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Fluchtbiographien

In der Jahresausstellung 2014 zeigt das Museum Altes Zollhaus in Hitzacker verschiedene Fluchtbiographien. Zusammengestellt von Karin Toben und Klaus Lehmann.  

  Wer als junger Mensch schon die Flucht aus Ostpreußen und Pommern hinter sich gebracht hat, der traut sich offenbar zu, ein weiteres Mal alles hinter sich zu lassen auf der Suche nach dem Glück.

Klaus Launus ist 32 Jahre alt, als er mit seiner Frau Anni (34) den Entschluss fasst, das zur zweiten Heimat gewordene Privelack an der Elbe wieder zu verlas- sen. Aber sie sind da längst nicht mehr allein: sie haben sieben Kinder, für die sie eine bessere Zukunft wollen, ein Leben in Freiheit. Sie haben Arbeit in der Landwirt- schaft, halten sich aber aus „gesellschaftlicher Arbeit“ heraus. Sie leben direkt am Deich im ehemaligen Haus der Familie Harms, die 1952 zwangsausgesiedelt wurde.

In der Silvesternacht 1969/1970 verschwindet die Familie Launus für immer aus dem Sperrgebiet, aus dem 500-Meter-Schutzstreifen, aus der DDR. Es ist der kälteste Dezember des Jahrhunderts, die Elbe führt Packeis. Sie haben ihren Fernseher und das Motorrad und die Hühner rechtzeitig vorher verkauft. Die Kinder Meinhard, Renate, Annegret, Adelheid, Evelin und Andrea, die erst zwei Jahre alt ist, sind noch am Nachmittag auf dem Deich Schlitten gefahren. Der 10jährige Klaus bleibt bei Oma im nahen Pinnau. Sie lassen Licht in der Küche brennen und schleichen sich aus der Hintertür. Mit langen Stöcken sichern sie ihren Weg übers Eis.

Der „schwere ungesetzliche Grenzübertritt“ hat Folgen für den Grenzkompaniechef: Er habe die Lage an der vereisten Elbe falsch eingeschätzt, seine Untergebenen ungenügend ausgebildet, er müsse „an der Überwindung seiner Charaktereigenschaften arbeiten“. Ihm wird Schuld an der Flucht zugewiesen. „Launus hatte keine feste Bindung zur DDR“, heißt es später in den Akten von Stasi und Grenzpolizei. Die achtköpfige Familie kommt bei Schwestern in Westfalen unter, Klaus findet sofort Arbeit in einer Fabrik. Sie werden im Rheinland ansässig, an Deutschlands westlichster Grenze.

 

2014-06-03 ; von Dirk Drazewski (autor),
in Tiesmesland, 29456 Hitzacker (Elbe), Deutschland

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