Startup: Upcycling - neue Ideen für alte Dinge

In Zeiten überbordender Müllberge wird das Upcyclen (Aufwerten) alter Dinge immer beliebter. Auch auf der Kulturellen Landpartie lassen sich zahlreiche Beispiele für wiederbelebten Zivilisationsabfall finden.

Viele erinnern sich noch an die Zeiten, in denen jüngere Geschwister gnadenlos die Hosen, Röcke, Blusen und Hemden der älteren Geschwister "auftragen" mussten. Da wurde geändert, angenäht und abgeschnitten, solange der Stoff hielt. Weggeschmissen wurde nur wenig, gegebenenfalls konnte es ja noch von Cousin, Cousine oder den Kindern von Freunden getragen werden.

Und Elektrogeräte wurden gehütet wie ein Schatz, wurden zum Reparieren auseinandergeschraubt, auch innen gereinigt und sorgfältig wieder zusammengebaut. Geräte, die sich zum Reparieren nicht öffnen ließen, galten als Billigware und wurden möglichst nicht gekauft.

Damals war es der Not geschuldet. Heute gibt es immer mehr Menschen, die die ständig wachsenden Müllberge der Wegwerfgesellschaft nicht mehr akzeptieren wollen - und die einen Widerwillen gegen uniforme Billigkleidung entwickelt haben, die zudem noch unter unzumutbaren Arbeitsbedingungen bei Billigstlöhnen produziert wurden. Das schlechte Gewissen wächst - ebenso wie der Wunsch nach pfiffigen, einmaligen Produkten.

Upcycling - ein großes Thema im ökologischen Design

Auch auf der Kulturellen Landpartie ist "Upcycling" längst angekommen. Das Thema nimmt dieses Jahr beinahe mehr Raum ein als der Widerstand gegen Gorleben. An unzähligen Punkten lassen sich Produkte finden, die aus alten Materialien entstanden sind. Ob Silberbesteck, alte T-Shirts, Werkzeuge, Kunststoffplanen oder ausgediente Möbelstücke - sie alle dienen als Ausgangsmaterial für neue Produkte. Von Kunst bis Kitsch.

Zum Beispiel die "Grüne Werkstatt Wendland (GWW)" (Ausstellung in Kukate): Für die Design-Studenten, die sich seit Jahren an den "Design Camps" der GWW beteiligen, ist es meist selbstverständlich, nach Lösungen zu suchen, die vorgegebene Strukturen oder Materialien nutzen. Im Rahmen des Design Camps entstanden schon Vogelnistkästen aus Restmaterialien der Werkhaus-Produktion oder fast hauchzarte Lampen aus Gummiringen und Kunststoffstücken.

Zum Beispiel Mareike Scharmer (Beesem): Die Designerin beschäftigte sich mit der ideenreichen und farbigen Umgestaltung alter Gegenstände schon, als diese Gestaltungsrichtung noch "Wiederaufarbeitung" hieß und eher in die schräge Nische gehörte. "Warum soll ich mit neuen Materialien arbeiten, wenn alte Möbel, Tische und Stühle massenweise herumstehen und nicht mehr gebraucht werden?," ist sie überzeugt. Aber weil sich nicht alle Ideen mit alten Werkstoffen verwirklichen lassen, nutzt sie für ihre Schachteln und Toilettenpapierrollen auch neues Holz.

Inzwischen sind ihre alten Kommoden, Stühle oder Schränke Kult. Dabei beschränkt sich Scharmer nicht darauf, die alten Möbel anzumalen, sondern sie gibt ihnen auch oft eine neue Gestalt. Da wird aus Kopf- und Seitenteilen von zwei Betten eine originelle Sitzbank. Und langweilige, ausgediente Stapelstühle aus Schichtleimholz werden zur Malgrundlage für bunte Fische. Reformation durch Deformation sozusagen.

Alte Stoffe - neue Kleider

Die Schneiderinnen der "Nähbar" haben eine ganz andere Motivation, sich mit Upcycling zu beschäftigen. Sie bieten zwei Mal in der Woche für alle Interessierten im Kulturbahnhof Hitzacker (KUBA) die Möglichkeit an, unter Anleitung, eigene Kleidungsstücke zu schneidern. "Das Material dafür bekommen wir entweder geschenkt oder finden es auf Kleiderbörsen und Flohmärkten", so Ingrid Wendt, einer der drei InitiatorInnen der "Nähbar".

Die gelernte Modellschneiderin näht besonders gerne ganz altmodisch mit der Hand. Ganze Kleider und Mäntel hat sie auf diese Weise schon fertiggestellt. Unter ihren Händen wird aus einer abgeschnittenen Ärmelmanschette einer Bluse ein Armband mit aufgesticktem Muster oder ein schlichtes T-Shirt wird durch Schnitte und ineinander verschlungene Schlaufen zu einem schicken Top.

