Bisher gilt Mais als die optimale Energiepflanze für die Fütterung von Biogasanlagen. Doch bestimmte Mischungen von Wildpflanzen können schon jetzt eine ernst zu nehmende blühende Alternative sein. Die Bioenergie-Region stellte am Freitag mehrere erfolgreich verlaufene Freilandversuche vor.
Noch sind in Lüchow-Dannenberg lediglich 16 % der Ackerflächen mit energetisch hocheffektiven Maispflanzen belegt - doch der steigende Energiebedarf könnte bald dazu führen, dass auch hierzulande der Anteil der Maisfelder immer mehr steigt.
Naturschützer befürchten schon seit langem, dass die Artenvielfalt durch die zunehmende Ver"Mais"ung der Landschaft noch mehr abnimmt. Dabei gibt es gute Alternativen für Landwirte, die Energiepflanzen für die Lieferung an Biogasanlagen anbauen wollen, wie die Bioenergie-Region Wendland-Elbetal am Freitag in einem Fachgespräch vorstellte.
Denn auch in Lüchow-Dannenberg beteiligen sich jetzt einige Landwirte an dem bundesweiten Forschungsvorhaben "Energie aus Wildpflanzen" , an welchem die Bayerische Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (BLWG) zentral beteiligt ist.
Bereits seit 2008 beschäftigt sich die BLWG mit den energetischen Leistungen und der Anbaufähigkeit von Wild- und Blühpflanzen. Aus über 240 Arten wählten die Fachleute der BLWG schrittweise etwa 20 geeignete Arten aus, die in ihrer Zusammensetzung eine möglichst lange Blühphase haben und einen guten Ertrag liefern. Dabei wurden schon im Vorfeld solche Arten aussortiert, die stark auswildern könnten oder bei denen die Gefahr der Einkreuzung in die vorhandene Wildflora besteht. Berücksichtigt wurde bei der Auswahl unter anderem auch, ob und wie problemlos sich die Wildpflanzen ernten lassen.
Nach jahrelangen Anbauversuchen und Untersuchungen kann die LWG jetzt Saatmischungen vorstellen, die einerseits einen vergleichbaren Energieertrag wie Mais liefern und andererseits einen ökologischen Mehrwert für den Lebensraum "Acker" bieten. Wildpflanzenmischungen aus (unter anderem) Echtem Eibisch, Buchweizen, Fenchel, Wilder Malve, Echtem Alant oder der Mariendistel machen die Felder nicht nur bunt, sondern bieten Nahrung und Schutz für Feldvögel, Wildtiere oder Insekten. Durch den mehrjährigen Anbau in Mischkultur schützen sie auch den Boden vor Erosion und Wasserverlust.
Sieben Versuchsfelder in der Region beweisen: Es funktioniert!
Die Berechnungen der LWG haben ergeben, dass die Landwirte beim Einsatz einer Wildpflanzenmischung mit 50 bis 60 % des Methanhektarertrages rechnen können, den sie sonst mit Mais erreicht haben. Gleichzeitig müssen die Dauerkulturen weniger bewirtschaftet werden und sind widerstandsfähiger gegenüber Trockenphasen. Außerdem müssen sie nicht Pflanzenschutzmitteln behandelt werden.
In Lüchow-Dannenberg sind es mehrere Landwirte, die auf insgesamt sieben Flächen seit dem Frühjahr Versuchsfelder mit den blühenden Energiepflanzen eingerichtet haben. Nach ersten Irritationen über zögerlichen Aufwuchs zeigen sich die Landwirte aber jetzt zufrieden.
Beispiel Keddien: Auf einem seiner Äcker hat Michael Harneid, selbst Biogas-Anlagenbetreiber, ein Hektar seiner Äcker mit einer Wild- und Blühpflanzenmischung belegt. Bunt prangt inzwischen sein Acker mit einem mehrere Meter hohen Dschungel aus Sonnenblumen, Mariendisteln oder Zuckerhirse. Andere Wildpflanzen wie Stockrose oder Malvenarten werden erst im nächsten Jahr zur vollen Pracht aufblühen. Bienen und andere Insekten tummeln sich in den Blüten der verschiedenen Pflanzen, während auf dem Maisacker direkt nebenan grüne Ruhe herrscht. Dort ist nicht eine Biene zu sehen.
Bisher hatte Michael Harneid wenig Arbeit mit seinem blühenden Acker: recht spät, Mitte Mai, drillte er die vorbereitete Saatgut-Mischung ein - und schaut seitdem dem Wachstum seiner zukünftigen Energiepflanzen zu, ohne Beregnung, ohne Düngung, ohne weitere Bearbeitung der Fläche. "Zunächst war ich skeptisch, ob das was wird, weil alte Kartoffelpflanzen die Herrschaft auf dem Acker übernommen hatten," so Harneid. "Doch Mitte, Ende Juni fingen die Pflanzen an, flächendeckend zu sprießen." Inzwischen haben die Sonnenblumen, in seiner Mischung die Deckpflanze fürs erste Jahr, längst das Kommando übernommen - die alten Kartoffelstrünke liegen ermattet am Boden.
