Am 26. Mai wird das neue
Europaparlament gewählt. Viele Menschen sind allerdings der Meinung,
die EU gehe sie nichts an. Stimmt das? Hat das ländliche Leben in unserer Region wirklich nichts mit der EU zu tun?
"Die EU geht mich nichts an". Diese Antwort ist oft zu hören, wenn gefragt wird, ob Deutschland aus der EU austreten soll. Diese Ansicht ist aber nur richtig, wenn niemand am
gesellschaftlichen Leben teilnimmt. Ob Einkauf, Autofahrt oder
Arbeitsvertrag – in fast allen Bereichen bestimmen EU-Richtlinien
die Spielregeln. Und: Gerade ländliche Regionen profitieren von
Millionenschweren Fördergeldern. Aus eigener Kraft könnte kaum eine
Gemeinde größere Projekte wie Straßenbau oder Schulsanierung
finanzieren.
Auch die Tatsache, dass in der
Europäischen Union seit über 70 Jahren kein länderübergreifender
Krieg stattfand, ist der Stärkung der einzelnen Länder durch
gemeinsames Auftreten und unermüdlicher gemeinsamer diplomatischer
Bemühungen zu verdanken. Nach den furchtbaren Erfahrungen des
zweiten Weltkriegs war es in den 50er Jahren die Idee der Gründer
der „Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)“ durch
wirtschaftliche Verflechtung militärische Konflikte zu verhindern.
Rebecca Harms: "Europa ist der größte Gewinn"
Rebecca Harms hat als geborene Hambrockerin den Weg nach Europa mit Herzblut eingeschlagen. Für Bündnis 90/Die Grünen saß sie 15 Jahre lang als Abgeordnete im Europäischen Parlament. Bei der anstehenden Wahl wird sie für dieses Amt nicht mehr kandidieren. Trotzdem liegt ihr das „Projekt Europa“ immer noch am Herzen. „Es macht mich heute froh, dass das Europa, das für meine Generation gefühlt der größte Gewinn war, als Gegenmodell zur nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands, dass dieser Gewinn heute von immer mehr jungen Leuten als drohender Verlust gefühlt wird,“ so Harms in ihrer Abschiedsrede bei der Delegiertenkonferenz ihrer Partei. „Das ist eine gute Voraussetzung für den Zusammenhalt und die Weiterentwicklung der EU auch in schwierigen Zeiten.“
Harms ist überzeugt, dass die Wahl 2019 sehr stark darüber entscheiden wird, ob anti-europäische, rechte oder europafreundliche Kräfte gestärkt werden. „Da zählt jede Stimme,“ ist die Noch-EU-Abgeordnete überzeugt. „Jeder, der will, dass die europäische Union weiter gut zusammenarbeitet und dass diese Zusammenareit vom europäischen Parlament geprägt wird, der muss zur Europawahl gehen. Gerade ländliche Regionen wie Uelzen oder Lüchow-Dannenberg profitierten sehr stark von dem Prinzip der EU, schwächere Region gezielt zu fördern.“ Ein Grundprinzip der europäischen Politik ist es, sich für Verbesserung der Lebensverhältnisse in den unterschiedlichen Regionen einzusetzen,“ erinnert Harms. „Schwächere Regionen werden von der EU systematisch gestärkt. Deswegen war Südost-Niederachsen eine Ziel-1-Region, sie wurde jahrelang so stark gefördert wie arme Regionen in Süditalien.“
Die konkrete Förderung in LÜDAN und Uelzen
Es ist nahezu unmöglich, genaue Zahlen zu ermitteln, wieviel Fördergelder in die Landkreise Uelzen und Lüchow-Dannenberg geflossen sind. Neben dem Regionalentwicklungsprogramm LEADER gibt es diverse andere Fördertöpfe, die sowohl von den Landkreisen, den Samtgemeinden und Gemeinden aber auch Vereinen oder Unternehmen in Anspruch genommen werden können.
Ob Dorferneuerung, Straßenbau, Tourismusförderung, die Förderung regionaler Produkte, die Umnutzung von öffentlichen Gebäuden oder die Weiterentwicklung von Museen – es gibt kaum öffentliche Projekte, für deren Umsetzung nicht EU-Gelder notwendig wären. Nach grober Schätzung befinden sich diese Fördergelder nur für Lüchow-Dannenberg und Uelzen in einem mehrstelligen Millionenbereich – nicht eingerechnet die landwirtschaftlichen Direktzahlungen.
