkeit.
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) hatte wiederholt darauf hingewiesen, dass dieser Begriff ein "politischer Kampfbegriff" sei, der an keiner Stelle durch wissenschaftliche Beweisführung gesichert sei. BI-Sprecher Wolfgang Ehmke:" Der Begriff soll in der Öffentlichkeit suggerieren, Gorleben sei geeignet. Richtig ist, die Hoffnungen auf Gorleben kann man im Salz begraben."
"Unterdessen drängt die CDU/FDP-Koalition darauf, bei der Absenkung von Sicherheitsanforderungen für Endlagerung Fakten zu schaffen, die auf Gorleben zugeschnitten sind," fürchten die Gorleben-Gegner. Von der Öffentlichkeit wenig beachtet wollten die CDU/FDP-Koalition im Bund und die unionsgeführten Länder bereits am 10.Juni im Bund - Länder Hauptausschuss "Atomkernenergie" die Sicherheitsanforderungen für die Endlagerung von hochradioaktivem Atommüll beschließen. Nach Lage der Dinge plant Schwarz/Gelb, die Anforderungen im Vergleich zu dem Entwurf von Juli 2009 zu senken. Dieser Beschluss wurde jedoch kurzfristig vertagt. Wie die BI mitteilte, will die Koalition auf Grundlage dieser Sicherheitsanforderungen im Jahr 2011 eine vorläufige "Sicherheitsanalyse" für Gorleben erstellen, die im Jahr 2012 von einer internationalen Peer Review Group abgesegnet werden soll.
Die BI fürchtet: "Damit will man Raumordnungsverfahren, Endlagersuchverfahren, Umweltverträglichkeitsprüfung und Planfeststellungsverfahren nach Atomrecht umgehen und nebenbei noch die Klagerechte aushebeln - das wäre Gorleben durch die kalte Küche, das litaneihafte Gerede von Öffentlichkeitsbeteiligung und Transparenz wird sich endgültig als Röttgensprech entpuppen."
CDU/CSU: Opposition schießt Eigentor im Untersuchungsausschuss
Aus Sicht der Bundestagsfraktion der CDU/CSU wurde die Entscheidung für die Aufnahme der untertägigen Erkundung des Salzstocks Gorleben 1983 auf der Grundlage des gültigen Stands von Wissenschaft und Technik getroffen. "Die deutsche Endlagerforschung belegte damals wie heute weltweit einen Spitzenplatz. Unbestreitbar gilt Salz bis heute als gut geeignetes Wirtsgestein für ein Endlager von hochradioaktiven Atomabfällen. Es ist unverantwortlich, wenn die Opposition durch wissenschaftlich haltlose Behauptungen versucht, die Menschen zu verunsichern. Es ist unverantwortlich, den Unterschied zwischen Laugeneinschlüssen, die gerade das Isolationspotenzial des Salzstocks Gorleben über Jahrmillionen hinweg belegen, mit dem Laugenzutritt, wie in der Asse, zu verwechseln", heißt es in einer Mitteilung der CDU/CSU-Fraktion nach dem ersten Arbeitstag des Untersuchungsausschusses.
Es ist unverantwortlich, den Menschen Angst zu machen wegen einer angeblich nicht hinreichenden Mächtigkeit des Deckgebirges in Gorleben, obwohl Stand von Wissenschaft und Technik das Mehrbarrierenkonzept ist. Danach kommt es auf die Sicherheitsreserve durch mächtige Salzvorkommen an. Das Deckgebirge besitzt dagegen nur noch eine untergeordnete sicherheitstechnische Relevanz. Die Opposition hat ein Eigentor geschossen, indem der von ihr bestellte Sachverständige die Eignungshöffigkeit des Salzstocks Gorleben in Frage stellt, obwohl gerade die rot-grüne Bundesregierung noch im Jahr 2000 im Atomausstiegsvertrag die Eignungshöffigkeit von Gorleben bestätigt hat.
Das zeigt die mangelnde Seriosität der Gorlebengegner. Würde man den Vorstellungen der Opposition folgen und ein völlig neues Standortauswahlverfahren für ein Endlager durchführen, würde man die Lösung der Entsorgung der hochradioaktiven Atomabfälle viele Jahrzehnte verschieben und den nachfolgenden Generationen überlassen. Das ist genauso unverantwortlich wie eine jahrzehntelange Lagerung des Atommülls in oberirdischen Zwischenlagern. Die ergebnisoffene Erkundung muss jetzt zügig fortgesetzt werden.
Wir werden die Aufklärungsarbeit im Untersuchungsausschuss entschlossen vorantreiben und bereits am 1. Juli mit der Zeugenvernehmung beginnen. Dafür liegen uns alle Akten der interministeriellen Arbeitsgruppe zur Prüfung der Vorwürfe des ehemaligen Umweltministers Sigmar Gabriel vor. Der Vorwurf der Opposition, die Bundesregierung habe bisher Akten nicht korrekt geliefert, ist abwegig. Wir bedauern die Tricksereien der Opposition, eine Sachverständigenanhörung zum Stand von Wissenschaft und Technik zu einem Anti-Gorleben-Tribunal zu missbrauchen.
Anmerkung: in den vom Bundes-Umweltministerium im Juli 2009 endgültig verabschiedeten Sicherheitsanforderungen ist größtenteils nur vom "einschlusswirksamen Gebirgsbereich" die Rede. Lediglich in einem kurzen Absatz wird gefordert, dass die "Sicherheit des Endlagers nach seiner Stilllegung durch ein robustes, gestaffeltes Barrierensystem sicherzustellen" sei. Dieses System soll seine Funktionen passiv und wartungsfrei erfüllen und seine Funktionstüchtigkeit selbst für den Fall in ausreichendem Maße beibehalten, falls einzelne Barrieren nicht ihre volle Wirkung entfalten. Mehr wird zu diesem Thema in den Sicherheitsanforderungen jedoch nicht ausgeführt.
Foto: Andreas Conradt / Publixviewing - Umzingelung des Atommüllendlagergeländes in Gorleben während des Erinnerungs- und Aktionswochenendes anlässlich "30 Jahre Republik Freies Wendland" am 05. Juni 2010
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