"Manchmal muss man die Dinge einfach umdrehen, um zu einem neuen Stück zu kommen," erklärt Ingrid Wendt ein Kleid, bei dem die Taschen auf Kniehöhe sitzen: das schicke Kleid war früher mal eine Hose mit Taschen. Nun ist sie ein schickes Leinenkleid mit individueller Note: die Taschen sind zu einem Hingucker auf Kniehöhe geworden und die Hosenbeine bilden jetzt das körperbetonte Oberteil. Handwerkliches Geschick und Ideenreichtum machten es möglich.

In Prisser präsentierte "#ErbuthMackatsch" eine andere Variante des Upcyclings: bei ihr ist die Wahl der Stoffe der Witz ihrer Kleidung. Alte Sticktischdecken werden zu Röcken, Stofftaschentücher liegen nicht mehr in der Tasche, sondern sind selber eine solche und Krawatten dienen der Gestaltung von Kleiderausschnitten.

Und was tun mit alten Langspielplatten und Singles? Einfach erwärmen und über eine Form legen. So werden daraus größere und kleinere Schalen. Oder die ehemalige Holzrolle einer Außenmarkise nebst Metalllaufspule nutzen, um daraus - kombiniert mit Stahlarmierungen für Ziegelwände - einen drehbaren Garderobenständer zu machen. Aufgeschweißte Schrankschlüssel sorgen außerdem dafür, dass die Bügel nicht herunterrutschen. Ebenfalls zu sehen in Prisser.

Auch bei Ingo Dansberg (Penkefitz) von "2 USE Upcycling" steht das Material im Mittelpunkt. Er stellt nützliche Produkte aus alten Wertstoffen her. Aus LKW-Schläuchen, Turnmatten und bunter Zeltplane kreiert er Umhängetaschen.

An diesen wenigen Beispielen zeigt sich die Bandbreite der eingesetzten Materialien. Die Upcycling-Designer auf der Kulturellen Landpartie abschließend darzustellen, ist ein Ding der Unmöglichkeit, zu vielfältig ihre Anzahl.

Ausgediente Werkzeuge zu Kunstobjekten

In der Kunst finden Altmaterialien schon lange Anwendung. Deswegen ist die Idee, alte Werkzeuge zu Kunstobjekten zusammen zu fügen, auch nicht wirklich neu. In Zadrau interpretiert Pavel Ehrlich das Thema ber auf eine originelle Weise, die einen besonderen Reiz ausübt.

Zangen, Zahnräder, Mistgabelzinken oder anderen Metallreste wurden unter den Händen von Pavel Ehrlich zu phantastischen Skulpturen, die eine ganz neue Geschichte erzählen. Wenn die Kneifzange zum überlangen Geweih eines Gazellenartigen Wesens wird oder mehrere Zahnräder zum Körper eines Urtiers, dann zeugt das von der Fähigkeit des Bildners, von der eigentlichen Nutzung des Gegenstandes zu abstrahieren und in ihm die phantastische Möglichkeit zu sehen.

Vielleicht macht dies den grundsätzlichen Reiz des Upcyclings aus: nicht mit "toten" Materialien zu arbeiten, die auf eine Formgebung warten, sondern mit Grundstoffen, die ihre Form und frühere Nutzung mitbringen. Das erfordert einen ganz anderen Umgang mit Gestaltung. Nicht mehr die Form auf dem weißen Blatt erfinden, sondern dem Vorgegebenen eine neue Form geben, es umdenken und transformieren.

Klar, nicht alle Upcycling-Produkte gehören zur höchsten Design-Kunst, vieles gehört in die Abteilung "was-wir-schon-immer-mal-basteln-wollten". Aber wenn das "Hobby", aus alten Gegenständen neue zu machen, um sich greift und somit der Konsum billiger Wegwerfware massiv nachlässt, könnte diese Art der Gestaltung auf Dauer das Denken verändern - vielleicht sogar die Gesellschaft. Spielmaterial für Upcycling-Ideen gibt es "da draußen" genügend.

Alles über die kulturelle Landpartie 2016!

Fotos / Angelika Blank: Upcycling-Ideen sind vielfältig - von der Bearbeitung von Naturholz über Möbelrestaurierung bis hin zum Erfinden völlig neuer Produkte. Auf dem Foto: Mareike Scharmer peppt ausrangierte Stapelstühle mit Fischmotiven auf.





Fotos

2016-05-15 ; von Angelika Blank (autor),
in Lüchow-Dannenberg, Deutschland

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