Thema: neuland

Sei gut zu Deinem Schnitzel von Morgen

Um das Schwanzbeißen zu verhindern, werden diese in konventionellen Schweinemastanlagen kurzerhand abgeschnitten. Dass es auch anders geht, zeigte ein Besuch beim Neuland-Betrieb Schulz in Quickborn: Landwirtschaftsminister Meyer informierte sich dort am Donnerstag über die Haltungsbedingungen, die notwendig sind, um das Schwänze-Kupieren zu vermeiden.

Ein Hausschwein hat ein Ringelschwänzchen, dass sich lustig kringelt. So ist es auf Abbildungen in alten Kinderbüchern noch zu sehen. Die heutige Realität in einem Schweinemastbetrieb sieht anders aus: um das gegenseitige Abbeißen der Schwänze zu verhindern, werden schon den Ferkeln die Schwänze kupiert.

Für Martin Schulz, Neuland-Schweinehalter aus Quickborn bei Langendorf, kommt das nicht in Frage. Der Landwirt hat sich schon vor Jahren dafür entschieden, seine Schweinehaltung nach Neuland-Kriterien auszurichten. Das bedeutet: gefüttert wird ohne Soja, sondern mit Erbsen, Ackerbohnen und Eiweiß aus Kartoffeln - "heimisches Eiweiß eben, und keine genmanipulierten Futterstoffe" so Schulz. Denn Soja, wie es oft in der Schweinemast eingesetzt wird, ist heutzutage genfrei nicht mehr zu erhalten. Und Schwänze abschneiden - das kommt bei ihm erst recht nicht in Frage. Seine Schweine werden auf Stroh gehalten, damit sie ihre Tage so verbringen können, wie sie es ihrem Instinkt gemäß gerne möchten: mit Wühlen, Suchen, auf dem Stroh kauen, suhlen oder einfach in der Sonne dösen. Schulz' Schweine beißen sich nicht gegenseitig die Schwänze ab, sie haben genug Platz und Abwechslung und kommen deshalb nicht auf zerstörerische Ideen.

Dabei ist Schulz kein Bio-Landwirt. Denn die Landwirtschaft nach Neuland-Kriterien gilt als konventionelle Landwirtschaft. Der Vermarktungsverband schreibt allerdings klare Kriterien für Haltung, Fütterung und Transport vor. So stehen den Schweinen zum Beispiel ganzjährig ein Auslauf ins Freie zur Verfügung. Außerdem sind sie auf Stroh zu halten - Spaltenböden oder Gitterroste sind untersagt. Des weiteren hat Neuland sich den Erhalt bäuerlicher Betriebe zum Ziel gesetzt und sorgt mit Bestands- und Flächenobergrenzen dafür, dass Großbetriebe nicht die Vermarktung und Preise dominieren.

Sei gut zu Deinem Schwein!

Für Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer ist das Neuland-Modell längst von der "Provokation zum Leitmodell" geworden, an dem er seine Landwirtschaftspolitik ausrichten will. Meyer informierte sich am Donnerstag auf dem Hof von Martin Schulz, wie der Tierschutzplan ausgestaltet werden muss, der derzeit beim Ministerium in Arbeit ist.

„Die Verstümmelung von Tieren muss ein Ende haben", so der Minister. Genau das sei sein Ziel in Niedersachsen. Ende 2015 solle Schluss sein mit der betäubungslosen Ferkelkastration, Ende 2016 mit dem Kupieren von Schweineschwänzen und dem Wegbrennen von Schnäbeln bei Legehennen.  

„Dieser Neulandhof ist ein Beispiel dafür, dass Tierschutz-Maßnahmen wie der Verzicht auf das Schwänze-Abschneiden bei Schweinen durch eine Verbesserung der Tierhaltung auch in der konventionellen Landwirtschaft möglich und machbar sind", so der Minister bei seinem Besuch in Quickborn. „Das zeigt auch, dass Niedersachsen mit seiner sanften Agrarwende für mehr Tier- und Umweltschutz und der Förderung einer bäuerlichen Landwirtschaft auf dem richtigen Weg ist."

Auf dem Betrieb von Martin Schulz werden 700 Mastschweine gehalten, die mit heimischen Futtermitteln und Getreide aus eigenem Anbau gefüttert werden.

