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“Nuclear alla Turca” - Widerstand gegen den Bau des ersten AKW in der Türkei

Mindestens seit den frühen 70er Jahren träumt die Türkei von ihrem ersten eigenen Atomkraftwerk. Bis heute wurde keines errichtet - allerdings begannen 2015 in Akkuyu die Bauarbeiten für vier Meiler.

Anti-Atom-AktivistInnen vor Ort wollen dieser Entwicklung etwas entgegensetzen und drehen jetzt einen Film, in dem sie die absurden AKW-Pläne der türkischen Regierung entlarven. Ihre Message: Die Türkei ist am Scheideweg. Entweder setzt das Land auf Atomkraft oder aber auf erneuerbare Energien.

Während 1986 „Die Wolken Tschernobyls“ über unseren Köpfen schwebten, spielten türkische Politiker die Risiken atomarer Strahlung herunter und behaupteten, diese hätte keine negativen Auswirkungen auf unsere Gesundheit: „Ein wenig Strahlung ist gut für Dich!“, „Radioaktiver Tee schmeckt besser!“ oder etwa „Strahlung ist gut für die Knochen!“ – aus dem Munde führender türkischer Politiker.

Bereits in den frühen 1970er- und den späten 1990er-Jahren gab es Pläne für ein Atomkraftwerk am Standort Akkuyu an der Mittelmeerküste im Süden der Türkei. Diese Pläne wurden verworfen. Im Mai 2010 vereinbarte man in einem türkisch-russischen Abkommen, dass das russische Unternehmen Atomstroiexport an dieser Stelle ein AKW errichten und betreiben soll. Geplant sind vier Blöcke mit jeweils 1.200 Megawatt Leistung. Die Baukosten werden mittlerweile auf bis zu 25 Milliarden US-Dollar geschätzt. Der erste Meiler sollte ursprünglich 2016 in Betrieb gehen. Allerdings verzögerte sich der Baubeginn und erst am 14. April 2015 erfolgte die offizielle Grundsteinlegung durch Energieminister Taner Yıldız - begleitet von Protestaktionen. Vor einem Jahr verschoben die Betreiber die Inbetriebnahme des ersten Reaktors auf 2022.

25 Kilometer neben aktiver Erdbebenzone

In der Türkei bebt die Erde weltweit am häufigsten. Ausgerechnet Akkuyu liegt in unmittelbarer Nähe zu einer aktiven Erdbebenzone, nur etwa 25 Kilometer entfernt vom seismischen Zentrum des sogenannten Ecemis-Grabens. Erst im Januar 2013 ereignete sich in der Region ein schweres Beben mit der Stärke 6,2. 1999 bebte die Erde mit einer Stärke von 7,8. Das neue AKW soll für Erschütterungen mit einer Magnitude von lediglich 6,5 auf der Richterskala ausgelegt werden. KritikerInnen warnen vor dem Sicherheitsrisiko. Doch Energieminister Yildiz bewertet alle Befürchtungen als „unbegründet und hysterisch“, weil der Bau „nach neuesten Sicherheitsstandards“ erfolgen werde. Das Erdbeben-Institut Kandil in Istanbul erwartet hingegen seit Jahren ein starkes Beben in der Marmara-Region und auch an der Mittelmeerküste.

Seit Veröffentlichung der AKW-Pläne sind nicht nur Ökologen und UmweltaktivistInnen, sondern selbst die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) alarmiert. Beide Stimmen verweisen aber nicht etwa auf die Erdbebengefährdung sondern auf die „mangelhafte atomare Infrastruktur“ im Land. Darüber hinaus haben sich laut Meinungsumfragen, die kurz nach der Fukushima-Katastrophe durchgeführt wurden, 65 Prozent der türkischen Bevölkerung klar gegen den Einstieg in die Atomenergienutzung ausgesprochen.  

Die Türkei muss sich entscheiden: Setzt sie auf Atomkraft oder auf Erneuerbare Energien? Die Atomlobby betreibt derzeit eine aggressive Werbekampagne für das erste AKW-Projekt und macht dabei selbst vor Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen nicht Halt. Ein Team um den türkische Regisseur Can Candan ist nun fest entschlossen, „diesem Wahnsinn etwas entgegenzusetzen“: „Unser erklärtes Ziel ist es, eine breite öffentliche Diskussion zum Thema Atomenergie in der Türkei loszutreten, indem wir die stark verschleierte Geschichte der Atomenergie des Landes ans Tageslicht bringen und das Bewusstsein der Bevölkerung diesbezüglich schärfen“, so die FilmemacherInnen.

Weitere Infos:http://nuclearallaturca.com  

Spendenfinanzierung über:  https://www.indiegogo.com/projects/nuclear-alla-turca-documentary-film#/  

Interview (Video):  Dirk Drazewski


2016-04-18 ; von Jan Becker (autor), Dirk Drazewski (video),

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