Thema: geschichte

Dannenberger Gerichtsprotokolle: Blick ins 15. und 16. Jahrhundert

An gerichtsrelevante Begebenheiten verschiedener Art erinnert das Buch "Dannenberger Gerichtsprotokolle, das am Dienstag in Dannenberg vorgestellt wurde.  Die Protokoll-Sammlung beinhaltet eine Fülle lokalhistorischer Ereignisse aus dem 15. und 16. Jahrhundert.

Gar Grausiges geschah im Dannenberg des 15. Jahrhunderts einer Frau namens Ilse: Ein Schürzentuch hatte sie gestohlen, aus der Wäsche eines fürstlichen Beamtenhaushalts. Bei der Vernehmung leugnete sie, behauptete, das Jesuskind habe ihr das Textilstück geschenkt. Doch die Obrigkeit glaubte nicht an solch himmlische Gabe und ordnete zur Erlangung eines Geständnisses an: Frau Ilse ist peinlich zu befragen, also zu foltern! Was dann auch geschah. An diese und viele andere gerichtsrelevante Begebenheiten erinnert das Buch "Dannenberger Gerichtsprotokolle". Es wurde am Dienstag im Alten Rathaus der Jeetzelstadt einem Kreis eingeladener Gäste vorgestellt.

Die Geschichte von Ilse und dem stibitzten Tuch aber ist kein Hinweis darauf, dass das Buch eine Sammlung ähnlicher Storys in sich birgt oder gar eine "vergnügliche Bettlektüre" ist, wie es Wolfgang Jürries ausdrückte, der Vorsitzende des Heimatkundlichen Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg (HALD). Diese Gemeinschaft ist Herausgeber der Protokoll-Sammlung, die, so Jürries, eine Fülle lokalhistorischer Ereignisse aus dem 15. und 16. Jahrhundert aufzeigt. Besonders gefragt sein werde das Buch bei heimat- und regionalgeschichtlich Interessierten, denen damit ein wirklich seriöses Werk an die Hand gegeben werde.

Aufzeichnungen auch zu Strafverfahren

Den Inhalt zusammengestellt und wissenschaftlich bearbeitet hat Dr. Dieter Brosius, ehemals leitender Archivdirektor des Hauptstaatsarchivs Hannover. Dorthin hatte das Amtsgericht Dannenberg 1878 eine größere Menge nicht mehr benötigter Schriften geschickt. Mit dabei waren 18 "Kontraktenbücher" des 15. bis 19. Jahrhunderts. Sie enthalten Aufzeichnungen aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit, aber auch Strafverfahren sind erfasst. In den nun vorliegenden "Dannenberger Gerichtsprotokollen" sind aus jenen Büchern Eintragungen aus dem 15. und 16. Jahrhundert zusammengefasst - so genannte Regesten. Dieser Fachausdruck leitet sich aus dem lateinischen "res gestae" ab, zu deutsch: die getanen Dinge.

Vermerke zu Brautschatz und Schlägereien

Der Inhalt des Buches, fasste Dieter Brosius zusammen, vermittele Vieles über die Geschichte der Einwohnerschaft Dannenbergs und deren soziale Entwicklung. Einträge über den Verkauf oder die Beleihung von Häusern seien ebenso zu finden wie Notizen über die Vergabe von Krediten, die man seinerzeit nicht bei einer Bank beantragte, sondern um die man finanziell gut gepolsterte Mitbürger bat. Eheverträge mit Auflistung des "Brautschatzes" gehören zum Inhalt der Gerichtsprotokolle, desgleichen die "Benennung der Morgengabe", welche der frisch getraute Ehemann nach "vollzogener Brautnacht" zu leisten hatte.

Vermerke über Schlägereien enthält das Buch ebenso wie Notizen zu entlassenen Strafgefangenen und deren pflichtgemäße Eidesleistung vor dem Öffnen der Kerkertür. Diese wurde nämlich erst aufgetan, nachdem der Bestrafte geschworen hatte, sich an den Vertretern der Staatsgewalt nicht zu rächen für den Aufenthalt im Knast. Wirtschaftlichen Auf- und Abstieg Dannenberger Bürger belegt das Werk, und den Leserinnen und Lesern erschließt sich, dass es auch im relativ kleinen Dannenberg so etwas wie eine städtische Oberschicht gab, welche die Mitglieder des Rates stellte. Des weiteren, so Dieter Brosius, werde anhand der Eintragungen eine "Sozialtopographie" erkennbar: Man erfährt, wo die "besseren Häuser und wo die schlichteren Behausungen zu finden waren in der Stadt.

Sparkasse trägt Löwenanteil der Kosten

Dannenbergs stellvertretende Bürgermeisterin Barbara Felber (CDU) bedankte sich bei allen, die zum Zustandekommen des Buches beigetragen haben. Besonders bei der Sparkasse, "ohne deren Unterstützung die Dannenberger Gerichtsprotokolle jetzt nicht vor uns liegen würden". Rund 5.200 Euro hat die Produktion der 300 Exemplare gekostet. Annähernd 900 Euro sollen durch den Verkauf zum Stückpreis von 14,90 Euro wieder hereinkommen, gut 500 Euro hat die Stadt Dannenberg spendiert, 800 der Heimatkundliche Arbeitskreis beigesteuert. Den Löwenanteil von 3.000 Euro trägt die Sparkasse Uelzen/Lüchow-Dannenberg.

Geldverleihern drohte Übles

Der Vorstands-Vorsitzende jenes Geldinstituts, Dirk Köhler, griff das auch im Buch erwähnte Thema "Geldverleih" auf und erinnerte: Im Mittelalter sei denen, die Zinsen für Kredite nahmen, gar Übles vorhergesagt worden: mindestens der Weg ins Fegefeuer, wenn nicht gar in die Hölle. Der Zuschuss für die "Dannenberger Gerichtsprotokolle" sei ein kleiner Ablass-Versuch in der Hoffnung, solcher Pein zu entkommen. Die Sparkasse, so Köhler, habe das Entstehen des Buches gern unterstützt, zähle sie es doch seit jeher zu ihren gemeinnützigen Aufgaben, Kulturelles, Soziales und Sportliches zu fördern.

Die "Dannenberger Gerichtsprotokolle", so war vom HALD-Vorsitzenden Wolfgang Jürries zu erfahren, sind im Buchhandel erhältlich.

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2010-06-01 ; von Hagen Jung (autor),

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