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Wenn ein Job nicht mehr reicht - 1170 "Multi-Jobber" in Lüchow-Dannenberg

Immer mehr Menschen im Kreis Lüchow-Dannenberg brauchen einen Zweit-Job: Mehr als 1.170 Berufstätige waren im vergangenen Jahr auf einen Mini-Job als zusätzliche Einnahmequelle angewiesen. Das geht aus einer Untersuchung hervor, die das Pestel-Institut in Hannover im Auftrag der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) gemacht hat.

Demnach ist die Zahl der derjenigen, die neben ihrer Hauptbeschäftigung noch einen Mini-Job als Nebenjob haben, in den vergangenen Jahren im Kreis Lüchow-Dannenberg drastisch gestiegen: „Blickt man zehn Jahre zurück, so hat es eine Zunahme von mehr als 128 Prozent gegeben“, sagt Studienleiter Matthias Günther vom Pestel-Institut. Im vergangenen Jahr hätten sieben Prozent der Beschäftigten im Kreis Lüchow-Dannenberg sich mit einem 400-Euro-Job nebenher etwas dazuverdient.

„Wir haben das Phänomen der Multi-Jobber. Das sind Menschen, die mit dem Geld, das sie in ihrem Hauptjob verdienen, nicht mehr auskommen. Deshalb müssen sie auf einen oder mehrere Nebenjobs ausweichen, um überhaupt noch über die Runden zu kommen. Aus der puren Lust an einer 55- oder 60-Stunden-Woche macht das jedenfalls keiner“, sagt der Geschäftsführer des ver.di-Bezirks Lüneburger Heide, Matthias Hoffmann.

Armut trotz Arbeit

Er macht für das „Multi-Jobben“ vor allem Niedriglöhne verantwortlich. „Auf der einen Seite werden Stundenlöhne bezahlt, die im Keller sind. Auf der anderen Seite steigen die Lebenshaltungskosten. Das beste Beispiel ist das Wohnen. Hier dreht sich – nicht zuletzt wegen der Heiz- und Nebenkosten – die Preisspirale unaufhörlich nach oben. Da sind Niedrigverdiener gezwungen, nach Feierabend und an den Wochenenden noch einmal zur Zweit-Arbeit zu gehen“, so Hoffmann.

Abhilfe kann nur ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn schaffen, darin sind sich ver.di und NGG einig. „8,50 Euro pro Stunde – das ist der Mindestpreis, den Arbeit bei uns hat. Wer heute für weniger Geld arbeiten muss, der hat keine Chance, von dem, was er verdient, auch leben zu können“, sagt die Geschäftsführerin der NGG-Region Lüneburg, Silke Kettner.

Sie macht deutlich, dass selbst ein Mindestlohn von 8,50 Euro am Ende gerade einmal für ein Leben reiche, das „haarscharf über dem Hartz-IV-Niveau“ liege. Die generelle Lohnuntergrenze von 8,50 Euro pro Stunde könne daher nur ein Einstieg sein. „Alles darunter bedeutet erhebliche Abstriche beim Lebensstandard. Und vor allem auch ‚Ebbe bei der Rente’ – Altersarmut ist so programmiert“, so Kettner. Auch ein 8,50-Euro-Mindestlohn müsse daher rasch in weiteren Schritten angehoben werden.

Keine regional unterschiedlichen Lohnuntergrenzen

Eine klare Absage erteilen ver.di und NGG dem Vorhaben der schwarz-gelben Regierungskoalition in Berlin, regional unterschiedliche Lohnuntergrenzen einzuführen. „Dann würde Deutschland zu einem ‚Lohn-Flickenteppich’. Das Ziel, das Union und FDP dabei verfolgen, ist klar: Billig-Regionen etablieren, in denen die Arbeit dann überall unter 8,50 Euro Stundenlohn gehandelt wird“, sagt Matthias Hoffmann.

Der ver.di-Geschäftsführer warnt vor einer „Deutschlandkarte mit Dumpinglohn-Löchern“, in die hinein dann „von skrupellosen Unternehmen die Aufträge vergeben“ würden. Abgesehen davon hält Hoffmann regionale Mindestlohn-Tarifverhandlungen „schlichtweg für nicht machbar, da sich die Arbeitgeber von Lohndrücker-Branchen garantiert nicht an einen Verhandlungstisch setzen würden“. Auch wirksame Kontrollen wären bei wechselnden Mindestlohngebieten in der Praxis nicht machbar.

„Beim Mindestlohn gilt: Einer für alle“, unterstreicht Silke Kettner. Die NGG-Geschäftsführerin appelliert an Beschäftigte, die heute im Kreis Lüchow-Dannenberg zu einem Niedriglohn arbeiten, beim „Dumpinglohnmelder“ unter www.dumpinglohnmelder.de darauf hinzuweisen, um so an der „Deutschland-Billiglohn-Landkarte“ mitzuschreiben. NGG und ver.di fordern die Bundesregierung auf, noch vor der Bundestagswahl einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro einzuführen. CDU/CSU und FDP sollten damit dem Beispiel von SPD und Grünen im Bundesrat folgen.  


2013-04-12 ; von redaktion (autor),

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