Zahlen die Verbraucher für Qualität und artgerechte Tierhaltung?

Die Verbraucher honorieren die höhere Qualität des Fleisches. Während die konventionellen Landwirte sich derzeit mit einem - nicht kostendeckenden - Erzeugerpreis von 1,61 €/kg Schlachtfleisch zufrieden geben müssen, kann Schulz sein Neuland-Fleisch für 2,23 €/kg vermarkten - zwar immer noch wenig angesichts des höheren Aufwands, aber immerhin mehr als kostendeckend. 

Diese positive Erfahrung hat auch Neuland-Metzger Norbert Meyer in Dannenberg gemacht - ebenfalls ein Ziel auf (Minister) Meyers Wendland-Tour. Der Metzger stellte sein Angebot vergangenes Jahr ausschließlich auf Neuland-Fleisch und Fleischprodukte um. "Klar, als meine Stammkunden realisierten, dass sie nun 25 - 30 % mehr für das Fleisch zahlen sollen, sind einige weggeblieben," so Meyer. Dafür seien aber viele jüngere Leute bei ihm Kunde geworden, die vorher nicht den Weg in sein Geschäft fanden. Meyer bereut die Entscheidung, auf Neuland umgestellt zu haben, deshalb nicht.

Doch die meisten konventionellen Landwirte trauen der Nachfrage nicht, denn der Absatz von konventionell erzeugtem Schweinefleisch ist im vergangenen Jahr drastisch gesunken. Liegt es an der ständig steigenden Zahl an Vegetariern und Veganern? Liegt es am allgemeinen Unmut über immer wiederkehrende Fleischskandale? Eindeutig lassen sich die Gründe für den sinkenden Fleischkonsum nicht festmachen. Doch eines zeigten die Statistiken für das vergangenen Jahr auch: während der Schweinefleischabsatz im konventionellen Bereich sank, stieg  der Absatz von Bio-/Qualitätsfleisch im gleichen Zeitraum   um rund 15 %.

Für Thorsten Riggert, Vorsitzender des Bauernverbandes Nordost-Niedersachsen, aber noch kein Grund, für die ökologische Produktion in Schweineställen einzutreten. Er erwartet vom Minister, dass er durch Werbung und Öffentlichkeitsarbeit für mehr Nachfrage sorgt. "Dann steigen unsere Landwirte auch um," so Riggert.

Der Minister dagegen setzt auf finanzielle Anreize: „Wir wollen Tierschutzprämien als Anreize für eine Verbesserung in der Tierhaltung vermehrt etablieren", sagte Minister Meyer. „Damit werden nämlich all die Landwirte belohnt, die sich schon jetzt für mehr Tierwohl ins Zeug legen. Ich finde, es ist mehr als gerecht, einen solchen Mehraufwand entsprechend zu honorieren."

Mit dem Tierschutzplan sowie Prämien aus EU-Mitteln will Meyer die Haltungsbedingungen für Schweine und Legehennen so bald wie möglich verbessern. Deshalb sollen in Niedersachsen, einem Kernland der deutschen Schweine- und Legehennenhaltung, insgesamt 20 Prozent mehr Flächen angeboten werden als rechtlich mindestens vorgeschrieben ist. Dafür sind in der Förderperiode von 2014 bis 2020 vom Ministerium insgesamt 28 Millionen Euro aus dem ELER-Fonds der EU eingeplant.  

Schweinezüchter Martin Schulz weiß, dass seine Kollegen auf "finanzielle Anreize" reagieren. "Wenn sich ihre Arbeit für sie lohnt, dann werden sie auch höhere Qualitätskriterien ansetzen und ihren Tieren bessere Haltungsbedingungen gönnen," ist Schulz überzeugt.

Foto / Angelika Blank: Dass die Schweine auf Martin Schulz' (re.) Neuland-Hof mit ihren Ringelschwänzen schweinewohl fühlen - davon konnte sich Landwirtschaftsminister Christian Meyer am Donnerstag überzeugen.





2014-04-11 ; von Angelika Blank (autor),
in Am Kosakenberg 29, 29476 Gusborn, Deutschland

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