Sie sehen fast aus, als seien sie nicht von dieser Welt. Und in gewisser Weise stimmt das auch: Denn die Fische mit dem markanten spitzen Kopf und den großen Knochenplatten sehen nicht nur aus wie Dinosaurier, sie lebten schon zusammen mit diesen auf der Erde - die Störe. Drei dieser urzeitlichen Fischart sind nun für einige Jahre zu Gast im Biosphaerium Bleckede.
Damals, als die Störe unseren Planeten gemeinsam mit den Dinosauriern bevölkerten, sah dieser noch völlig anders aus.Bäume etwa, wie wir sie heute kennen, und Vögel beispielsweise gab es noch gar nicht, dafür aber riesige Meere voller Gefahren. Und trotzdem haben sie bis heute überlebt, die Störe.
„Fast!“, muss man sagen. Denn unsere heimischen Störe, die vor knapp 100 Jahren noch sehr häufig an Küsten und in den Flüssen gefangen wurden, gelten bei uns seit einigen Jahrzehnten als ausgestorben. Gründe dafür sind insbesondere der intensive Fang und die Tatsache, dass den Fischen die Wanderwege zu ihren Laichgebieten in unseren Flüssen verbaut wurden. Mit dem Aussterben des Störs ging ein Teil unserer natürlichen Heimat und unserer Kulturgeschichte verloren. Doch eine kleine Schar hochmotivierter Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie in Berlin bemüht sich erfolgreich, neue Bestände in Obhut des Menschen aufzubauen, um diese dann in unseren Gewässersystemen wieder heimisch zu machen.
Durch Nachzucht Stör-Bestände wieder aufgebaut
Möglich ist das, weil es in den 1980er Jahren noch einen kleinen Restbestand des Europäischen Stör (Acipenser sturio) in Westfrankreich gab und von diesen Tieren, wenn sie unbeabsichtigt gefangen wurden, unter kontrollierten Bedingungen Nachkommen herangezogen werden konnten.
Bei der zweiten ursprünglich in Europa vorkommenden Art, dem Baltischen Stör (Acipenser oxyrinchus), wurde festgestellt, dass sie genetisch einem Vorkommen vor Nordamerika glich, so dass nordamerikanischen Bestände als Grundstock für eine Nachzucht des Ostsee-Stör genutzt werden konnten.
Nun, nach Jahrzehnten der Forschung und der Zucht, blickt der Biologe Dr. Jörn Gessner bereits auf einige Besatzaktionen zurück. Hierbei wurden Störe ausgesetzt, die mit Sendern versehen sind. Somit kann auch nach Jahren noch zurückverfolgt werden, wann ein gefangener Stör ausgesetzt wurde und welche Wege er zurücklegte.
„Einer unserer Ostseestöre wurde sogar viermal gefangen und wir können so seine Wanderroute in der Ostsee nachvollziehen. Diese Daten sind unglaublich interessant“, so der Experte, „ hier lernen wir aus der Praxis, was bisher nur Theorie war.“
Botschafter für das Wiederansiedlungsprojekt
Die Tiere mit den Sender-Nummern PIT 012DD817, 0136ED9B und 01377EBO wird Dr. Gessner erst einmal vergeblich in der Ostsee suchen. Doch er weiß, wo er sie in den nächsten Jahren findet. Denn sie sind als Botschafter für das Wiederansiedlungsprojekt in der neuen Aquarienlandschaft im Biosphaerium Elbtalaue in Bleckede zu Gast. „Hier im Informationszentrum für das Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue wollen wir die Lebewelt der Elbe und ihrer Auen vorstellen“, so Axel Schlemann, der die kostbare Fracht auf dem Landweg von Berlin nach Bleckede holte. „Und auch in der Elbe wird in wenigen Jahren der Stör hoffentlich wieder eine Rolle spielen. Mit dem neuen, störtauglichen Fischaufstieg in Geesthacht ist eine erste Voraussetzung dafür geschaffen.“
Doch bis der Stör wieder in Elbe heimisch ist, kann man die lebenden Fossile im Biosphaerium erleben. Die jetzt eingetroffenen drei Tiere aus Berlin haben sich sofort gut eingelebt in ihr neues Zuhause, ein 14.000 Liter fassendes Rundbecken gleich im Eingangsbereich der neuen Anlage. Noch in diesem Frühjahr wird Eröffnung sein und die „Oxys“, wie die Baltischen Störe wegen ihres lateinischen Namens liebevoll von den Wissenschaftlern genannt werden, locken sicherlich viele Interessierte in die kleine Stadt an der Elbe.
Wenn die jetzt etwa 4 Jahre alten und 80 cm langen Fische zu groß für das Aquarium werden, kommen sie zurück ins Wiederansiedlungsprojekt. Immerhin werden Störe über drei Meter lang und mehr als hundert Jahre alt. Und sollten sie später je wieder von einem Forscherteam gefangen werden, dann kann man anhand des eingepflanzten Transponders feststellen, dass diese Störe ab Frühjahr 2011 für einige Jahre zu Gast in Bleckede waren.
Neues Biosphaerium in Bleckede entsteht
Derzeit entsteht auf der Schlossinsel in Bleckede in der historischen Remise eine Aquarienlandschaft mit acht Großbecken, in denen das Leben im Strom gezeigt wird. Das größte Becken fasst über 30.000 Liter Wasser und stellt die Lebewelt der Buhnen vor, in anderen Becken locken Stör, Zander, Hecht und Wels sowie eine Vielzahl weiterer Fische des artenreichsten Stroms Europas.
Dahinter entsteht eine begehbare Biberburg mit Blick in den Biberkessel und einem großzügigen, artgerecht ausgestatteten Lebensraum für unseren größten Nager.
In dieser Kombination und in Verbindung mit den rund 1000 qm moderner Ausstellungsfläche samt Vogelstimmenklavier, Überflutungsmodell, Windmaschine und vielen weiteren interaktiven Modulen sowie dem Aussichtsturm wird das Biosphaerium Elbtalaue unvergleichlich sein.
Die Projektkosten belaufen sich insgesamt auf 1,4 Mio. Euro. Gefördert wird die Erweiterung des Informationszentrums durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, die Allianz Umweltstiftung, die Metropolregion Hamburg, die Niedersächsische Lottostiftung sowie das Land Niedersachsen, das fast zwei Drittel der Kosten aus EU-Mitteln beisteuert.
Die feierliche Einweihung der gesamten Anlagen durch den Umweltminister des Landes Niedersachsen und den Bürgermeister der Stadt Bleckede im Beisein der Förderer ist für Juni vorgesehen.
Dann schmückt sich die Fachwerkstadt an der Elbe mit einem Infozentrum, wie es an keinem anderen Fluss Deutschlands zu finden ist und welches das touristische Angebot in einer der letzten unverbauten Flusslandschaften Europas deutlich ergänzen und bereichern wird.