Irgendwann im Herbst wird Harneid die erste Ernte seiner bunten Energiepflanzen ernten können. Denn drei bis fünf Jahre können die Wildpflanzenmischungen stehen bleiben, bevor sie durch eine neue Mischung ersetzt werden müssen. In der Zeit muss nicht gedüngt, kaum beregnet und die Fläche gar nicht bearbeitet werden. Lediglich die Ernte steht einmal jährlich an, die mit ganz normalen Getreidemähmaschinen durchgeführt werden kann. Dann geht es mit dem Erntegut ab in die Biogasanlage. Dort wird sich dann endgültig zeigen, wie effektiv die Wildpflanzen Mais als Energiepflanze ersetzen können.
Im Handel erhältlich sind übrigens Saatgut-Mischungen, die auf die regionalen Gegebenheiten abgestimmt sind.
Wirtschaftlichkeit und Naturschutz sind kein Widerspruch mehr
Die Vorteile für die Landschaft und die Lebensräume von Kleingetier sind jetzt schon klar ersichtlich: das Landschaftsbild wird abwechslungsreicher, die Wildpflanzen sind eine hervorragende Pollen- und Nektarquelle für Wild- und Honigbienen, die Gesundheit von Boden und Pflanzen wird erhöht und die Bodenerosion durch Wasser und Wind verhindert.
Auch wirtschaftlich, so Dr. Birgit Vollrath von der LWG Bayern, die am Freitag als Fachfrau die Wildpflanzenkultur vorstellte, sind einige positive Effekte zu erwarten: Pflanzenschutz- und Düngemittel sind für diese Flächen nicht mehr notwendig, Maschinen-, Lohn- und Treibstoffkosten werden deutlich eingespart und das Risiko durch Ausfall einzelner Arten wird erheblich gesenkt.
Allerdings: das Saatgut für geignete Wildpflanzenmischungen ist derzeit noch 10 bis 20-mal teurer als entsprechendes Saatgut für Mais. Ein Kostenfaktor, weswegen so mancher Landwirt noch vorsichtig bleibt. Auch der gleichzeitige Anbau von Sommergerste könnte problematisch werden, da diese Pflanzenschutzmittel benötigt, die Wildpflanzen diese Mittel aber nicht vertragen. Aber auch an der Entwicklung von sinnvollen Kulturfolgen wird bei der LWG gearbeitet.
Michael Harneid aus Keddien ist zunächst einmal zufrieden. Doch echter Landwirt, der er ist, bleibt er vorsichtig: "In drei Jahren werden wir sehen, wie sich die Wildpflanzen wirtschaftlich tatsächlich darstellen." Ähnlich sieht es Neuland-Landwirt Martin Schulz aus Quickborn. Auch er hat einige Hektar seiner Äcker mit den Wildpflanzen belegt, wie einige andere Landwirte aus der Region auch.
Der EU-Ausschuss für Landwirtschaft beschloss übrigens im vergangenen Jahr, dass die alternativen Energiepflanzen auch auf den ökologischen Vorrangflächen (dem sogenannten "Greening"), die die Agrarreform vorschreibt, angebaut (und genutzt) werden dürfen - vorausgesetzt die Landwirte setzen keine Pestizide und Düngemittel ein.
Die Durchführungs-Verordnung für die Umsetzung der Agrarreform in Deutschland ist allerdings gerade erst beim Landwirtschaftsministerium in Niedersachsen (NMLVE) zur Stellungnahme eingegangen. So mochte Dr. Gerd Höhr, Referatsleiter Bioenergie und Nachwachsende Rohstoffe im NMLVE, die Einbeziehung der Wildpflanzen noch nicht bestätigen. Aber seine ersten vorsichtigen Andeutungen stimmen hoffnungsfroh: "Es sieht so aus, als ob sie auch bei Nutzung unter bestimmten Bedingungen ins Greening eingerechnet werden können," so Höhr am Freitag.
Wie sagte Landvolk-Vorsitzender Alfred Tebel in einem ganz anderen Zusammenhang: "Da kommt eine ganz interessante Schiene auf uns zu." Tebel meinte damit den Ausbau der umstrittenen Geflügelmast in der Region. Der Ausbau des Wildpflanzen-Anbaus für die Nutzung in Biogas-Anlagen dürfte bei der Bevölkerung in der Region allerdings für mehr Begeisterung sorgen - und den Landwirten voraussichtlich auch wirtschaftlichen Nutzen bringen.
Foto / Angelika Blank: Links grün rechts bunt - bei der Vorstellung der Parzellenversuche im Raum Zernien interessierten sich am Freitag rund zwanzig Naturschützer, Landwirte und Kommunalpolitiker für die Alternative, Blühplanzen statt Mais für die Nutzung in Biogasanlagen einzusetzen.