Wird der Windkraft-Ausbau in Lüchow-Dannenberg gestoppt?

Das Land Niedersachsen will bis zum Jahre 2050 durch Windkraft 20 000 Megawatt Energie produzieren. Deshalb sollen die Landkreise "substanziell Raum" für effiziente Anlagen schaffen. Im Umweltausschuss des Landkreises kam dieses ehrgeizige Ziel gar nicht gut an.

Im März vergangenen Jahres beschloss der Kreistag, die Abstandsregelungen für Windkraftanlagen massiv zu verschärfen . Die Konsequenzen dieses Beschlusses brachte im November der strategische Umweltbericht zu Tage: bleibt der Kreistag bei seinem Beschluss, ist der Ausbau der Windkraft de facto so gut wie gestoppt, da kaum noch für Windkraftanlagen beplanbare Flächen übrig bleiben.

Schon damals befürchtete die Kreisverwaltung, dass der Beschluss des Kreistages die Entwicklung eines genehmigungsfähigen Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) unmöglich machen würde. Denn: mehrere Gerichte, unter anderem das Bundesverwaltungsgericht haben - teilweise schon 2008 - entschieden, dass Kommunen keine Planung machen dürfen, die einzig zum Ziel hat, die Erstellung von Windkraftanlagen in ihrem Planungsbereich zu verhindern. "In einer solchen Situation bedürfe es einer eingehenden Prüfung und städtebaulichen Begründung für die getroffene Festlegung der Pufferzonen," heißt es zum Beispiel in der Begründung des BVerwG (BVerwG 4 CN 2.07)   zu einer Revisionsablehnung. Da darin betroffene Kommune hatte ziemlich genau das getan, was der Kreistag letztes Jahr beschlossen hatte: pauschal ohne Einzelfallprüfung große Flächen des Verwaltungsbereichs von der Nutzung für Windkraft ausgeschlossen. 

Ohne rechtssichere Planung keine Chance auf Genehmigung

Diesen Rechtshintergrund musste Lüchow-Dannenbergs Regionalplaner Joachim Schwarz dem gemeinsam tagenden Umwelt- und Wirtschaftsausschuss mehrfach erläutern. Vor allem die Abgeordneten der SOLI-Gruppe mochten so gar nicht nachvollziehen, dass es sinnvoll sein könnte, zunächst einmal mehr Flächen für den eventuellen Bau von Windkraftanlagen zu benennen als später tatsächlich in das Regionale Raumordnungs-Programm aufgenommen werden.

Wie Joachim Schwarz und seine Kollegin Margarete Langer dem Ausschuss erläuterten, würde eine rechtssichere Planung nur dann genehmigungsfähig sein, wenn der Landkreis jede einzelne Fläche, die nach Ausschluss von" harten" Tabukriterien (u.a. gesetzlich festgelegte Abstände zu Siedlungen und Gewerbegebieten, EU-Vogelschutzgebiete, Biosphärenreservaten oder Naturschutzgebieten) übrig bleibt, einer Umweltprüfung unterziehen lässt. Nur so wäre für jede Fläche schlüssig nachweisbar, dass diese aus naturschutzfachlichen oder sonstigen, klar benannten, Schutzgründen ausgeschlossen wurde.

Durch detaillierte Einzelprüfung zum Ausschluss kommen

"Wir sind überzeugt, dass nach Durchführung derartiger Einzelfallprüfungen kaum noch Flächen übrig bleiben, die zur Nutzung als Windkraftanlagen-Standorte geeignet sind," so Joachim Schwarz. "Denn dieser Landkreis mit seinen vielzähligen Schutzgebieten muss nach anderen Kriterien bewertet werden als ein Landkreis mit hoher gewerblicher Nutzung der Flächen." Doch um beim Land für diese Sichtweise Akzeptanz (und damit Genehmigung) zu finden, müsse der Umweg über die Ausweisung ausreichender Flächen und den Einzelausschluss durch detaillierte Umweltprüfungen gegangen werden, so Schwarz. Deshalb schlug die Verwaltung den Abgeordneten vor, die für Windkraft vorgesehenen Flächen zunächst nach milderen Kriterien zu bewerten als der Kreistagsbeschluss von März 2013 vorsieht (Karte der vorgeschlagenen Planungsflächen (Größe 21 MB!) steht hier! zum Download bereit). Das würde bedeuten, dass zunächst wesentlich mehr Flächen für die Windkraftnutzung benannt werden als der Kreistagsbeschluss vom März 2014 vorsieht. 

