Uwe Bremer, geb. 1940 lebt als Maler und Graphiker bereits seit 1972 in Gümse.
1964 gründet er zusammen mit Günter Bruno Fuchs, Johannes Vennekamp, Albert Schindehütte und Arno Waldschmidt die Werkstatt Rixdorfer Drucke. Neben vielen Einzelausstellungen in Deutschland kann er auf zahlreiche Ausstellungen im Ausland wie Wien, Oslo, Seattle oder Moskau verweisen.
Und hier der Text der Rede im Wortlaut:
wir leben in seltsamen Zeiten.
Während im Land der unbegrenzten Möglichkeiten die große Immobilien-Blase platzt, viele Banken kollabieren und die Automobilkonzerne die finale Bremse ziehen, tobt bei uns die Übernahmeschlacht.
Porsche versucht ebenso vergeblich VW herunter zu schlingen, wie Frau Scheffler Continental in der nerzverbrämten Kehle stecken bleibt. Rosenthal zertrümmert all sein Porzellan, während Schiesser sich mit Doppelripp stranguliert erwischt es schließlich Escada, trotz oder wegen prominenter Hollywood-Klientel.
Hypo Real Estate und andere Keingeldinstitute kriechen unter die mit geliehenen Milliarden gestopfte Staatsdecke. Karstadt, Hertie und andere eröffnen den letzten Schlussverkauf.
Aus dem Nachbarland stammende Eingeborene, die einst als Banker ihr Geld verdienten, überschreiten die Grenzen und verdingen sich hier als Gigolos, um einheimischen Milliardärinnen den ersehnten Abspeckurlaub in bewährten Einrichtungen erst zu versüßen und sie später um das Lebensnotwendigste zu erleichtern. Andere, gewöhnlich gut gestopfte Unternehmerinnen, proben den Schickedanz im bescheidenen Hartz IV-Büßergewand. Dies alles ist beunruhigend, aber es kommt noch ärger.
Nach Vogelseuche, SARS und BSE und mitten in der Krise, erhebt plötzlich die Schweinegrippe grunzend ihr hässliches Haupt.
Erst das Ozonloch, FCKW und Waldsterben, schließlich die Erderwärmung mit daraus folgender Klimakatastrophe. Sofort jettet die besorgte Klima-Katastrophen-Kanzlerin zum Südpol, um sich dort vor einem braunen Erdhügel ablichten zu lassen, der einst ein Eisberg gewesen sein soll. Dieses Foto hätte man ohne den beschwerlichen und aufwendigen Flug auch im Elbsandsteingebirge schießen können, das man ohne große Mühe in der komfortablen Dienstlimousine erreichen kann.
Zu dieser Expedition war sie stilsicher im wattierten Anorak erschienen. Zu Hause bevorzugte die Landesmutter die neongrüne, dottergelbe oder himmelblaue Kurzjacke die zeigt, dass unsere Chefin nicht nur vorne oben – sondern auch inten mittig einiges mehr zu bieten hat, als mancher vom Ehrgeiz getriebene, commerzkundige männliche Konkurrent.
In diesen seltsamen Zeiten hat es an prominenten und gewissenhaften Mahnern selbstverständlich nicht gefehlt. Leider nicht durchgehend mit Erfolg.
Der berühmte Ruck geht durch die Bevölkerung wenn sie versucht, den vom überseeischen Anbieter eingeführten double-Wobber herunterzuwürgen. Das Staatswesen bemüht sich, die von Form- und Gammelfleisch, Analogkäse, Kalorien- und Cholesterinträgern schwergewichtigen Internetuser vor den Gefahren von Tabakrauch, Feinstaub und Komasaufen zu behüten, und sie zu weiteren Sprüngen auf der nach oben offenen Alterspyramide anzuspornen.
Nächtliche Spaziergänger können durch die Spalten hastig geschlossener Gardinen erspähen, wie ältliche Pärchen gleichen – mitunter auch verschiedenen bzw. veränderten Geschlechts, im fahlen Licht der Energiesparlampen Zärtlichkeiten austauschen. Sie ernten die Früchte des Warmlichtverbots.
Post und Bahn schnüffeln im Privatleben ständig übermüdeter Mitarbeiter herum, im world-wide-web floriert der Datenhandel.
Außerhalb der Grenzen, durch die Wüsten Asiens, über die schroffen Schründe des Hindukusch stolpern Bürger und Bürgerinnen in Uniform, um die Freiheit der Heimat vor den Übergriffen fanatischer Taliban und den Attacken entmenschter El-Kaida-Terroristen zu verteidigen.
Kein Wunder, dass es Politiker gibt, die sich die Wärme und Geborgenheit der fünfziger bzw. sechziger Jahre zurück wünschen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten wir die Republik auf Überlichtgeschwindigkeit beschleunigen. Wir könnten dann beobachten, wie sich die schillernde Cohiba (kubanische Zigarre) in der nervigen Hand des Brioniträgers langsam wieder in die solide Handelsgold in der weichen Pratze des Wirtschaftswundermannes rückverwandelt. Seit Albert Einstein weiß aber jeder Physiker und fast jede Physikerin, dass Überlichtgeschwindigkeit ein schöner Traum ist, der nie in Erfüllung geht.
Was also tun in seltsamer Zeit? Man könnte heimlich sein letztes Pfeifchen rauchen, ein Röhrchen Schlaftabletten schlucken, etwas Komasaufen und sich dann in den Waldsee stürzen.
Man kann aber auch auf den 27. September warten und der unrichtigen Partei seine Stimme geben. Um Ihnen das zu empfehlen, bin ich hier.