Der Präsident des Atomforums, Ralf Güldner, hatte am Mittwoch-Morgen gegenüber der Tageszeitung "Die Welt" bereits die Überprüfung der Zahlungspflicht für Gorleben angekündigt.
Demnach hatte Güldner zwar eingeräumt, dass die AKW-Betreiber zwar nach der Endlager-Vorausleistungsverordnung verpflichtet seien, den "notwendigen Aufwand" für Erkundung und Einrichtung eines Endlagers zu tragen, es sei jedoch fraglich, "ob die Finanzierung eines reinen Offenhaltungsbergbaus ohne jede Erkundung noch zu dieser Pflicht gehört.
Zwei Klagen hatten die Energieunternehmen bereits angestrengt: gegen den entschädigungslosen Atomausstieg läuft eine Verfassungsklage und gegen die Brennelementesteuer hatten die Betreiber Klage eingereicht. "Mit der Suche nach alternativen Standorten könnte hier das dritte Thema kommen, bei dem wir für unsere Rechtsposition eintreten müssen," so Güldner weiter.
Harms: Chance auf eine verantwortbare Lösung des Atommüllproblems
Für die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, bietet der jetzt gefundene Kompromiss neue Chancen: "Die gestern zwischen Bundesrat,
Bundesumweltminister und Fraktionsvorsitzenden des
Bundestages beschlossene Enquetekommission zur Endlagersuche
verbessert die Chancen auf eine verantwortbare Lösung
des Atommüllproblems. Sie öffnet einen Weg
für ein breit getragenes Verfahren zur Suche nach einem
geeigneten Endlager," so Harms in einer Erklärung.
Die Demokratisierung des geplanten Prozesses sei vor allem dem Engagement der neuen niedersächsischen Landesregierung zu verdanken, so Harms weiter . "Sie hat damit zum Teil eine meiner langjährigen Forderungen aufgegriffen, mit einer solchen Kommission einen belastbaren gesellschaftlichen Konsens zu schaffen.
Bedauerlich bleibt, dass Bundesrat und Bundestag das Gesetz verabschieden, ohne die Empfehlungen der Kommission abzuwarten. Die beabsichtigte Einbeziehung Gorlebens in das neue Verfahren ist auch aus meiner Sicht eine Bürde für den zukünftigen Prozess."
Die Arbeit und Ernsthaftigkeit der Kommission werde nun darüber entscheiden, ob Vertrauen in den neuen Prozess der Endlagersuche geschaffen werden kann, so Harms. Für den Erfolg der Arbeit sei eine ausgewogene Zusammensetzung aus Politik, Interessensgruppen der Gesellschaft und der Wissenschaft wichtig.
"Nach jahrzehntelangem Streit zwischen Parteien, Industrie
und Gesellschaft wird die größte Herausforderung
für die Mitglieder der Kommission sein, die Probleme
der Endlagerung aufrichtig neu zu bewerten und dann ein
entsprechendes, für alle Beteiligten akzeptables
Verfahren zu erarbeiten," sagte Harms am Mittwoch morgen. "Die Politik muss unabhängig von politischen
Mehrheiten gewährleisten, dass die Empfehlungen der
Kommission auch umgesetzt werden. Das gilt zuerst für
das Gesetz zur Standortauswahl. Empfehlungen der Kommission
müssen 2015 zu einer Revision des Gesetzes
führen."
Die Kreistagsfraktion der Sozial-Oekologischen-Liste Wendland (SOLI) interpretiert den so genannten Endlagerkompromiss zwischen CDU, FDP, SPD, und Grünen als klassischen Fehlstart. „36 Jahren Lug und Trug wird eine weitere Schimäre hinzugefügt,“ sagte Fraktionssprecher Kurt Herzog. Die rechtlich und geologisch unhaltbare Vorauswahl von Gorleben werde auf dies Weise mit Hilfe der neuen rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen auch noch legitimiert. „Ihren Antrag gegen Gorleben auf dem grünen Bundesparteitag können sich die hiesigen Grünen schenken,“ so Herzog weiter.
Nach Ansicht der SOLI ist die Enquete-Kommission das Feigenblatt, um Gorleben abzusichern. „Die Sperrminorität von einem Drittel der Mitglieder wird Ausschluss-Kriterien wie ein intaktes Deckgebirge verhindern. Dafür werden die Strippenzieher um Hennenhöfer und „Atommafia“ schon sorgen,“ ist sich Herzog sicher.
Herzog wies darauf hin, dass nach der Linksfraktion sich auch die niedersächsische SPD im vergangenen Herbst mit großem Medien-Brimborium gegen das Lagermedium Salz ausgesprochen habe. „Das alles wird jetzt geopfert auf dem Altar der Macht. Ebenso wie das Akzeptieren der falschen Reihenfolge, erst ein Gesetz zu machen und anschließend über Grundlagen zu plaudern.“
SOLI kritisierte, dass die Erkenntnisse der Untersuchungsausschusses Gorleben mit dieser „Einigung“ mit Füßen getreten werden. „Die schwarz-gelben Ignoranten bekommen faktisch zu 100 % Recht, und das mit rot-grüner Tinte“.
Den Verschiebebahnhof der Castortransporte ordnete Herzog als Valium fürs Wendland ein. „Das ist ein Schachzug, um den Widerstand zu schwächen. Trittin wird dann wie in der Vergangenheit die Menschen auffordern, nicht gegen die guten Castoren zu demonstrieren“.
Die SOLI abschließend: „Weil und Wenzel hätten in Berlin mit einem klaren niedersächsischen Veto auflaufen müssen. Zusammen mit dem eindeutigen ablehnenden Votum des Lüchow-Dannenberger Kreistags wäre Gorleben nicht durchsetzbar. Das konnte Ernst Albrecht besser als die rot-grünen Einknicker.“
ausgestrahlt!: Enttäuschung über ein "schnell gestricktes, mangelhaftes Gesetz
„Wir sind enttäuscht, dass die Politik sich nicht dazu durchringen konnte, mit dem Gesetz zu warten, bis es einen Konsens in der Enquete-Kommission gibt," kritisiert Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Initiative ausgestrahlt!. den Endlagersuch-Kompromiss. "Heute hätte ein historischer Tag sein können, aber das ist leider nicht gelungen. Denn das Ergebnis der heutigen
Verhandlungen wird unweigerlich zu neuem Streit und Verzögerungen führen."
Jetzt bekomme Deutschland ein schnell gestricktes, mangelhaftes Gesetz. Es stehe in den Sternen, ob Bundestag und Bundesrat dazu bereit seien, dieses Gesetz zu revidieren, wenn die Kommission zu abweichenden Vorschlägen kommt.
"Entgegen aller Beteuerungen behält der Standort Gorleben eine Sonderrolle im neuen Gesetz. Einen wirklichen Neustart kann es so nicht geben," resümiert Jochen Stay.