Ohne gültiges RROP könnten Windkraftanlagen (fast) überall entstehen

Was geschieht, wenn der Landkreis ein RROP entwickelt, welches nicht genehmigt wird, skizzierte auch Umweltplaner Oliver Gockel, der für den Landkreis den strategischen Umweltbericht erstellt hatte. "Sie werden dann für einen längeren Zeitraum ohne gültiges Raumordnungsprogramm leben müssen," warnte Oliver Gockel. "Damit können die Betreiber von Windkraftanlagen Bauanträge für alle Flächen stellen, die nicht gesetzlich von der Nutzung für Windkraftanlagen ausgeschlossen sind." In diesem Falle hätte der Landkreis keine steuernden Planungsmöglichkeiten mehr - die Entscheidungen hätten dann die Gemeinden bzw. Samtgemeinden zu fällen.

Der grüne Abgeordnete Dr. Hans-Christian Lange konnte sich noch gut daran erinnern, was passiert war, als es 2004 schon einmal zu der Situation gekommen war, dass der Landkreis eine Weile ohne gültiges RROP leben musste. "In dieser Zeit sind die drei größten Anlagen der Region genehmigt worden," warnte Lange.

Den Abgeordneten Horst Kaufmann (CDU) riss es bei der Vorstellung vom Stuhl, dass er womöglich für die Genehmigung zuständig sein würde. "Wenn wir jetzt nicht für ein rechtssicheres Raumordnungsprogramm sorgen, dann haben wir das Land offen," erregte sich der Bürgermeister der Gemeinde Lemgow. "Das möchte ich als Bürgermeister nicht erleben müssen." Denn Kaufmann weiß, dass es angesichts des zunehmenden massiven Widerstands in der Bevölkerung gegen neue Windkraftanlagen für keinen Bürgermeister ein gemütlicher Spaziergang wird, sollte er sich für den Bau neuer Anlagen einsetzen.

Wie massiv Teile der Bevölkerung gegen neue Windkraftanlagen ist, zeigte sich in der Ausschuss-Sitzung schon alleine durch die Vielzahl der anwesenden ZuhörerInnen: rund 50 WindkraftgegnerInnen hatten sich am Dienstag im Gildehaus eingefunden, um ihrem Protest gegen weitere Windkraftanlagen Ausdruck zu verleihen. Von "Manipulation durch die Kreisverwaltung" war in der Bürgerfragestunde die Rede, vom "Verlust der Menschenwürde" und "ethisch-moraler Fragwürdigkeit" beim Bau neuer Windkraft-Anlagen. So mancher Bürger würde am liebsten auch die schon bestehenden Anlagen wieder los werden. 

Hartnäckige Verweigerung bei Naturschützern und SOLI

Die Abgeordneten der SOLI-Gruppe (Martin Donat und Hermann Klepper) blieben trotz der schon fast gebetsmühlenartig vorgetragenen dringlichen Empfehlung der Verwaltung, sich für ein rechtssicheres Vorgehen zu entscheiden, hartnäckig bei ihrer Ablehnung, die Kriterien für die Ausweisung von Flächen abzumildern - wofür sie kräftigen Beifall der ZuhörerInnen bekamen. 

Auch Naturschutzbeauftragter Eckhard Krüger, der dem Umweltausschuss als beratendes Mitglied angehört, verwies auf vielfache naturschutzfachliche Bedenken gegen den Bau neuer Windkraftanlagen.

Die grünen Abgeordneten (Elke Mundhenk, Dr. Hans-Christian Lange und Andreas Kelm) plädierten grundsätzlich dafür, die Kriterien zunächst abzuändern, um zu einer rechtssicheren Planungsgrundlage zu kommen, mochten sich aber letztendlich nicht festlegen lassen. "Um Zeit zu gewinnen, das Thema noch einmal in der Fraktion zu besprechen", schlug Elke Mundhenk vor, das Thema im Ausschuss lediglich als "behandelt" zu betrachten und keinen Beschluss über die Vorlage zu fassen.

Trotz des Einwurfs von Seiten der CDU-Fraktion, dieses Vorgehen sei "feige", entschied sich die Mehrheit der Ausschuss-Mitglieder dennoch, dem Vorschlag zu folgen und keine Entscheidung zu treffen. Nun wird das Thema demnächst (unter Ausschluss der Öffentlichkeit) im Kreis-Ausschuss noch einmal besprochen, bevor es voraussichtlich am 16. März im Kreistag behandelt wird.

Foto / Angelika Blank: Die Stimmung in Lüchow-Dannenberg ist düster, wenn es um den Bau neuer Windkraftanlagen geht. Selbst die schon bestehenden Anlagen (hier auf dem Thurauer Berg) möchten einige Gegner am liebsten nicht mehr sehen.




2015-03-04 ; von Angelika Blank (autor),
in 29439 Lüchow, Deutschland

erneuerbare energien  

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