In Uelzen wurde zum Beispiel der Neubau der Auetal-Schule in Lüder nur mit 120 000 Euro aus dem europäischen Topf möglich. Für ein Projekt, dass den Vertrieb regionaler Produkte fördert, entschied man sich in Dannenberg. Das Projekt erhielt rund 60 000 Euro aus LEADER-Mitteln.
Den größten Anteil an den EU-Förderungen – auch im EU-Haushalt – haben die Unterstützungs- und Ausgleichszahlungen in der Landwirtschaft. Im Jahre 2017 sind insgesamt über 1500 Antragsteller aus den Landkreisen Lüchow-Dannenberg und Uelzen mit insgesamt rund drei Millionen Euro aus europäischen Fördertöpfen unterstützt worden. Dazu kommen noch Förderungen für Zusatzaufwand in den Bereichen Natur- und Umweltschutz oder ökologische Bewirtschaftung.
Dabei sind es nicht nur Landwirte, denen mit den sogenannten EU-“Basisprämien“ das Überleben gesichert wird, sondern auch Betriebe, die gesellschaftliche Aufgaben übernehmen - wie zum Beispiel ein Schäfer im Wendland, der von der EU über 250 000 Euro erhielt, damit seine Schafe landschaftspflegerische Aufgaben wahrnehmen können – wie den Erhalt von Heideflächen.
Freiheit als Gemeingut – klare Zuständigkeiten
Sich in Europa frei bewegen, Waren zollfrei untereinander handeln oder in jedem Mitgliedsland nach gleichen Standards studieren zu können, sind ein Ergebnis eines jahrzehntelangen Abstimmungsprozesses. Bei allen Streitigkeiten über gemeinsame Positionen z.B. in der Flüchtlingspolitik sind doch (mindestens) zwei Themen schon lange absoluter Konsens: die Einhaltung der Menschenrechte und das Bemühen um soziale Gleichheit in allen Mitgliedsländern.
Wer glaubt, es hätte keine Auswirkungen auf die Einzelstaaten, was in Brüssel bzw. Straßburg entschieden wird, irrt gewaltig. In den Bereichen Außenhandelspolitik, Wettbewerb und Zollfragen ist die EU alleine zuständig. Regelungen in anderen Bereichen wie Landwirtschaft, Energie oder Verkehr kann die Kommission nur in Abstimmung mit den Mitgliedsländern beschließen. Und die Urteile des Europäischen Gerichtshofes sind verbindlich für alle Mitgliedsländer.
Es geht also nicht nur um das Verbot der Glühbirne oder die Krümmung einer Banane. Auch verbindliche Standards für – zum Beispiel die Kennzeichnung der Inhaltsstoffen bei Nahrungsmitteln oder die Begrenzung von Emissionen aus Industrieanlagen werden von der EU vorgegeben.
Warum wissen wir so wenig?
Preisfrage: wie heißt der Landwirtschaftsminister(-kommissar) der EU? Gibt es einen Innen"minister" in der europäischen Union? Nur wenige werden diese Fragen beantworten können, ohne google zu Rate zu ziehen.
Ein Hauptproblem der Europäischen
Union ist, dass es keine gemeinsame Kommunikationsplattform gibt. So
werden in den EU-Ländern meist nur bruchstückhafte Informationen
ausgetauscht, die sich oft auf einige wenige Aufreger wie krumme
Bananen, Glühbirnenverbot oder den Durchmesser einer Pizza
beschränken.
Aber immerhin: In drei EU-Infopoints können sich Interessierte Informationsmaterial über die EU beschaffen: in der Samtgemeinde Elbtalaue, beim Landkreis Uelzen oder bei der Samtgemeinde Bad Bevensen/Ebstorf.
Auch das „europe direct“-Büro in Lüneburg ist dafür zuständig, den Zugang zu EU-Themen in die Region zu tragen. Hier können zum Beispiel Vereine, Gemeinden und vor allem Schulen Vorträge zu verschiedenen Themen buchen. Neben der Durchführung einer Veranstaltung vermittelt das europe direct-Büro auch den Kontakt zu geeigneten Referenten. Kontakt: Tel. 04131-151354 oder per email: info@europedirect-lueneburg.de. Auf der Website europedirect-lueneburg.eu finden sich viele interessante Informationen – auch zur Europawahl.
Umfangreich informiert auch die Bundeszentrale für politische Bildung (www.bpb.de) über die Europäische Union.
PS: der Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft heisst Dimitris Avramopoulos , Landwirtschaftskommissar ist seit 2014 der Ire Phil Hogan.
Der Artikel ist zuerst erschienen im Wipperau Kurier.
Foto | Bild von moritz320 auf Pixabay: Europa steht vor einer Zerreißprobe