Thema: kunst

Bier - nicht nur eine Ausstellung

Wo Bier ist, ist der Kurzschluss nicht weit ... Nicht nur diese tief schürfende Erkenntnis bietet der 238 Seiten starke Katalog zur aktuellen Ausstellung des Westwendischen Kunstvereins in Gartow. 104 Künstler und 52 Autoren beschäftigten sich mit dem Phänomen Bier. Noch bis zum 28. August können sich Besucher von den Facetten des Biergenusses faszinieren - oder auch abschrecken - lassen.

Ob es einem nun schmeckt oder nicht - Bier ist Legende. Kein anderes alkoholisches Getränk bringt es - zumindest in Deutschland - auf so gigantische Verbrauchszahlen wie Bier. Laut Bundesstatitik sind im Jahr 2006 hierzulande 92,0 Millionen Hektoliter Bier "verzehrt" worden. Durchschnittlich trinkt demnach jeder Deutsche mehr als einen Hektoliter (100 Liter) Bier pro Jahr. Im Vergleich dazu: beim Wein beschränken sich die Deutschen auf gerade mal ca. 24 Liter/Jahr.

Es scheint also durchaus angemessen zu sein, wenn die Initiatoren des "Bier"-Projektes, die Berliner Manuela Reichart, Peter Glückstein und Stefanie Steudemann, Bier als Grundversorgung ansehen. Während Manuela Reichart vom Rundfunk kommt, gilt Peter Glückstein als "schillernde Figur der Berliner Gastroszene". Stefanie Steudemann ist Mitbesitzerin der legendären "Bar am Lützowplatz" in Berlin, wo schon das erste Projekt der drei geboren wurde, die "Cocktail"-Ausstellung. "Damals wurden alle beteiligten Künstler mit Cocktails auf Lebenszeit bezahlt", so Manuela Reichart bei der Eröffnung der Ausstellung im Gartower Zehntspeicher. "Diesmal erhalten sie jeweils 1000 Biere in der Bar am Lützowplatz. Denn auch Künstler brauchen ja ein Grundnahrungsmittel, was Cocktails eher nicht sind."

Es war wohl nicht nur die nahrhafte Entlohnung, die 104 Künstler und 52 Autoren motivierte, sich an dem Ausstellungsprojekt zu beteiligen. Schon in den Kurztexten des "Bier"-Buches zeigt sich, dass Bier in nahezu allen Lebenslagen ein beliebtes Getränk ist. Ob Beziehungsstress oder Jubelfeier, Feierabend oder Fußballspiel - Bier gehört zum Alltag wie Brot und Butter.

Auch heilende Wirkung wird dem Bier schon seit Jahrtausenden zugeschrieben. Johann Wolfgang Goethe war gar der Ansicht, dass Bier klüger mache. Und Hildegard von Bingen, Mystikerin und Heilerin, war von der gesundheitsfördernden Wirkung des Biers überzeugt.

So finden sich auch in den über hundert Bildern der Künstler - mit dabei so große Namen wie Johannes Grützke oder Elvira Bach - die vielfältigen Facetten des Biergenusses wieder. Vom trägen Biertrinker, der außer seinen Flaschen nur noch die Glotze braucht (A perfect Day) über den gefrusteten Säufer bis hin zur prallen Walküre, die Bier zur Nahrung reicht, sind viele der Phantasien rund um Bier Bild geworden. Sogar als erotisches Aufpeppmittel eignet sich Bier, wenn man Sigurd Wendland (Zwangsernährung) glaubt.

Und immer wieder taucht in den Werken das Rauschhafte, Exzessive auf, welches sich mit dem Biergenuss verbindet - nicht unbedingt immer im positiven Sinne. Dementsprechend ist in den ausgestellten Werken viel Erotik im Spiel, oft gepaart mit Sehnsucht, aber auch die dumpfen Folgen des Bierkonsums sind vielfach Themen der - meistens - Gemälde.

Und immer wieder gehört zum Biertrinken auch die Melancholie. So beschreibt zum Beispiel Wiebke Eden die "Jever-Männer": "Echte Jever-Männer schleppen kistenweise Bier auf ihre Schiffe, mit denen sie bei Windstärke 8 nach Helgoland segeln. Wenn sie sich im Hafen, treffen, Fidi, Fokko und Tanno, spendieren si sich eine eine Flasche nach der anderen. Wenn Fidi dann seine Gitarre rausholt, ist es besonders schön, aber nach einer Weile auch traurig, weil jeder Begegnung ein Abschied innewohnt. Um den Schmerz vorwegzunehmen, hat Fidi letztes Mal seine Gitarre ins Meer geworfen. Am nächsten Morgen saß er tränenüberströmt an der Reling. Tröstend klopften ihm die Kameraden auf die Schulter. So sind echte Jever-Männer. ..." (Der komplette Text findet sich im "Bier"-Buch).

Geöffnet ist die Ausstellung im Gartower Zehntspeicher noch bis zum 28. August (freitags 16-19 Uhr, samstags und sonntags 14-18 Uhr). www.westwendischerkunstverein.eu

Lesungen:
24. Juli, 18.00 Uhr: Jan-Peter Bremer
21. August, 18.00 Uhr: Hans-Christoph Buch

Titelbild: 'A pefect Day' von Jenny Löbert

 

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2010-07-25 ; von Angelika Blank (autor),

kunst  

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