Thema: kunst

Videokunst: My Landscape is your Landscape

Von der Natur geformt, vom Menschen verändert, Lebensgrundlage, Erholungsanreiz … Der Begriff „Landschaft“ ist vielfältig besetzt und emotional beladen. Die Ausstellung „My Landscape is your Landscape“ des Westwendischen Kunstvereins zeigt 14 (Video)Blicke von internationalen KünstlerInnen auf verschiedene „Totalcharakter von Erdgegenden“.


“Landschaft“ ist Heimat, ist der offene Raum, der uns Erholung bietet, ist der Traum von einem perfekten Ensemble aus Boden, Gebäude und Bewirtschaftung. Diese und Dutzende andere persönliche Assoziationen mit „Landschaft“ bestimmen diesen Begriff – uneindeutig und persönlich eingefärbt wie kaum ein anderer nicht nur in der deutschen Sprache.

Entstanden ist der Begriff allerdings aus rein pragmatischen Gründen im frühen Mittelalter zur Beschreibung einer Gegend mit gemeinsamen sozialen Regeln, die ästhetische Begrenzung durch ähnlichen Bewuchs oder Geländeform spielte damals keine Rolle. Der Duden sagt zur Herkunft des Begriffes: "Gegend, natürliche Geländeeinheit, abgeschlossenes Gebiet". Erst später, als auch das irdische Sein wieder mehr Bedeutung bekam, wurde „Landschaft“ zum ästhetischen Thema für Künstler.

Die Vertreter der Landschaftsmalerei trugen entscheidend dazu bei, dass sich Bilder von idealisierten Landschaft entwickelten, die Mensch auch in der Realität sehen wollte. „Land schaffen“ wurde zum Thema von Landschaftsgärtnern und -architekten.

Landschaften als Ornament und meditative Punkte

Die von dem Hamburger Kunstvermittler Claus Friede kuratierte Ausstellung gibt einerseits Einblicke in die subjektive, persönliche Landschaftserfahrungen der jeweiligen Künstler. Andererseits zeigt sie objektivierte Installationen, in denen es um Ideale, Inszenierungen und Vorstellungen von Landschaft geht

Dabei wird auch deutlich, dass es oft Surrogate des persönlichen Erlebens sind, die allgemeine Gültigkeit erhalten. In den vierzehn Werken zeigen KünstlerInnen aus (unter anderem) Deutschland, Österreich, Polen, Taiwan oder Spanien nach eigenem Bekunden, dass hinter der Faszination für Landschaft keineswegs lediglich rückwärtsgewandte Nostalgie oder romantisch verklärte Vorstellungen stehen, sondern dass Landschaft eine präzise Metapher für die psychologischen, sozialen und politischen Konflikte unserer Zeit sein kann.

So sind die Formen, die die KünstlerInnen für ihre Objekte gewählt haben, genauso unterschiedlich wie ihre Sichtweisen. Allen gemeinsam ist lediglich, dass sie das Medium Video nutzen.

Während die einen sich wie mit einer Lupe immer wiederkehrenden Bewegungen eines eng begrenzten Landschaftsbildes nähern, suchen andere die hinter allem liegende Klammer.

Zum Beispiel Louis von Adelsheim. Der in Bern und Süddeutschland lebende Künstler Louis von Adelsheim (CH) erinnert mit seiner Video-Arbeit „MeeresGarten“ (2014) an den ersten, 1916 erschienen Gedichtband „Sea Garden“ der amerikanischen Dichterin Hilda Doolittle (1886-1961).

Seine dreidimensionale Mehrfachprojektion zieht den Betrachter in den Bann einer von Vulkangestein geprägten Meereslandschaft. Bei Louis von Adelsheim wird die Landschaft zu einem Ornament, das weit über die Bildgrenzen hinaus vorstellbar ist, als ein unendlich bewegliches Muster ohne Anfang und Ende. Fließend, flimmernd, sich permanent verändernd ist die Videolandschaft „MeeresGarten“ auch ein Sinnbild für Bewegung per se – geistig sowie physisch.

