Der Landkreis will sich zu 100 % aus eigenen, regenierbaren Quellen mit Energie versorgen. Dazu gehört auch Windkraft – über Möglichkeiten und Schwierigkeiten eines Großprojektes "Wind aus dem Wald" kamen am Donnerstag Fried Graf von Bernstorff sowie einige Kommunalpolitiker und Landrat Jürgen Schulz ins Gespräch.
Geht es nach den Vorstellungen von Fried Graf von Bernstorff, so werden sich in den nächsten Jahren im Trebeler Forst, nordöstlich von Trebel, nahe des Erkundungsbergwerks Gorleben, bis zu 20 Windräder drehen und zum Bürgernutzen für Energie sorgen.
Die Fläche ist nicht ohne Bedacht gewählt: zum einen brannte hier in den 70er Jahren eine riesige Waldfläche nieder – die Spuren des damaligen Großbrandes sind noch heute in Wald und Boden nachzuvollziehen. Zum Anderen ist der Wald zwischen Trebel und Gorleben durch das Erkundungsbergwerk Salzstock Gorleben zu einem bundesweit bekannten Symbolort für eine aus Sicht der Atomkraftgegner fehlgeleitete Energiepolitik geworden. Und nicht zuletzt handelt es sich um die Fläche um gemeindefreies Gebiet, was bedeutet, dass Unternehmen, die sich hier ansiedeln keine Gewerbesteuer zu zahlen brauchen. Die hierdurch eingesparte Summe, von Bernstorff schätzt sie auf einen sechstelligen Betrag im Jahr, soll in eine Bürgerstiftung fließen, die zukunftsfähige Projekte zur Umsetzung einer Bürgergesellschaft fördern und umsetzen soll.
Wind und Gegenwind
Der Waldbesitzer von Bernstorff weiß auch, dass ein Windkraftprojekt in der geplanten Größenordnung – immerhin werden 600 ha Wald dafür beansprucht – bei Naturschützern und Raumplanern nicht unbedingt auf offene Ohren stößt. Deshalb lud er frühzeitig zu einer Gesprächsrunde ein, um unter der Moderation von Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlement, Vorteile aber auch kritische Punkte mit Kommunalpolitikern, einem Umweltplaner sowie Landrat Jürgen Schulz zu erörtern.
Rebecca Harms weiß, dass in anderen Bundesländern wie Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen "Wind-über-dem-Wald"-Projekte längst nicht mit so restriktiven Vorgaben belegt sind wie in Niedersachsen. „Das Land schreibt
in seinem Landesraumordnungsprogramm vor, dass Windkraftnutzung im Wald nur dann genehmigt werden darf, wenn die
Flächen stark vorbelastet bzw. geschädigt sind,“ so Harms. Ob die
Vorschädigungen der Trebeler Waldgebiete durch den Großbrand in den 70er Jahren
aus Landessicht als ausreichend betrachtet werden - daran hegte nicht nur von Bernstorffs Anwalt, Albrecht Wrede, Zweifel. "Wichtig wird sein, dass die Region sich einig ist, nach welchen Kriterien sie Windkraft-Projekte zulassen will," so Wrede.
Windkraft als Anteil zur Energiewende
Nichts desto trotz waren die Anwesenden sich einig, dass Initiativen zur Produktion von Erneuerbaren Energien unterstützt werden müssen. „Die Region muss ihren Anteil zur Energiewende leisten,“ so zum Beispiel Landrat Jürgen Schulz. „Da müssen wir alles tun, um diese zu befördern.“ Er wies allerdings gleichzeitig darauf hin, dass das Regionale Raumordnungsprogramm, welches sich auf Beschluss des Kreistages (Sitzung am 25.06.2012) gerade wegen diverse Anträge auf Einrichtung neuer Windvorrangstandorte in Überarbeitung befindet, die Vorgaben des Landes berücksichtigen muss.
Für Rebecca Harms gab es keine Zweifel daran, dass die sogenannten „Wind-über-dem-Wald“-Projekte nicht in ökologisch wertvollen Mischwäldern umgesetzt werden können, sondern nur in Wirtschaftswäldern. „Wichtig ist auch, dass die Investitionen aus der Region kommen und somit die Profite auch in der Region bleiben,“ so Harms weiter.
Nach den Vorstellungen von Fried von Bernstorff soll eine Bürgergesellschaft das Projekt tragen und somit die Bürger auch von den Gewinnen der Windkraftanlage profitieren. Ein genaues Modell für die Beteiligungsformen muss noch entwickelt werden.
Die Netzanbindung ist über Erdkabel geplant, so dass nicht zusätzlich Oberleitungen und -masten das Landschaftsbild zwischen Trebel und Lüchow zerschneiden.
Die Skeptiker in der
Runde, wie CDU-Kommunalpolitiker David Beecken oder Kreistagsabgeordneter
Günter Nemetschek (UWG) bechäftigte vor allem, dass das Landschaftsbild durch
die auf Nabenhöhe ca. 145 m hohen Anlagen nicht zerstört wird. Da die
Windkrafträder in der Sichtachse Marleben – Gedelitz – Nemitzer Heide
wahrnehmbar sein werden, beschäftigte David Beecken vor allem, dass die
Nemitzer Heide als touristisches Gebiet nicht beeinträchtigt wird, aber auch
dass die Anlagen nicht zu dicht an Wohnsiedlungen heranrücken.
Trebels Bürgermeister Wolfgang Wiegrefe berichtete, dass der Gemeinderat dem Projekt zwar positiv gegenüber stehe, es aber trotzdem einige kritische Punkte gäbe wie Einschränkungen im Landschaftsbild oder eine durchgängige Befeuerung der Anlagen.
Der Umweltplaner Günter
Ratzbor, den von Bernstorff frühzeitig in das Projekt eingebunden hatte, um
Umweltfragen zu klären, konnte viele der Argumente entkräften, musste
allerdings auch eingestehen, dass es letztendlich um die Frage gehe, wie
„Menscheninteresse gegen Naturinteresse“ abzuwägen sei. „Dieser Konflikt darf
aber nicht gegeneinder ausgespielt werden,“ warnte Ratzbor. Vielmehr gelte es,
die zu nutzenden Flächen sorgfältig auszuwählen und nur die Waldgebiete für
Windkraftanlagen zu nutzen, die als sogenannter „Stangenwald“ ihren
ökologischen Wert schon lange verloren haben bzw. durch Schädigungen stark
vorbelastet sind – wie z.B. die Trebeler Waldflächen durch den Großbrand.
Ob und wann aus der Ferne außer dem Schachtturm des Erkundungsbergwers auch viele sich drehende Windräder zu sehen sein werden, das wird sich erst nach einem langwierigen Prozess zeigen. Die Gesprächsrunde in Platenlaase war da nur ein kleiner Anfang. Planungsverfahren werden folgen, Verhandlungen mit dem Land und nicht zuletzt ein öffentliches Bürgerbeteiligungsverfahren, bevor regional erzeugte Energie in die Netze eingespeist werden kann.
Grafik: Umweltplanungsbüro Schmal und Ratzbor / In den türkis schraffierten Bereichen plant Graf von Bernstorff die Aufstellung von bis zu 20 Windkrafträdern.