Über das Buch „Madalyn“ von Michael Köhlmeier
Wo ist vorn, wo hinten? Ist alles rosa? Oder schwarz? Ist das wahr, was er sagt? Oder ist alles bloß Lüge? Was passiert, wenn ich mich fallenlasse? Falle ich rein? Ist alles überhaupt nur eine Falle? Michael Köhlmeier legt mit „Madalyn“ eine Liebeserklärung an die sonst so gern gescholtene und verteufelte Pubertät vor, beschreibt sie – aus Sicht eines 14jährigen Mädchens – in all ihrer Faszination und Beklopptheit: Alle feinsten Zeichen des Angehimmelten, selbst die, die eigentlich gar keine sind, werden entweder als schroffe Ablehnung oder als lebenslänglicher Liebesbeweis interpretiert. Dieses Wechselbad der Gefühle ist für den, der’s hinter sich hat, auch in der Erinnerung ambivalent: wer sehnt sich nicht manchmal nach dieser Totalität zurück? Aber wer schlüge nicht sofort drei Kreuze, kriegte er tatsächlich die Möglichkeit, noch einmal in dieses Chaos zurückgeschickt zu werden?
Der Schriftsteller Sebastian Lukasser wird eine Art Wahlvater für die ein Stockwerk tiefer wohnende Madalyn. Er bringt ihr das Fahrradfahren bei. Als er der Fünfjährigen das Leben rettet, wird er, ob er das will oder nicht, ihr Schutzengel. Als sie 14 ist, weiht sie ihn in ihre tiefsten Ge-heimnise ein, erzählt ihm von ihrer ersten großen Liebe; natürlich in einen, der aus nicht vorzeigbaren Verhältnissen stammt, beim Einbruch erwischt wurde, aber auch Gedichte schreibt – wenn denn nicht auch die geklaut sind. Diesem Moritz glaubt keiner – außer Madalyn, die er dann aber auch belügt. Oder doch nicht?
Der Schriftsteller will das alles eigentlich gar nicht wissen, aber das Mädchen und ihre Geschichte reißen ihn mit, tiefer, als ihm lieb ist, denn bald weiß er selbst nicht mehr so genau, was wahr ist und was nicht, und wem man glauben kann und wem besser nicht – natürlich sich selbst eingeschlossen.
Ein schönes, kleines Buch. Nicht, daß man stürbe, liest man es nicht, auch wird nicht gleich das Nobelpreiskomitee angerannt kommen oder Hollywoodproduzenten, die es sogleich verfilmen wollen; aber eine spannende, nahegehende Geschichte, gut beobachtet und durch seine Schlichtheit phasenweise herzzerreißend, genau die Mischung, die nur Österreicher hinkriegen: staubtrocken, bisweilen schmerzhaft sachlich, im nächsten Moment am Kitsch schrammend und beinahe schlierenziehend hingerissen.