Anja Piel: Bürger an Entscheidungen beteiligen - Gorleben ist ungeeignet

In ihrer Entgegnung auf Stephan Weils Regierungserklärung am Tag zuvor, beschäftigte sich  Grünen-Fraktionsvorsitzende Anja Piel unter anderem damit, wie es gelingen kann, die Bürger des Landes stärker an politischen Entscheidungen teilhaben zu lassen.

"Demokratie darf keine Festung sein, die nur einmal alle fünf Jahre ihre Tore öffnet," rief Piel den Abgeordneten zu - und deutete damit gleichzeitig einen neuen Politikstil an, der BürgerInnen und Bürger in den nächsten fünf Jahren stärker an Planungen und Entscheidungen der Landesregierung beteiligen will. 

Hier Auszüge aus der Rede der Fraktionsvorsitzenden:

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Wie machen wir in den nächsten Jahren Landespolitik begreifbar? Und wie schaffen wir es, dass Menschen in Niedersachsen, vor allem solche Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten, die schlecht bezahlte Jobs haben, und auch diejenigen, die mit Handicaps in einem wenig barrierefreien öffentlichen Raum ihr Leben organisieren müssen, sich von der Politik vertreten fühlen?

Zunächst einmal braucht es deutlich mehr Transparenz, mehr Information wir brauchen ein ganz neues Leitbild für die Arbeit der Ministerien, Informationen müssen schnell und barrierearm zur Verfügung gestellt werden. Wir wollen weniger Hürden für Bürgerbeteiligung, Volksbegehren und Volksentscheide müssen zukünftig leichter möglich sein. Eine Ausweitung der Themen ist ebenfalls wichtig, aber auch neue Formen der Beteiligung bei vielen Projekten, ganz besonders wichtig für den Ausbau der Erneuerbaren Energien, insbesondere wenn es darum geht, den Netzausbau zu organisieren; die Rekommunalisierung der Strom- und Energieversorgung bietet sehr viel Chancen für mehr Demokratie, insbesondere zum Beispiel durch die Gründung von Energiegenossenschaften.

Für ein wichtiges Thema in Niedersachsen brauchen wir vor allen Dingen diese neue Transparenz: Rotgrün hat sich in der Koalitionsvereinbarung klar dazu bekannt, dass Gorleben als Endlagerstandort für strahlenden Müll ungeeignet ist.

Wir werden hinter dieses unerfreuliche Stück niedersächsischer Geschichte endgültig einen Punkt setzen, denn es braucht den Start in eine ergebnisoffene Endlagersuche.

Denn einerlei, ob nach dem zwingend notwendigen endgültigen Ausschluss von Gorleben in Baden Württemberg oder Niedersachsen nach einem Standort gesucht wird, muss es für die Standortauswahl Verfahren geben, die mit einer neuen Transparenz dafür sorgen, dass Vertrauen entsteht. Die Fehler aus dem Wendland dürfen nicht wiederholt werden.

Mit der rotgrünen Landesregierung in Niedersachsen ist für die Lösung dieser verfahrenen Lage eine neue Situation entstanden. Denn was bisher auf der Bundesebene immer sehr abstrakt und frei schwebend diskutiert wurde, muss jetzt mit einer Landesregierung abgestimmt werden, die aus den Erfahrungen mit der Asse und aus Gorleben die Schlussfolgerung gezogen hat: Sicherheit geht über alles.

Verantwortung übernehmen wollen wir auch in der Gestaltung einer Landwirtschaft, die sich in viel stärkerem Maße als bisher an Verbraucherschutz, Tierschutz und auch an Klima- und Umweltschutz orientiert, wir wollen weg von einer industrialisierten Tierproduktion, die nicht nur unverantwortlich mit den lebenswichtigen Ressourcen umgeht, sondern die auch einen Einsatz an Medikamenten und insbesondere an Antibiotika bei der Massentierhaltung erforderlich macht, der jedes vernünftige Maß überschreitet.

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Wir wollen Politik machen, die auch die Verbraucher schützt, die in Supermärkten darauf vertrauen, dass in der Kühltheke keine Giftstoffe liegen und sich in der Lasagne kein Pferdefleisch verbirgt.

Wir haben uns für die nächsten Jahre viel vorgenommen, auch bei der Bildungspolitik, das beginnt mit einem bedarfsgerechten Betreuungsangebot für die Jüngsten und endet noch lange nicht mit der Abschaffung der Studiengebühren.

