Das Wendland war und ist ungewollter oder ersehnter Zufluchtsort. Seit 1988 befasst sich das Museum Wustrow mit der Flüchtlingsthematik, hat zahlreiche Zeitzeugen befragt, eine umfangreiche Ausstellung erarbeitet und 1991 eine Publikation herausgebracht. Nun schlägt das Museumsteam ein neues Kapitel auf – und eröffnet am Pfingstsonntag um 11 Uhr die neue Sonderausstellung „Stadt Land Flucht – Vom Weggehen und Ankommen im Wendland“.
Die aktuelle Ausstellung umfasst den Zeitraum 1944 bis 2017. Sie stellt die persönliche und gesellschaftliche Dimension von Flucht, Zwangsmigration und Zuwanderung sowie Stadt- und Landflucht zeitübergreifend dar. Wie gelingt das Heimisch-Werden und wie verändert sich der Landkreis Lüchow-Dannenberg durch die „Hinzugekommenen”?
Lüchow-Dannenberg nahm nach dem Zweiten Weltkrieg eine große Zahl an Flüchtlingen und Vertriebenen auf. Ihre Aufnahme, Verteilung, Unterbringung in Wohnung und Arbeit sowie ihre soziale und kulturelle Integration stellten eine große Herausforderung dar. Im Laufe von etlichen Jahren fühlten sie sich hier größtenteils zu Hause, sie veränderten und stärkten den Landkreis Lüchow-Dannenberg. Den hohen Zuwanderungen in diese schwach besiedelte Region in der Grenzlage zur DDR folgte danach aber bald ein entsprechend hoher Bevölkerungsschwund. Das Wirtschaftswunder sog Arbeitswillige in die wirtschaftlichen Ballungszentren der Bundesrepublik ab.
In der Zeit des geteilten Deutschlands bleibt durch die grenznahe Lage des Wendlandes zur DDR das Thema Flucht weiterhin etwas dramatisch Alltägliches. Auch wurden hier in den Jahrzehnten vor der Wende Flüchtlinge aus Bosnien, Vietnam, Ungarn aufgenommen. Nur wenige blieben.
Heute erleben wir Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Iran und afrikanischen Staaten. Neue „Fremde“ – ein Begriff, der den Blick auf das subjektive Erleben von Begegnungen richtet zwischen denen, die hier zu Hause sind und jenen, die hier als Fremde behandelt werden.
Ämter und Einwohner bemühen sich um Hilfestellung, die Geflohenen streben nach Integration. In die Bekundungen von Mitgefühl und Hilfe – das Wort „Willkommenskultur“ machte die Runde – mischt sich auch eine diffuse Angst vor den „Fremden“. Man redet über „Schutz der Landesgrenzen“ und Einführung von „Obergrenzen“. Für einige scheinen die vor Bedrohung Fliehenden selbst zur Bedrohung geworden zu sein. Eine Million neue „Fremde“ sind ab 2015 in unser Land gekommen. Hinter dieser Zahl stehen jedoch reale Menschen mit ihren persönlichen Schicksalen, die nun unsere Gesellschaft mit formen. Eine Tatsache, mit der wir umgehen lernen müssen.
Die Frage, die das Museumsteam sich gestellt hat: Was war damals „Heimat“, was ist heute „Heimat“? Der Blick zurück trägt dazu bei, die heutige Situation besser zu verstehen, meinen die AusstellungsmacherInnen.
Die Ausstellung ist bis Ende Oktober 2017 im Museum zu sehen: Mittwoch bis Sonntag 14-17 Uhr
Das Museum Wustrow ist eins von dreizehn Museen zwischen Elbe und Wendland und Mitglied im Museumsverbund Lüchow-Dannenberg e. V.