Der Krieg in der Ukraine zeigt, dass es Armeen gibt, die auch nicht davor zurückschrecken, Atomanlagen mit Raketen zu beschießen. Wie sicher sind die deutschen Zwischenlager vor derartigen Angriffen?
So hypothetisch wie noch vor einigen Wochen ist die Frage nicht mehr, inwieweit deutsche Zwischenlager - somit auch Gorleben - vor militärischen Angriffen sicher sind. Noch vor vier Wochen hätten die Zuständigen genervt die Augenbrauen hochgezogen, wenn jemand ihnen eine so "distopische" Frage gestellt hätte.
Doch seit dem Raketenbeschuss des größten Atomkraftwerks in Europa in Saporischschja (Ukraine) ist alles anders. Die Sicherheiten der vergangenen Jahrzehnte gibt es nicht mehr.
Wie steht es also mit der Sicherheit der deutschen Zwischenlager - hier speziell Gorleben - gegen militärische Angriffe?
Das für die Sicherheit in der nuklearen Entsorgung zuständige Bundesamt (BASE) verweist zunächst auf die verschiedenen Lagerungsvarianten sowie die Verpflichtung der Betreiber, die Sicherheit von Zwischenlagern zu garantieren
Vorgeschrieben seien auch Vorkehrungen gegen Einwirkungen von außen, wie Erdbeben,
Brände, Blitzeinschläge oder unbeabsichtigte Flugzeugabstürze, so das BASE. Darüber hinaus müsse jedes Zwischenlager auch gegen u.a.
mutwillige Beschädigung, gezieltes Eindringen oder Entwendung von
Kernbrennstoffen geschützt sein - ebenso wie gegen Explosionswellen.
Auch gegen naturbedingte Einwirkungen wie
Erdbeben, Überflutungen, Sturm oder Blitzschlag müssten in den Zwischenlagern entsprechende Schutzvorrichtungen nachgewiesen werden. Die Sicherheit solle einerseits durch Dicke und Beschaffenheit der Gebäudemauern als auch durch die Castorbehälter selber gewährleistet werden. Um solchen Belastungen sicher zu widerstehen werden für die Sicherheit
relevante Komponenten – insbesondere die Behälter – sehr
massiv ausgeführt. Über immer wieder geforderte Überflugverbote äußert sich das BASE nicht.
Seit Jahrzehnten wird auch der Schutz gegen terroristische Angriffe diskutiert. Gorlebengegner bezweifeln bis heute, dass hier ein ausreichender Schutz existiert. Das BASE betont dagegen, dass die Betreiber auch Sicherheitsnachweise für derartige Gefahren zu liefern haben.
"Welche Mittel bei einem solchen Angriff zum Einsatz kommen können, wird durch ExpertInnen von Bund und Ländern regelmäßig bewertet und entsprechende Anforderungen festgelegt," so das BASE. "Die Waffen entwickeln sich auch weiter und können bei bestehenden Anlagen Nachrüstungen erforderlich machen. Dies ist z.B. bei Zwischenlagern in der Vergangenheit bereits der Fall gewesen. Nach dem 11. September 2001 sind Zwischenlager beispielsweise gegen gezielt herbeigeführte Flugzeugsabstürze ausgelegt worden." Die emtsprechenden Annahmen und Vorschriften würden aber geheimgehalten, da diese Informationen zur Vorbereitung eines Angriffs verwendet werden könnten.
Schutz bei kriegerischen Auseinandersetzungen
"Im
Kriegsfall bleiben atomrechtliche Behörden und Betreiber – wie aktuell
in der Ukraine – soweit möglich arbeitsfähig," so das BASE. "Gleichzeitig gehen
wichtige Teile der Verantwortung auf andere staatliche Stellen über.
Diese müssen dann relevante Risiken ermitteln und wenn diese Risiken zu
groß werden, Maßnahmen ableiten." Welche dies genau sind, lässt das BASE offen.
Grundsätzlich böten die oben
beschriebenen vorgeschriebenen Maßnahmen auch einen gewissen Schutz bei
kriegerischen Auseinandersetzungen. "Einen vollständigen Schutz gegen
jeglichen denkbaren Angriff mit Kriegswaffen durch die Armee eines
anderen Staates können allerdings weder ein Staat noch ein Betreiber
einer atomaren Anlage vornehmen oder gewährleisten," räumt das BASE ein.
Es sei nicht realistisch einzuschätzen, welche Folgen im Einzelfall eintreten könnten, da es seit dem Beginn der friedlichen Nutzung von Atomkraft noch nie vorgekommen sei, dass ein Krieg treibender Staat Atomanlagen angegriffen hat.
Ansonsten verweist das BASE auf einen Beschluss der Internationalen Atomenergieorganisation IAEO: "Angesichts der mangelnden Schutzmöglichkeiten, hat die IAEO 2009 festgelegt, dass solche Anlagen
weder Ziel einer Drohung noch Ziel der Anwendung militärischer Gewalt
werden dürfen."
Foto | BGZ: Bereits 2018 kündigte die BGZ als Betreiberin des Zwischenlagers an, dass die Gebäude besser gegen äußere Angriffe geschützt werden sollen. Was genau passieren soll, blieb damals allerdings weitestgehend ein Geheimnis der BGZ und des BfE.