„Scale“ wiederum, eine Installation der Künstlergruppe „Bauhouse“, stellt die zunehmende technisch-virtuell verfremdete Wahrnehmung unserer Umgebung in den Mittelpunkt ihres Werkes. Während auf der einen Seite des Raums eine wandfüllende Projektion der Sonne mit ihren ständigen Sonnenwinden und Eruptionen prangt, hängt an der anderen Seite ein iphone, welches sich anscheinend selbstätige Kommunikationen führt. Bedrohlich wirkt die Installation durch die dumpfen „Solar-Sound“-Aufnahmen aus einer Versuchsreihe des Experimental Physics Laboratory der Stanford University in Kalifornien. „Uns reizte es, das ursprünglich kalifornische Lebensgefühl mit seiner technologieaffinen Weltsicht in ein meditativ, skaliertes Verhältnis zu stellen“, erklären Bauhouse selbst ihre Arbeit. „Das Medium ‚Smartphone’ funktioniert dabei nicht nur als bewusst gesteuertes ‚Kommunikationstool’, sondern ist eine räumlich, akustische Setzung. Landschaft ist in diesem Werk inhaltlich eine gedankliche Transformation, ein visualisiertes Konstrukt, denn der digitale- und technische Raum ist zunehmend Teil unserer alltäglichen Landschaftswahrnehmung (Satelliten Navigation, Google Earth, etc.). Sie ist komprimiert im Abbild der Sonne in Bezug auf das Apple-Abbild des Erdballs. Die räumlich-audiovisuelle Bearbeitung, der inszenierte Raum selbst kann allerdings als ‚Installationslandschaft’ gelesen werden.“

In den Zeiten seiner Entstehung galt der Begriff „Landschaft“ auch als geopolitische Zuordnung von Gebieten mit gemeinsamen sozialen Normen, also auch Städten, die lediglich durch den sie umgebenden, damals noch nicht gerodeten Wald begrenzt waren. Insofern bleibt „My Landscape your Landscape“ nicht begrenzt auf Landschaften als offener Raum in der Natur.

Wei-Ming Ho aus Taiwan zum Beispiel greift in seiner Videoinstallation diesen Aspekt auf: der Künstler fuhr in einem Auto mit einem lichtstarken, schwenkbaren Beamer durch Taipeh und projizierte seine Bildwelten auf Fassaden, Mauern, Läden, den Präsidentenpalast und Taipehs höchstes Gebäude, den 101 Tower. So schnell wie sie gekommen sind, so schnell verschwinden sie wieder. Zusatzinformationen wie Statistiken, Vermessungsdaten, Symbole, Morse Codes sowie eine spezielle elektronische Musik, laden das Werk mit mystischen Zeichen auf.

Der virtuelle Raum inmitten der Skulpturenlandschaft

In Hamburg lief „My Landscape your Landscape“ im Kunstforum der Markert Gruppe nahe der Horner Rennbahn – mitten in der Stadt also.

Der Zehntspeicher in Gartow ist eingebettet in die Kulturlandschaft der Seegeniederung. Ein Kilometerlanger Deichweg führt vorbei an Biotopen, Feldern und Wäldern hin zum Brut- und Aufenthaltsgebiet des Seeadlers, der hier noch heimisch ist. Bereits mehrere Bildhauer-Symposien und das Kunstprojekt „Feldversuche“ hinterließen Skulpturen in der Landschaft, die auf ganz andere Art einladen, sich mit dem „geschaffenen Land“ auseinanderzusetzen.

Ein Besuch der Ausstellung bietet also die Möglichkeit, sich dem Thema Landschaft auf sehr verschiedene Arten zu nähern: virtuell und philsophisch im Zehntspeicher und ganz hautnah und leibhaftig in der Umgebung.

Die Ausstellung ist jeweils freitags von 15 – 19 Uhr sowie Samstags und Sonntags von 12 – 16 Uhr geöffnet. Weitere Informationen beim Westwendischen Kunstverein.



 


2014-05-11 ; von Angelika Blank (autor),
in Quarnstedt, 29471 Gartow, Deutschland

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