Samstag Nachmittag auf dem Busbahnhof Lüchow: Hier kaum zwanzig "besorgte Bürger", die gegen eine Moschee in Lüchow protestieren - dort mehrere hundert Gegendemonstranten, die für Freiheit und Toleranz eintreten. Getrennt von rund hundert Polizisten.
Der Busbahnhof in Lüchow am Samstag Nachmittag. Eine kleine Gruppe NPD-Anhänger baut mit zwei Transparenten, Mikrofonanlage und Videokamera nebst Kameramann ihre "Standdemonstration" auf. Bis zum Beginn der Mini-Kundgebung sind es knapp 20 Männer, die sich zu den groß plakatierten Aufrufen "Stoppt die Islamisierung Europas" und "Kriminelle Ausländer ausweisen" gesellen.
Die Kulisse dieses Auftritts ist das Rathaus. Die Bühne der große leere Platz des Busbahnhofes. Rund 100 Polizeibeamte haben mit Mannschaftswagen und Polizisten den Platz ringsum abgesperrt, so dass ein großer menschenleerer Raum entsteht. Hinter der Polizeisperre drängeln sich auf dem Bürgersteig mehrere hundert Gegendemonstranten, die eindeutig klarstellen, dass sie Rassismus und Nationalismus nicht dulden wollen.
Laut wird es, als der Versammlungsleiter der rechten Minidemo die Kundgebung beginnt. Im Pfeifkonzert der "bunten Menge" gehen seine emotional hervorgestoßenen Worte beinahe unter. Nur bruchstückhaft sind seine Gründe für die Demo zu verstehen. "Der Moscheebau ist ein Zeichen der Machtübernahme, für Landnahme," so der Redner. "Im Islam gibt es keine Trennung von Kirche und Staat, das blüht uns auch." Bei seiner Hauptforderung "Stoppt die Islamisierung Europas" überschlägt sich die Stimme des Redners beinahe vor Aufregung.
Als Unterstützung hatten sich die Lüchower Aufrechten einen Gleichgesinnten aus Berlin geholt, der die Anwesenden eindringlich vor der "islamistischen Gefahr" warnte. "In Eurer Wohlstandsverblödung merkt Ihr gar nicht, wie die Islamisten unsere Gesellschaft übernehmen und die Attentäter immer mehr werden." Die Tatsache, dass in Neukölln oder Wedding mehr als 70% der Einwohner Migrantenhintergrund haben, reicht dem Redner aus, um von einer "Überfremdung Deutschlands" zu reden. Die Ursachen für diesen hohen Migrantenanteil in den beiden Berliner Stadtteilen unterschlägt er geflissentlich.
Leider ging auch die Rede von Manfred Börm, Bundes- und Landesvorsitzender der NPD, im Pfeifkonzert der Gegendemonstranten weitestgehend unter. Auch hier waren nur Fragmente wie "unsere Heimat schützen", "kämpfen" oder "islamistische Gefahr" zu verstehen.
Die NPD hatte die Demo nicht angemeldet, aber auf fast allen Transparenten, die in Lüchow ausgestellt wurden, prangte das NPD-Logo. Und Manfred Börm gehört zur ersten Garde der Nationaldemokratischen Partei, der im Laufe der Jahrzehnte immer wieder mit schlagkräftigen Argumenten auffiel. 1979 wurde er wegen eines Überfalls auf ein NATO-Biwak zu sieben Jahren Haft verurteilt. 2009 ermittelte die Staatsanwaltschaft Itzehoe gegen ihn und weitere NPD-Funktionäre wegen schwerer Körperverletzung.
wnet hatte kurz vor der Demo Gelegenheit, mit Manfred Börm zu sprechen. Auf die Frage, warum er sich gegen Ausländer in Deutschland einsetzt, betonte Börm, dass er "sie ja nicht eingeladen habe." "Die Regierung hat sie eingeladen, dann muss die Regierung sie auch wieder nach Hause schicken," so Börm. Wen? Die Flüchtlinge? Oder überhaupt alle Ausländer? "Der Islam gehört nicht zu Deutschland", ist Börms Antwort. In seiner Logik sind Ausländer deshalb nur "als Touristen gern gesehen" - aber nicht als Einwohner.
Und die Gastarbeiter, die vor mehr als 50 Jahren bewusst ins Land geholt worden waren, um deutschen Wohlstand zu befördern? "Auch die habe ich nicht eingeladen, das war auch eine politische Entscheidung." Spätestens bei der Frage nach den "Gastarbeitern" dämmerte Börm und seinen Gesinnungsgenossen, dass ihre Gesprächspartnerin andere Vorstellungen über gesellschaftliche Werte hat als sie selber. Womit das Gespräch abrupt beendet war.
Es war das erste Mal in jüngerer Geschichte, dass sich NPD-Funktionäre in Lüchow-Dannenberg öffentlich mit ihrer Gesinnung präsentierten. Angesichts der vehementen Ablehnung durch so zahlreiche Gegendemonstranten könnte es vielleicht auch das letzte Mal gewesen sein.
Foto | wnet: Ein NPD-Anhänger aus Berlin warnte in Lüchow die "Wohlstandsverblödeten" vor Gefahren, die von "Islamisten" ausgingen.