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In der niedersächsischen Schul- und Bildungslandschaft werden wir uns weiteren Herausforderungen stellen müssen. Ich bin sehr froh, dass wir mit unserem Koalitionspartner keine weitere Strukturdebatte zur Schullandschaft führen, sondern uns vielmehr der Frage widmen, wie der Eltern- und der Schülerwille ernst genommen werden kann.

Das heißt aus unserer Sicht, dass Ganztagsangebote genauso ausgebaut werden müssen wie das Angebot an Integrierten Gesamtschulen, dafür haben wir insbesondere in der Fläche die Hürden gesenkt.

Wir wollen anders als unsere Vorgänger, dass der Besuch einer integrierten Gesamtschule nicht das Privileg der Kinder in Göttingen. Hannover und Oldenburg bleibt, sondern den Kindern in Ostfriesland und im Harz genauso möglich gemacht wird.

Wir wollen unsere Schul und Bildungslandschaft inklusiver machen, das heißt, dass Kinder und Jugendliche entsprechend ihrer unterschiedlichen Begabung gefördert werden und die Chance haben, in ihrem ganz eigenen Tempo zu lernen. Zusammenhalt kann nur dann entstehen, wenn Menschen gleiche Chancen haben.

Ich habe mich gestern sehr darüber gefreut, dass der neugewählte Landtagspräsident Bernd Busemann in seiner Eröffnungsrede angemahnt hat, dass dieses Parlament, dass die Politik in diesem Land eine Verantwortung dafür trägt, das Miteinander mit Einwanderinnen und Einwanderern im Land zu verbessern.

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Wir machen ernst damit, indem wir das Amt einer Integrationsbeauftragten geschaffen haben, die bei allen Entscheidungen und Maßnahmen auf die Umsetzung dieses Ziels achten wird. So wie wir die Integrationskommission stärken werden.

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Aber es geht nicht nur um Erleichterung der Einwanderung, um verbesserte Teilhabe und mehr Vielfalt, es geht auch um Humanität in der Flüchtlings- und Asylpolitik.

Wir werden einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel, zur Politik des ehemaligen Abschiebeministers Schünemann einleiten. Diese Änderung wird im besten Sinne radikal sein, das heißt, wir wollen eine von Grund auf andere Haltung zu den verfolgten und bedrohten Menschen einnehmen und in diesem Geist für sie einstehen.

Konkret werden wir Gesundheitsvorsorge auch für Menschen ohne Papiere gewährleisten, die entwürdigende Wertgutscheinzuteilung durch Bargeldauszahlung ersetzen oder für eine Aufhebung der Residenzpflicht sorgen.

Und wir werden ein humanitäres Bleiberecht umsetzen und dafür auch die Härtefallkommission grundlegend reformieren.

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auch frauenpolitisch waren die letzten zehn Jahre in Niedersachsen kein Gewinn. Es wurden nicht nur die Rechte von Frauen vernachlässigt, auch die  Erwerbschancen haben sich verschlechtert, im Niedriglohnsektor arbeiten anteilig heute deutlich mehr Frauen als Männer, mit schlimmen Folgen für das Armutsrisiko von Frauen im Alter.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wurde nicht ausreichend gefördert: Aktuell fehlen noch immer fast 20.000 Kindergartenplätze im Land. CDU und FDP haben sich nicht für gleichen Lohn eingesetzt; es gab keine Initiativen für die Quote für Vorstände und Aufsichtsräte.

Wir wollen das ändern. Rotgrün setzt sich für gute Arbeit und für gerechte Löhne für Frauen ein, für die Abschaffung des Betreuungsgeldes und für ein gleichberechtigtes Miteinander von Frauen und Männern in Beruf und Familie.

Ja, auch wir können und wollen noch ehrgeiziger und besser werden, wir wissen auch, die Quotierung im Kabinett wurde nicht ganz erreicht.

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Auf eine kleine Replik zur Regierungserklärung unseres Ministerpräsidenten möchte ich an dieser Stelle doch nicht verzichten.

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Wir Grüne wünschen uns viel mehr Ehrgeiz und viel mehr Konsequenz beim Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und bei der Entwicklung von schadstoffreduzierten oder schadstofffreien Antriebssystemen.

Erstmals seit 19 Jahren übernehmen Grüne wieder Verantwortung für die Gestaltung der Regierungspolitik. Wir werden unseren Beitrag für Erneuerung und Zusammenhalt und für mehr Ökologie und Solidarität leisten.  


2013-02-20 ; von pm (autor), asb (autor), auf lokales

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